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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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Me Irn'ogie Karl's des Kühnen.
Von Max Jähns.

Bei Grandson verlor er das Gut,
Bei Murten den Muth.
Bei Nancy das Blut.

(Alter Spruch.)

II.
Der "Streit von Granson".

Karl, der seit dem Bündniß mit Oesterreich und dem Waffenstillstand
mit Louis XI. völlig freie Hand hatte, bot jetzt alle Streitkräfte auf, um
seine Eroberungspläne auszuführen. Die Niederländer, froh, den Handel mit
Frankreich wieder eröffnet zu sehn, bewilligten dem Herzoge gern eine drei¬
jährige Steuer von je 100,000 Goldgulden, sowie noch andere bedeutende
Summen. Karl sammelte und ordnete im Luxemburgischen ein Heer;
im September 1475 überfiel er mit 40,000 Mann Lothringen und eroberte
das Land innerhalb eines Monats. Nancy bestimmte er zur Hauptstadt
seines künftigen Königreichs. Und nun beschloß er den Rachekrieg gegen das
Elsaß und die Schweiz zu unternehmen, der ihm geradezu Herzenssache war
und für den er seine besten Kräfte in und bei Nancy sammelte. Hatten doch
die Eidgenossen und die niedere Vereinigung nicht nur im Juli 1475 Hoch¬
burgund verheert und in kurzer Zeit unter Oswald's v. Thierstein kundiger
Führung 12 Schlösser und 3 Städte der Freigrafschaft erobert, sondern sie
hatten auch das ihm engverbündete Haus Savoyen bekriegt, welches den Zorn
der Schweizer dadurch erregt, daß es den "lampartischen" Soldtruppen, die
von Mailand zum burgundischen Heere zogen, freien Durchmarsch gewährte.
Unter solchen Umständen zögerte der Herzog nicht, selbst mitten im Winter
zu Felde zu ziehen.

Während aber Karl der Kühne seine Rüstungen vollendete, eine neue
Organisation beim Kriegsvolk einführte, seine Finanzen ordnete und so eifrig


Grexzboten I. 187K. 6
Me Irn'ogie Karl's des Kühnen.
Von Max Jähns.

Bei Grandson verlor er das Gut,
Bei Murten den Muth.
Bei Nancy das Blut.

(Alter Spruch.)

II.
Der „Streit von Granson".

Karl, der seit dem Bündniß mit Oesterreich und dem Waffenstillstand
mit Louis XI. völlig freie Hand hatte, bot jetzt alle Streitkräfte auf, um
seine Eroberungspläne auszuführen. Die Niederländer, froh, den Handel mit
Frankreich wieder eröffnet zu sehn, bewilligten dem Herzoge gern eine drei¬
jährige Steuer von je 100,000 Goldgulden, sowie noch andere bedeutende
Summen. Karl sammelte und ordnete im Luxemburgischen ein Heer;
im September 1475 überfiel er mit 40,000 Mann Lothringen und eroberte
das Land innerhalb eines Monats. Nancy bestimmte er zur Hauptstadt
seines künftigen Königreichs. Und nun beschloß er den Rachekrieg gegen das
Elsaß und die Schweiz zu unternehmen, der ihm geradezu Herzenssache war
und für den er seine besten Kräfte in und bei Nancy sammelte. Hatten doch
die Eidgenossen und die niedere Vereinigung nicht nur im Juli 1475 Hoch¬
burgund verheert und in kurzer Zeit unter Oswald's v. Thierstein kundiger
Führung 12 Schlösser und 3 Städte der Freigrafschaft erobert, sondern sie
hatten auch das ihm engverbündete Haus Savoyen bekriegt, welches den Zorn
der Schweizer dadurch erregt, daß es den „lampartischen" Soldtruppen, die
von Mailand zum burgundischen Heere zogen, freien Durchmarsch gewährte.
Unter solchen Umständen zögerte der Herzog nicht, selbst mitten im Winter
zu Felde zu ziehen.

Während aber Karl der Kühne seine Rüstungen vollendete, eine neue
Organisation beim Kriegsvolk einführte, seine Finanzen ordnete und so eifrig


Grexzboten I. 187K. 6
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[0049] Me Irn'ogie Karl's des Kühnen. Von Max Jähns. Bei Grandson verlor er das Gut, Bei Murten den Muth. Bei Nancy das Blut. (Alter Spruch.) II. Der „Streit von Granson". Karl, der seit dem Bündniß mit Oesterreich und dem Waffenstillstand mit Louis XI. völlig freie Hand hatte, bot jetzt alle Streitkräfte auf, um seine Eroberungspläne auszuführen. Die Niederländer, froh, den Handel mit Frankreich wieder eröffnet zu sehn, bewilligten dem Herzoge gern eine drei¬ jährige Steuer von je 100,000 Goldgulden, sowie noch andere bedeutende Summen. Karl sammelte und ordnete im Luxemburgischen ein Heer; im September 1475 überfiel er mit 40,000 Mann Lothringen und eroberte das Land innerhalb eines Monats. Nancy bestimmte er zur Hauptstadt seines künftigen Königreichs. Und nun beschloß er den Rachekrieg gegen das Elsaß und die Schweiz zu unternehmen, der ihm geradezu Herzenssache war und für den er seine besten Kräfte in und bei Nancy sammelte. Hatten doch die Eidgenossen und die niedere Vereinigung nicht nur im Juli 1475 Hoch¬ burgund verheert und in kurzer Zeit unter Oswald's v. Thierstein kundiger Führung 12 Schlösser und 3 Städte der Freigrafschaft erobert, sondern sie hatten auch das ihm engverbündete Haus Savoyen bekriegt, welches den Zorn der Schweizer dadurch erregt, daß es den „lampartischen" Soldtruppen, die von Mailand zum burgundischen Heere zogen, freien Durchmarsch gewährte. Unter solchen Umständen zögerte der Herzog nicht, selbst mitten im Winter zu Felde zu ziehen. Während aber Karl der Kühne seine Rüstungen vollendete, eine neue Organisation beim Kriegsvolk einführte, seine Finanzen ordnete und so eifrig Grexzboten I. 187K. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/49>, abgerufen am 28.06.2024.