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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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vie des Pfarrers, entschlossen sich, vorwärts zu gehen, und Herr Minxit
wurde mit den Feierlichkeiten, die er angeordnet hatte, in sein Grad gelegt.

Nach seiner Rückkehr vom Leichenbegängnisse besaß mein Onkel Benja¬
min dreitausend Thaler jährliches Einkommen. Ich brauche dem Leser wohl
nicht zu versichern, daß er den besten Gebrauch von dem ihm anvertrauten
Pfunde machte."




Dom deutschen Aeichstag.

Am 19. Januar nahm der Reichstag seine Sitzungen in diesem Jahre
wieder auf. Die erste Sitzung dieses Jahres, die zweiunddreißigste der
laufenden Session, ward mit kleineren Gegenständen ausgefüllt. Am 20.
Januar wurde zum zweiten Mal das Mandat der Commission für die Reichs¬
justizgesetze verlängert, und zwar bis zur nächsten Session. Der Reichstag
entgeht auf diese Weise der Nothwendigkeit, die gegenwärtige Session im
nächsten Monat nur zu vertagen und dieselbe nach inzwischen abgelaufener
Landtagssession im Frühjahr wieder aufzunehmen. Die Justizeommission denkt
bis zum Frühjahr ihre Arbeiten zu vollenden, und es wird möglich sein, in
der Herbstsesston des Reichstags, welches die letzte seiner zweiten Legislatur
ist, das große Werk jener die Organisation der Justizbehörden und das Ver¬
fahren derselben auf eine einheitliche Basis stellenden Gesetze zu vollenden.

In derselben Sitzung vom 20. Januar begann der Reichstag die Einzel¬
berathung der einer Commission überwiesenen Theile der Strafgesetznovelle.
Es handelte sich zunächst um den § 64. welcher die Zulässtgkeit der Zurück¬
nahme des Antrags bei den sogenannten Antragsvergehen auf die besonders
vorgesehenen Fälle beschränkt. Dieser Antrag wird angenommen. Die Be¬
rathung wendete sich sodann zum § 102, welcher den Hochverrath gegen aus¬
ländische Regierungen unbedingt straffällig macht, ohne daß die auswärtige
Negierung einen Strafantrag gestellt hat und ohne daß nach veröffent¬
lichten Staatsverträgen oder Gesetzen dem deutschen Reich die Gegenseitig¬
keit verbürgt ist. An diese Bedingungen ist nämlich die Strafbarkeit nach der
betreffenden Bestimmung des Strafgesetzbuches bis jetzt geknüpft. Der Zweck
der verlangten Aenderung ist mit Händen zu greifen. Das deutsche Reich
will von seinem Gebiet keine Störung eines Nachbars zulassen, aber es will
auch verlangen, daß kein Nachbargebiet zum Schauplatz und Zufluchtsort


vie des Pfarrers, entschlossen sich, vorwärts zu gehen, und Herr Minxit
wurde mit den Feierlichkeiten, die er angeordnet hatte, in sein Grad gelegt.

Nach seiner Rückkehr vom Leichenbegängnisse besaß mein Onkel Benja¬
min dreitausend Thaler jährliches Einkommen. Ich brauche dem Leser wohl
nicht zu versichern, daß er den besten Gebrauch von dem ihm anvertrauten
Pfunde machte."




Dom deutschen Aeichstag.

Am 19. Januar nahm der Reichstag seine Sitzungen in diesem Jahre
wieder auf. Die erste Sitzung dieses Jahres, die zweiunddreißigste der
laufenden Session, ward mit kleineren Gegenständen ausgefüllt. Am 20.
Januar wurde zum zweiten Mal das Mandat der Commission für die Reichs¬
justizgesetze verlängert, und zwar bis zur nächsten Session. Der Reichstag
entgeht auf diese Weise der Nothwendigkeit, die gegenwärtige Session im
nächsten Monat nur zu vertagen und dieselbe nach inzwischen abgelaufener
Landtagssession im Frühjahr wieder aufzunehmen. Die Justizeommission denkt
bis zum Frühjahr ihre Arbeiten zu vollenden, und es wird möglich sein, in
der Herbstsesston des Reichstags, welches die letzte seiner zweiten Legislatur
ist, das große Werk jener die Organisation der Justizbehörden und das Ver¬
fahren derselben auf eine einheitliche Basis stellenden Gesetze zu vollenden.

