Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

warmen Nest nach Corsika geschickt zu haben, um Gelegenheit zu einem Witz
zu bekommen.

Der famose Witz ist nämlich der, daß der Advocat seinem eifersüchtigen
Gänschen von Frau (einer, beiläufig gesagt rein überflüssigen Ausfüllfigur)
ins Gesicht behauptet, auf Corsika gebe es nicht blos keine schlimmen,
sondern gar keine Frauen -- ja, ja, gar keine, und er findet an diesem
orginellen Witz einen solchen Geschmack, daß er ihn zweimal wiederholt!
Aber ein treuer und aufmerksamer Freund ist er, das muß man ihm lassen.
Er wittert mitten in der Nacht (wahrscheinlich in Folge eines beängstigenden
Traumes oder einer Ahnung, ein Unglück das seinem Freund, dem jetzigen
Gemahl Fernande's zustoßen könnte und, gedacht gethan, warum soll er nicht
eben so gut bei nachtschlafender Stunde Zutritt zu den Gemächern seines
Freundes haben als dessen frühere Maitresse, Base Clotilde, durch die ver¬
borgene Thür? Er hat freilich von letzterer keine Ahnung, und das ist
schade; er hätte, wenn ihm der Gedanke auch nur einige Minuten früher
gekommen wäre, eine recht ärgerliche Scene zum zweiten mal, und zwar mit
den gleichen Mitteln des Ringkampfes und der Mundstopfung. wie schon
einmal vermeiden können. Jetzt ist es zu spät! Jetzt hat sich bereits eine
Sündflut von Thränen entladen; jetzt schwirren die Bomben der Seufzer durch
die Luft, jetzt heult die Verzweiflung durch die Oede der Seelennacht, jetzt --
geht es schief! Ja, wenn Herr Sardon nicht wäre! Die gefallene Unschuld
darf denn doch nicht wie ein Wurm zertreten werden, das wäre ja empörend,
wäre Scheidwasser auf unser wundes Gefühl! Nein, noch lebt ein Gott, und
der Advocat von Corsika, sein Maschinenmeister. Er hat ja (zufällig!) den
verhängnißvollen Brief in der Tasche und hat ihn, glücklicherweise nicht, wie
es in den "pattss 6e mouolie" geschieht, zu einem Fidibus benutzt, endlich,
endlich kommt dieser Brief, an seine richtige Adresse und -- über einer ver¬
söhnten Gruppe senkt sich langsam der Vorhang.


I. Mähly.


Die Ausgestaltung der sächsischen Gerwaltungs-
rechtspflege *).
Von Theodor Landgraff.

Ueber der sächsischen Verwaltungrechtspflege hat ein eigener Unstern gewaltet.
Als im Jahre 1834 die großen Gesetze geschaffen wurden, die das ABCD der
sächsischen Rechtsgelehrten ausmachen und erst mit den neuen Rechtsgesetzen



") Grenzboten 1870. N. S. 218. IV. S. ?16.

warmen Nest nach Corsika geschickt zu haben, um Gelegenheit zu einem Witz
zu bekommen.

