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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Steigerung ladet männiglich zu diesem originellen. Scheveningen eigenthümlichen
Schauspiele ein. Der Fischer hat seine Beute auf dem Strande in schönster
Ordnung aufgelegt: Schellfische, Turbot, Schollen und alle die Meerwunder;
die Kauflustigen, Mannen und Weibsen, umfassen sich wie zum Reigen, machen
so ein paarmal die Runde um die Kostbarkeiten, versichern sich genau der
Preiswürdigkeit, und die Versteigerung beginnt. Es wird nicht auf- sondern
abwärts geboten und den zuletzt haltenden zugeschlagen. Der Kreis löst sich,
der Käufer sortirt seine Waare, bringt sie in Körben geschichtet in das Dorf
und dort erwarten sie schon handfeste Weiber, um sie auf dem Kopfe oder
auf von Hunden gezogenen Karren vollends nach dem Haag zu bringen..
Vielleicht finden wir dort im Gasthofe zu Mittag einen dieser vor unsern
Augen verauktionirten Turbots u. s. w. wieder -- bis dahin aber bringen
wir noch unsern Vormittag in Scheveningen zu, sammeln am Strande die
reichlich ausgeworfenen Muscheln und erleben alles das mit, was zu einem
Seebadmorgen gehört.

Und des Abends kehren wir wieder aus der Stadt zum Meere zurück.
Da liegen dann die Fischerbarken alle miteinander vor Anker; die Besitzer
derselben, wetterharte, kräftige Gestalten, stehen am Strande; auf der Terasse
sitzt die ganze Nobiltty der Saison. Das Meer wallt und leuchtet in den
wechselndsten Abendlichtern, die sinkende Sonne gibt ihm den Scheidekuß.
Auf dem weiter seewärts stehenden Leuchtthurm sind schon die Laternen ange¬
zündet. Zu ihm steigen wir noch hinauf, um hinüberzuschauen über die kahle,
traurige Dünenwüste, aus der oasenähnlich das Dorf auftaucht, dessen Kinder
lärmend und lachend in den Hügeln spielen, am längsten aber hinauszusehen
vermögen in das nachtdunkle Meer, dessen Schiffe längst dem Blicke verborgen
sind, dessen Schlummerathmen auch die allmälig rings anbrechende Stille durch¬
tönt und über das der die Wolken durchbrechende Mond sein bleiches Licht
hinstreichen läßt.




Dom preußischen Landtag.

Die Sitzungen des Abgeordnetenhauses vom 24. und 25. April, in denen
lediglich technische Gegenstände zur Berathung standen, geben uns keinen
Anlaß zur Berichterstattung. Aber die Sitzung vom 26. April zeigte eine
jener Haupt- und Staats-Aktionen, wie solche seit dem großen Zug des deut¬
schen Staatslebens in charakteristischer Fülle uns fast schon zur Gewohnheit


Steigerung ladet männiglich zu diesem originellen. Scheveningen eigenthümlichen
Schauspiele ein. Der Fischer hat seine Beute auf dem Strande in schönster
Ordnung aufgelegt: Schellfische, Turbot, Schollen und alle die Meerwunder;
die Kauflustigen, Mannen und Weibsen, umfassen sich wie zum Reigen, machen
so ein paarmal die Runde um die Kostbarkeiten, versichern sich genau der
Preiswürdigkeit, und die Versteigerung beginnt. Es wird nicht auf- sondern
abwärts geboten und den zuletzt haltenden zugeschlagen. Der Kreis löst sich,
der Käufer sortirt seine Waare, bringt sie in Körben geschichtet in das Dorf
und dort erwarten sie schon handfeste Weiber, um sie auf dem Kopfe oder
auf von Hunden gezogenen Karren vollends nach dem Haag zu bringen..
Vielleicht finden wir dort im Gasthofe zu Mittag einen dieser vor unsern
Augen verauktionirten Turbots u. s. w. wieder — bis dahin aber bringen
wir noch unsern Vormittag in Scheveningen zu, sammeln am Strande die
reichlich ausgeworfenen Muscheln und erleben alles das mit, was zu einem
Seebadmorgen gehört.

