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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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bunten und auf dieser schwankenden Unterlage gehen die ersten Abtheilungen
hinüber. Die Seitencolonnen waren nun auch bis auf die Straße gelangt
und die Franzosen wichen nun eiligst zurück. Erst um 4 Uhr Nachmittags
war die Brücke für größere Truppenmassen hergestellt; ungesäumt ging die
Hauptcolonne über die Reuß und drang über Göschenen nach Wasen vor,
doch erst spät in der Nacht langte das Gros dort an.

Während man sich an der Teufelsbrücke schlug, eilte Lecourbe persönlich
nach Amsteg, um sich dort der östreichischen Colonne, welche im Maderaner
Thal erschienen war, entgegenzuwerfen. General Auffenberg war bereits am
24. September mit 2000 Mann von Dissentis aufgebrochen, war über den
Kreuzli Paß in das Maderaner Thal eingedrungen und hatte das von den
Franzosen besetzte Amsteg genommen. Letztere, nun schon zum zweiten Mal
in ihrer Rückzugslinie bedroht, konnten bei nur einiger Energie der Oestreicher,
In die peinlichste Lage gerathen. Lecourbe wirft sie aber mit Erfolg zurück
und nachdem seine Arrieregarde glücklich heran, verbrennt er hinter sich die
Brücke über den Kerstlenbach; die Russen stellen dieselbe wieder her und besetzen
in der Nacht noch Amsteg; General Auffenberg schließt sich den Russen an.




Schildbürger und Spitznamen außer Deutschland.

In voriger Nummer sahen wir unter andern Aeußerungen des deutschen
Volkshumors auch eine Anzahl von Spitznamen für gewisse Städte und
Stämme, von Schildbürgergeschtchten, die von den Bewohnern derselben erzählt
wurden, und von sonstigen derartigen Foppereien und Stichelreden. Solchen
Spaß und Spott giebt es aber nicht blos, so weit die deutsche Zunge klingt,
sondern, wenn auch nicht so oft wie dort, in der ganzen civilisirten und halb
civilisirten Welt, und nicht blos in unsern Tagen wurden biedere Gemeinden
und ganze Stämme und Völker auf diese Weise geschraubt und geneckt, son¬
dern schon im grauen Alterthum finden wir dergleichen Possen und Pinsel¬
streiche, Spottnamen und Schwänke.

Schon die Inder kannten solche Scherze. Die meisten der Fabeln von
den Pygmäen, den Hundsköpfen, den Ohrenliegern, Schattenfüßlern u. d.,
die Ktesias und Megasthenes den Griechen auftischten, sind aller Wahrschein¬
lichkeit nach auf altindische Schimpfnamen und Neckereien zurückzuführen, mit
welchen die eingedrungenen Arier die Urbevölkerung des Landes-verhöhnten.
Wenigstens gleichen die Spottanekdoten von den Kirata, den Zwergen, mit


bunten und auf dieser schwankenden Unterlage gehen die ersten Abtheilungen
hinüber. Die Seitencolonnen waren nun auch bis auf die Straße gelangt
und die Franzosen wichen nun eiligst zurück. Erst um 4 Uhr Nachmittags
war die Brücke für größere Truppenmassen hergestellt; ungesäumt ging die
Hauptcolonne über die Reuß und drang über Göschenen nach Wasen vor,
doch erst spät in der Nacht langte das Gros dort an.

Während man sich an der Teufelsbrücke schlug, eilte Lecourbe persönlich
nach Amsteg, um sich dort der östreichischen Colonne, welche im Maderaner
Thal erschienen war, entgegenzuwerfen. General Auffenberg war bereits am
24. September mit 2000 Mann von Dissentis aufgebrochen, war über den
Kreuzli Paß in das Maderaner Thal eingedrungen und hatte das von den
Franzosen besetzte Amsteg genommen. Letztere, nun schon zum zweiten Mal
in ihrer Rückzugslinie bedroht, konnten bei nur einiger Energie der Oestreicher,
In die peinlichste Lage gerathen. Lecourbe wirft sie aber mit Erfolg zurück
und nachdem seine Arrieregarde glücklich heran, verbrennt er hinter sich die
Brücke über den Kerstlenbach; die Russen stellen dieselbe wieder her und besetzen
in der Nacht noch Amsteg; General Auffenberg schließt sich den Russen an.