In derselben Sitzung vom 20. Januar begann der Reichstag die Einzel¬
berathung der einer Commission überwiesenen Theile der Strafgesetznovelle.
Es handelte sich zunächst um den § 64. welcher die Zulässtgkeit der Zurück¬
nahme des Antrags bei den sogenannten Antragsvergehen auf die besonders
vorgesehenen Fälle beschränkt. Dieser Antrag wird angenommen. Die Be¬
rathung wendete sich sodann zum § 102, welcher den Hochverrath gegen aus¬
ländische Regierungen unbedingt straffällig macht, ohne daß die auswärtige
Negierung einen Strafantrag gestellt hat und ohne daß nach veröffent¬
lichten Staatsverträgen oder Gesetzen dem deutschen Reich die Gegenseitig¬
keit verbürgt ist. An diese Bedingungen ist nämlich die Strafbarkeit nach der
betreffenden Bestimmung des Strafgesetzbuches bis jetzt geknüpft. Der Zweck
der verlangten Aenderung ist mit Händen zu greifen. Das deutsche Reich
will von seinem Gebiet keine Störung eines Nachbars zulassen, aber es will
auch verlangen, daß kein Nachbargebiet zum Schauplatz und Zufluchtsort


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[0240] vie des Pfarrers, entschlossen sich, vorwärts zu gehen, und Herr Minxit wurde mit den Feierlichkeiten, die er angeordnet hatte, in sein Grad gelegt. Nach seiner Rückkehr vom Leichenbegängnisse besaß mein Onkel Benja¬ min dreitausend Thaler jährliches Einkommen. Ich brauche dem Leser wohl nicht zu versichern, daß er den besten Gebrauch von dem ihm anvertrauten Pfunde machte." Dom deutschen Aeichstag. Am 19. Januar nahm der Reichstag seine Sitzungen in diesem Jahre wieder auf. Die erste Sitzung dieses Jahres, die zweiunddreißigste der laufenden Session, ward mit kleineren Gegenständen ausgefüllt. Am 20. Januar wurde zum zweiten Mal das Mandat der Commission für die Reichs¬ justizgesetze verlängert, und zwar bis zur nächsten Session. Der Reichstag entgeht auf diese Weise der Nothwendigkeit, die gegenwärtige Session im nächsten Monat nur zu vertagen und dieselbe nach inzwischen abgelaufener Landtagssession im Frühjahr wieder aufzunehmen. Die Justizeommission denkt bis zum Frühjahr ihre Arbeiten zu vollenden, und es wird möglich sein, in der Herbstsesston des Reichstags, welches die letzte seiner zweiten Legislatur ist, das große Werk jener die Organisation der Justizbehörden und das Ver¬ fahren derselben auf eine einheitliche Basis stellenden Gesetze zu vollenden. In derselben Sitzung vom 20. Januar begann der Reichstag die Einzel¬ berathung der einer Commission überwiesenen Theile der Strafgesetznovelle. Es handelte sich zunächst um den § 64. welcher die Zulässtgkeit der Zurück¬ nahme des Antrags bei den sogenannten Antragsvergehen auf die besonders vorgesehenen Fälle beschränkt. Dieser Antrag wird angenommen. Die Be¬ rathung wendete sich sodann zum § 102, welcher den Hochverrath gegen aus¬ ländische Regierungen unbedingt straffällig macht, ohne daß die auswärtige Negierung einen Strafantrag gestellt hat und ohne daß nach veröffent¬ lichten Staatsverträgen oder Gesetzen dem deutschen Reich die Gegenseitig¬ keit verbürgt ist. An diese Bedingungen ist nämlich die Strafbarkeit nach der betreffenden Bestimmung des Strafgesetzbuches bis jetzt geknüpft. Der Zweck der verlangten Aenderung ist mit Händen zu greifen. Das deutsche Reich will von seinem Gebiet keine Störung eines Nachbars zulassen, aber es will auch verlangen, daß kein Nachbargebiet zum Schauplatz und Zufluchtsort

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/240>, abgerufen am 28.06.2024.