Der famose Witz ist nämlich der, daß der Advocat seinem eifersüchtigen
Gänschen von Frau (einer, beiläufig gesagt rein überflüssigen Ausfüllfigur)
ins Gesicht behauptet, auf Corsika gebe es nicht blos keine schlimmen,
sondern gar keine Frauen — ja, ja, gar keine, und er findet an diesem
orginellen Witz einen solchen Geschmack, daß er ihn zweimal wiederholt!
Aber ein treuer und aufmerksamer Freund ist er, das muß man ihm lassen.
Er wittert mitten in der Nacht (wahrscheinlich in Folge eines beängstigenden
Traumes oder einer Ahnung, ein Unglück das seinem Freund, dem jetzigen
Gemahl Fernande's zustoßen könnte und, gedacht gethan, warum soll er nicht
eben so gut bei nachtschlafender Stunde Zutritt zu den Gemächern seines
Freundes haben als dessen frühere Maitresse, Base Clotilde, durch die ver¬
borgene Thür? Er hat freilich von letzterer keine Ahnung, und das ist
schade; er hätte, wenn ihm der Gedanke auch nur einige Minuten früher
gekommen wäre, eine recht ärgerliche Scene zum zweiten mal, und zwar mit
den gleichen Mitteln des Ringkampfes und der Mundstopfung. wie schon
einmal vermeiden können. Jetzt ist es zu spät! Jetzt hat sich bereits eine
Sündflut von Thränen entladen; jetzt schwirren die Bomben der Seufzer durch
die Luft, jetzt heult die Verzweiflung durch die Oede der Seelennacht, jetzt —
geht es schief! Ja, wenn Herr Sardon nicht wäre! Die gefallene Unschuld
darf denn doch nicht wie ein Wurm zertreten werden, das wäre ja empörend,
wäre Scheidwasser auf unser wundes Gefühl! Nein, noch lebt ein Gott, und
der Advocat von Corsika, sein Maschinenmeister. Er hat ja (zufällig!) den
verhängnißvollen Brief in der Tasche und hat ihn, glücklicherweise nicht, wie
es in den „pattss 6e mouolie" geschieht, zu einem Fidibus benutzt, endlich,
endlich kommt dieser Brief, an seine richtige Adresse und — über einer ver¬
söhnten Gruppe senkt sich langsam der Vorhang.


I. Mähly.


Die Ausgestaltung der sächsischen Gerwaltungs-
rechtspflege *).
Von Theodor Landgraff.

Ueber der sächsischen Verwaltungrechtspflege hat ein eigener Unstern gewaltet.
Als im Jahre 1834 die großen Gesetze geschaffen wurden, die das ABCD der
sächsischen Rechtsgelehrten ausmachen und erst mit den neuen Rechtsgesetzen