Schildbürger und Spitznamen außer Deutschland.

In voriger Nummer sahen wir unter andern Aeußerungen des deutschen
Volkshumors auch eine Anzahl von Spitznamen für gewisse Städte und
Stämme, von Schildbürgergeschtchten, die von den Bewohnern derselben erzählt
wurden, und von sonstigen derartigen Foppereien und Stichelreden. Solchen
Spaß und Spott giebt es aber nicht blos, so weit die deutsche Zunge klingt,
sondern, wenn auch nicht so oft wie dort, in der ganzen civilisirten und halb
civilisirten Welt, und nicht blos in unsern Tagen wurden biedere Gemeinden
und ganze Stämme und Völker auf diese Weise geschraubt und geneckt, son¬
dern schon im grauen Alterthum finden wir dergleichen Possen und Pinsel¬
streiche, Spottnamen und Schwänke.

Schon die Inder kannten solche Scherze. Die meisten der Fabeln von
den Pygmäen, den Hundsköpfen, den Ohrenliegern, Schattenfüßlern u. d.,
die Ktesias und Megasthenes den Griechen auftischten, sind aller Wahrschein¬
lichkeit nach auf altindische Schimpfnamen und Neckereien zurückzuführen, mit
welchen die eingedrungenen Arier die Urbevölkerung des Landes-verhöhnten.
Wenigstens gleichen die Spottanekdoten von den Kirata, den Zwergen, mit


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[0386] bunten und auf dieser schwankenden Unterlage gehen die ersten Abtheilungen hinüber. Die Seitencolonnen waren nun auch bis auf die Straße gelangt und die Franzosen wichen nun eiligst zurück. Erst um 4 Uhr Nachmittags war die Brücke für größere Truppenmassen hergestellt; ungesäumt ging die Hauptcolonne über die Reuß und drang über Göschenen nach Wasen vor, doch erst spät in der Nacht langte das Gros dort an. Während man sich an der Teufelsbrücke schlug, eilte Lecourbe persönlich nach Amsteg, um sich dort der östreichischen Colonne, welche im Maderaner Thal erschienen war, entgegenzuwerfen. General Auffenberg war bereits am 24. September mit 2000 Mann von Dissentis aufgebrochen, war über den Kreuzli Paß in das Maderaner Thal eingedrungen und hatte das von den Franzosen besetzte Amsteg genommen. Letztere, nun schon zum zweiten Mal in ihrer Rückzugslinie bedroht, konnten bei nur einiger Energie der Oestreicher, In die peinlichste Lage gerathen. Lecourbe wirft sie aber mit Erfolg zurück und nachdem seine Arrieregarde glücklich heran, verbrennt er hinter sich die Brücke über den Kerstlenbach; die Russen stellen dieselbe wieder her und besetzen in der Nacht noch Amsteg; General Auffenberg schließt sich den Russen an. Schildbürger und Spitznamen außer Deutschland. In voriger Nummer sahen wir unter andern Aeußerungen des deutschen Volkshumors auch eine Anzahl von Spitznamen für gewisse Städte und Stämme, von Schildbürgergeschtchten, die von den Bewohnern derselben erzählt wurden, und von sonstigen derartigen Foppereien und Stichelreden. Solchen Spaß und Spott giebt es aber nicht blos, so weit die deutsche Zunge klingt, sondern, wenn auch nicht so oft wie dort, in der ganzen civilisirten und halb civilisirten Welt, und nicht blos in unsern Tagen wurden biedere Gemeinden und ganze Stämme und Völker auf diese Weise geschraubt und geneckt, son¬ dern schon im grauen Alterthum finden wir dergleichen Possen und Pinsel¬ streiche, Spottnamen und Schwänke. Schon die Inder kannten solche Scherze. Die meisten der Fabeln von den Pygmäen, den Hundsköpfen, den Ohrenliegern, Schattenfüßlern u. d., die Ktesias und Megasthenes den Griechen auftischten, sind aller Wahrschein¬ lichkeit nach auf altindische Schimpfnamen und Neckereien zurückzuführen, mit welchen die eingedrungenen Arier die Urbevölkerung des Landes-verhöhnten. Wenigstens gleichen die Spottanekdoten von den Kirata, den Zwergen, mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/386>, abgerufen am 28.06.2024.