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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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dieser Prüfung ungünstig für die Kirchenverfassung ans, so daß dieselbe als
nachtheilig für das Staatsinteresse erschiene, was freilich undenkbar ist, so
müßte die Kirche bewogen werden, ihre eben gegebene Verfassung zu ändern
und eine neue vorzulegen. In keinem Fall aber kann der Landtag bean¬
spruchen, als constituirendes Organ für die Kirche aufzutreten, er kann
immer nur als Mandatar des staatlichen M8 circa, sacra auftreten.


Constantin Rößler.


Ale jüngste Iotschast des Präsidenten Hrant.

Die Botschaft, welche Präsident U. S. Grant am 8. Decbr. v.J. dem
Tags zuvor zusammengetretenen 44. Kongresse übersandte, liegt uns jetzt in
ihrem Wortlaute vor und wir können wohl begreifen, daß dieselbe in den
Vereinigten Staaten, namentlich in politischen Kreisen, großes Aufsehen er¬
regte. Das in Rede stehende Aktenstück ist die letzte Jahresbotschaft, welche
Grant vor der nächsten Präsidentenwahl an die im Kongresse versammelten
Vertreter der nordamerikanischen Union zu richten hat, und doch bringt er
darin so tiefgreifende Fragen zur Sprache, daß es unwillkürlich den Anschein
gewinnt, als wenn er noch Jahre lang an der Spitze der Regierung zu
bleiben gedenkt. Daß er fortan mit einem ihm feindlich gesinnten Repräsen¬
tantenhause zu thun hat, merkt man kaum aus einer Stelle der Votschaft
heraus. Eine aus Washington vom 7. Decbr. demselben Tage, an welchem
die Botschaft dem Kongresse überreicht wurde, datirte Correspondenz der weit¬
verbreiteten und einflußreichen "New-Uork Tribüne", eines liberal-republikani¬
schen Blattes, äußert sich u. A. also: "In einem Punkte stimmt man von
allen Seiten über den Charakter der Botschaft überein, nämlich darin, daß sie
voll ist von Überraschungen (tiiat it lzristlvs widu surxrises). Sie ist in der
That ein so merkwürdiges Dokument, daß das erstaunte Washingtoner Pub¬
likum sich kaum hinlänglich fassen kann, um die darin enthaltenen unerwar¬
teten und radikalen Vorschläge (unexpseteä ava raüieal LUAZsstions) zu ana-
lysiren und sich eine klare Ansicht über dieselben zu bilden. Was man
eigentlich in der Botschaft zu finden erwartete, ist in auffälliger Weise gar
nicht darin enthalten; man hat ein Gemisch (s, oder) überraschender und ver¬
hältnißmäßig neuer politischer Theorien vor sich, die schwer genug wiegen, um
ein halbes Dutzend politischer Parteien neu zu bilden oder aufzulösen.


dieser Prüfung ungünstig für die Kirchenverfassung ans, so daß dieselbe als
nachtheilig für das Staatsinteresse erschiene, was freilich undenkbar ist, so
müßte die Kirche bewogen werden, ihre eben gegebene Verfassung zu ändern
und eine neue vorzulegen. In keinem Fall aber kann der Landtag bean¬
spruchen, als constituirendes Organ für die Kirche aufzutreten, er kann
immer nur als Mandatar des staatlichen M8 circa, sacra auftreten.


Constantin Rößler.


Ale jüngste Iotschast des Präsidenten Hrant.