Und des Abends kehren wir wieder aus der Stadt zum Meere zurück.
Da liegen dann die Fischerbarken alle miteinander vor Anker; die Besitzer
derselben, wetterharte, kräftige Gestalten, stehen am Strande; auf der Terasse
sitzt die ganze Nobiltty der Saison. Das Meer wallt und leuchtet in den
wechselndsten Abendlichtern, die sinkende Sonne gibt ihm den Scheidekuß.
Auf dem weiter seewärts stehenden Leuchtthurm sind schon die Laternen ange¬
zündet. Zu ihm steigen wir noch hinauf, um hinüberzuschauen über die kahle,
traurige Dünenwüste, aus der oasenähnlich das Dorf auftaucht, dessen Kinder
lärmend und lachend in den Hügeln spielen, am längsten aber hinauszusehen
vermögen in das nachtdunkle Meer, dessen Schiffe längst dem Blicke verborgen
sind, dessen Schlummerathmen auch die allmälig rings anbrechende Stille durch¬
tönt und über das der die Wolken durchbrechende Mond sein bleiches Licht
hinstreichen läßt.




Dom preußischen Landtag.

Die Sitzungen des Abgeordnetenhauses vom 24. und 25. April, in denen
lediglich technische Gegenstände zur Berathung standen, geben uns keinen
Anlaß zur Berichterstattung. Aber die Sitzung vom 26. April zeigte eine
jener Haupt- und Staats-Aktionen, wie solche seit dem großen Zug des deut¬
schen Staatslebens in charakteristischer Fülle uns fast schon zur Gewohnheit


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[0234] Steigerung ladet männiglich zu diesem originellen. Scheveningen eigenthümlichen Schauspiele ein. Der Fischer hat seine Beute auf dem Strande in schönster Ordnung aufgelegt: Schellfische, Turbot, Schollen und alle die Meerwunder; die Kauflustigen, Mannen und Weibsen, umfassen sich wie zum Reigen, machen so ein paarmal die Runde um die Kostbarkeiten, versichern sich genau der Preiswürdigkeit, und die Versteigerung beginnt. Es wird nicht auf- sondern abwärts geboten und den zuletzt haltenden zugeschlagen. Der Kreis löst sich, der Käufer sortirt seine Waare, bringt sie in Körben geschichtet in das Dorf und dort erwarten sie schon handfeste Weiber, um sie auf dem Kopfe oder auf von Hunden gezogenen Karren vollends nach dem Haag zu bringen.. Vielleicht finden wir dort im Gasthofe zu Mittag einen dieser vor unsern Augen verauktionirten Turbots u. s. w. wieder — bis dahin aber bringen wir noch unsern Vormittag in Scheveningen zu, sammeln am Strande die reichlich ausgeworfenen Muscheln und erleben alles das mit, was zu einem Seebadmorgen gehört. Und des Abends kehren wir wieder aus der Stadt zum Meere zurück. Da liegen dann die Fischerbarken alle miteinander vor Anker; die Besitzer derselben, wetterharte, kräftige Gestalten, stehen am Strande; auf der Terasse sitzt die ganze Nobiltty der Saison. Das Meer wallt und leuchtet in den wechselndsten Abendlichtern, die sinkende Sonne gibt ihm den Scheidekuß. Auf dem weiter seewärts stehenden Leuchtthurm sind schon die Laternen ange¬ zündet. Zu ihm steigen wir noch hinauf, um hinüberzuschauen über die kahle, traurige Dünenwüste, aus der oasenähnlich das Dorf auftaucht, dessen Kinder lärmend und lachend in den Hügeln spielen, am längsten aber hinauszusehen vermögen in das nachtdunkle Meer, dessen Schiffe längst dem Blicke verborgen sind, dessen Schlummerathmen auch die allmälig rings anbrechende Stille durch¬ tönt und über das der die Wolken durchbrechende Mond sein bleiches Licht hinstreichen läßt. Dom preußischen Landtag. Die Sitzungen des Abgeordnetenhauses vom 24. und 25. April, in denen lediglich technische Gegenstände zur Berathung standen, geben uns keinen Anlaß zur Berichterstattung. Aber die Sitzung vom 26. April zeigte eine jener Haupt- und Staats-Aktionen, wie solche seit dem großen Zug des deut¬ schen Staatslebens in charakteristischer Fülle uns fast schon zur Gewohnheit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/234>, abgerufen am 27.07.2024.