") Grenzboten 1870. N. S. 218. IV. S. ?16.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135561"/>
          <p xml:id="ID_1546" prev="#ID_1545"> warmen Nest nach Corsika geschickt zu haben, um Gelegenheit zu einem Witz<lb/>
zu bekommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1547"> Der famose Witz ist nämlich der, daß der Advocat seinem eifersüchtigen<lb/>
Gänschen von Frau (einer, beiläufig gesagt rein überflüssigen Ausfüllfigur)<lb/>
ins Gesicht behauptet, auf Corsika gebe es nicht blos keine schlimmen,<lb/>
sondern gar keine Frauen &#x2014; ja, ja, gar keine, und er findet an diesem<lb/>
orginellen Witz einen solchen Geschmack, daß er ihn zweimal wiederholt!<lb/>
Aber ein treuer und aufmerksamer Freund ist er, das muß man ihm lassen.<lb/>
Er wittert mitten in der Nacht (wahrscheinlich in Folge eines beängstigenden<lb/>
Traumes oder einer Ahnung, ein Unglück das seinem Freund, dem jetzigen<lb/>
Gemahl Fernande's zustoßen könnte und, gedacht gethan, warum soll er nicht<lb/>
eben so gut bei nachtschlafender Stunde Zutritt zu den Gemächern seines<lb/>
Freundes haben als dessen frühere Maitresse, Base Clotilde, durch die ver¬<lb/>
borgene Thür? Er hat freilich von letzterer keine Ahnung, und das ist<lb/>
schade; er hätte, wenn ihm der Gedanke auch nur einige Minuten früher<lb/>
gekommen wäre, eine recht ärgerliche Scene zum zweiten mal, und zwar mit<lb/>
den gleichen Mitteln des Ringkampfes und der Mundstopfung. wie schon<lb/>
einmal vermeiden können. Jetzt ist es zu spät! Jetzt hat sich bereits eine<lb/>
Sündflut von Thränen entladen; jetzt schwirren die Bomben der Seufzer durch<lb/>
die Luft, jetzt heult die Verzweiflung durch die Oede der Seelennacht, jetzt &#x2014;<lb/>
geht es schief! Ja, wenn Herr Sardon nicht wäre! Die gefallene Unschuld<lb/>
darf denn doch nicht wie ein Wurm zertreten werden, das wäre ja empörend,<lb/>
wäre Scheidwasser auf unser wundes Gefühl! Nein, noch lebt ein Gott, und<lb/>
der Advocat von Corsika, sein Maschinenmeister. Er hat ja (zufällig!) den<lb/>
verhängnißvollen Brief in der Tasche und hat ihn, glücklicherweise nicht, wie<lb/>
es in den &#x201E;pattss 6e mouolie" geschieht, zu einem Fidibus benutzt, endlich,<lb/>
endlich kommt dieser Brief, an seine richtige Adresse und &#x2014; über einer ver¬<lb/>
söhnten Gruppe senkt sich langsam der Vorhang.</p><lb/>
          <note type="byline"> I. Mähly.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Ausgestaltung der sächsischen Gerwaltungs-<lb/>
rechtspflege *).<lb/><note type="byline"> Von Theodor Landgraff.</note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_1548" next="#ID_1549"> Ueber der sächsischen Verwaltungrechtspflege hat ein eigener Unstern gewaltet.<lb/>
Als im Jahre 1834 die großen Gesetze geschaffen wurden, die das ABCD der<lb/>
sächsischen Rechtsgelehrten ausmachen und erst mit den neuen Rechtsgesetzen</p><lb/>
          <note xml:id="FID_148" place="foot"> ") Grenzboten 1870. N. S. 218. IV. S. ?16.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0508] warmen Nest nach Corsika geschickt zu haben, um Gelegenheit zu einem Witz zu bekommen. Der famose Witz ist nämlich der, daß der Advocat seinem eifersüchtigen Gänschen von Frau (einer, beiläufig gesagt rein überflüssigen Ausfüllfigur) ins Gesicht behauptet, auf Corsika gebe es nicht blos keine schlimmen, sondern gar keine Frauen — ja, ja, gar keine, und er findet an diesem orginellen Witz einen solchen Geschmack, daß er ihn zweimal wiederholt! Aber ein treuer und aufmerksamer Freund ist er, das muß man ihm lassen. Er wittert mitten in der Nacht (wahrscheinlich in Folge eines beängstigenden Traumes oder einer Ahnung, ein Unglück das seinem Freund, dem jetzigen Gemahl Fernande's zustoßen könnte und, gedacht gethan, warum soll er nicht eben so gut bei nachtschlafender Stunde Zutritt zu den Gemächern seines Freundes haben als dessen frühere Maitresse, Base Clotilde, durch die ver¬ borgene Thür? Er hat freilich von letzterer keine Ahnung, und das ist schade; er hätte, wenn ihm der Gedanke auch nur einige Minuten früher gekommen wäre, eine recht ärgerliche Scene zum zweiten mal, und zwar mit den gleichen Mitteln des Ringkampfes und der Mundstopfung. wie schon einmal vermeiden können. Jetzt ist es zu spät! Jetzt hat sich bereits eine Sündflut von Thränen entladen; jetzt schwirren die Bomben der Seufzer durch die Luft, jetzt heult die Verzweiflung durch die Oede der Seelennacht, jetzt — geht es schief! Ja, wenn Herr Sardon nicht wäre! Die gefallene Unschuld darf denn doch nicht wie ein Wurm zertreten werden, das wäre ja empörend, wäre Scheidwasser auf unser wundes Gefühl! Nein, noch lebt ein Gott, und der Advocat von Corsika, sein Maschinenmeister. Er hat ja (zufällig!) den verhängnißvollen Brief in der Tasche und hat ihn, glücklicherweise nicht, wie es in den „pattss 6e mouolie" geschieht, zu einem Fidibus benutzt, endlich, endlich kommt dieser Brief, an seine richtige Adresse und — über einer ver¬ söhnten Gruppe senkt sich langsam der Vorhang. I. Mähly. Die Ausgestaltung der sächsischen Gerwaltungs- rechtspflege *). Von Theodor Landgraff. Ueber der sächsischen Verwaltungrechtspflege hat ein eigener Unstern gewaltet. Als im Jahre 1834 die großen Gesetze geschaffen wurden, die das ABCD der sächsischen Rechtsgelehrten ausmachen und erst mit den neuen Rechtsgesetzen ") Grenzboten 1870. N. S. 218. IV. S. ?16.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/508
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/508>, abgerufen am 28.06.2024.