Die Botschaft, welche Präsident U. S. Grant am 8. Decbr. v.J. dem
Tags zuvor zusammengetretenen 44. Kongresse übersandte, liegt uns jetzt in
ihrem Wortlaute vor und wir können wohl begreifen, daß dieselbe in den
Vereinigten Staaten, namentlich in politischen Kreisen, großes Aufsehen er¬
regte. Das in Rede stehende Aktenstück ist die letzte Jahresbotschaft, welche
Grant vor der nächsten Präsidentenwahl an die im Kongresse versammelten
Vertreter der nordamerikanischen Union zu richten hat, und doch bringt er
darin so tiefgreifende Fragen zur Sprache, daß es unwillkürlich den Anschein
gewinnt, als wenn er noch Jahre lang an der Spitze der Regierung zu
bleiben gedenkt. Daß er fortan mit einem ihm feindlich gesinnten Repräsen¬
tantenhause zu thun hat, merkt man kaum aus einer Stelle der Votschaft
heraus. Eine aus Washington vom 7. Decbr. demselben Tage, an welchem
die Botschaft dem Kongresse überreicht wurde, datirte Correspondenz der weit¬
verbreiteten und einflußreichen „New-Uork Tribüne", eines liberal-republikani¬
schen Blattes, äußert sich u. A. also: „In einem Punkte stimmt man von
allen Seiten über den Charakter der Botschaft überein, nämlich darin, daß sie
voll ist von Überraschungen (tiiat it lzristlvs widu surxrises). Sie ist in der
That ein so merkwürdiges Dokument, daß das erstaunte Washingtoner Pub¬
likum sich kaum hinlänglich fassen kann, um die darin enthaltenen unerwar¬
teten und radikalen Vorschläge (unexpseteä ava raüieal LUAZsstions) zu ana-
lysiren und sich eine klare Ansicht über dieselben zu bilden. Was man
eigentlich in der Botschaft zu finden erwartete, ist in auffälliger Weise gar
nicht darin enthalten; man hat ein Gemisch (s, oder) überraschender und ver¬
hältnißmäßig neuer politischer Theorien vor sich, die schwer genug wiegen, um
ein halbes Dutzend politischer Parteien neu zu bilden oder aufzulösen.


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[0159] dieser Prüfung ungünstig für die Kirchenverfassung ans, so daß dieselbe als nachtheilig für das Staatsinteresse erschiene, was freilich undenkbar ist, so müßte die Kirche bewogen werden, ihre eben gegebene Verfassung zu ändern und eine neue vorzulegen. In keinem Fall aber kann der Landtag bean¬ spruchen, als constituirendes Organ für die Kirche aufzutreten, er kann immer nur als Mandatar des staatlichen M8 circa, sacra auftreten. Constantin Rößler. Ale jüngste Iotschast des Präsidenten Hrant. Die Botschaft, welche Präsident U. S. Grant am 8. Decbr. v.J. dem Tags zuvor zusammengetretenen 44. Kongresse übersandte, liegt uns jetzt in ihrem Wortlaute vor und wir können wohl begreifen, daß dieselbe in den Vereinigten Staaten, namentlich in politischen Kreisen, großes Aufsehen er¬ regte. Das in Rede stehende Aktenstück ist die letzte Jahresbotschaft, welche Grant vor der nächsten Präsidentenwahl an die im Kongresse versammelten Vertreter der nordamerikanischen Union zu richten hat, und doch bringt er darin so tiefgreifende Fragen zur Sprache, daß es unwillkürlich den Anschein gewinnt, als wenn er noch Jahre lang an der Spitze der Regierung zu bleiben gedenkt. Daß er fortan mit einem ihm feindlich gesinnten Repräsen¬ tantenhause zu thun hat, merkt man kaum aus einer Stelle der Votschaft heraus. Eine aus Washington vom 7. Decbr. demselben Tage, an welchem die Botschaft dem Kongresse überreicht wurde, datirte Correspondenz der weit¬ verbreiteten und einflußreichen „New-Uork Tribüne", eines liberal-republikani¬ schen Blattes, äußert sich u. A. also: „In einem Punkte stimmt man von allen Seiten über den Charakter der Botschaft überein, nämlich darin, daß sie voll ist von Überraschungen (tiiat it lzristlvs widu surxrises). Sie ist in der That ein so merkwürdiges Dokument, daß das erstaunte Washingtoner Pub¬ likum sich kaum hinlänglich fassen kann, um die darin enthaltenen unerwar¬ teten und radikalen Vorschläge (unexpseteä ava raüieal LUAZsstions) zu ana- lysiren und sich eine klare Ansicht über dieselben zu bilden. Was man eigentlich in der Botschaft zu finden erwartete, ist in auffälliger Weise gar nicht darin enthalten; man hat ein Gemisch (s, oder) überraschender und ver¬ hältnißmäßig neuer politischer Theorien vor sich, die schwer genug wiegen, um ein halbes Dutzend politischer Parteien neu zu bilden oder aufzulösen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/159>, abgerufen am 28.06.2024.