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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Schnee- und Eismassen einzumischen. Unzweifelhaft würden sie dann schon
finden, weßhalb der welsche Bauer der Hochvogesen seine Strohdächer nicht
missen mag. Solcher Punkte -- Bagatellen mit Rücksicht auf das Ganze --
giebt es noch sehr viele, wo in der That eine allzu rigorose Strenge und
S ^. traffheit nicht am Platze ist.




Uns dem nördlichen I>odnen.
H. Sehende. Neiseblätter von
I

Die vor Kurzem erfolgte Eröffnung des Görlitz-Reichenberger Schienen¬
wegs wird zweifelsohne einen Theil des allsommerlich von Berlin und Nord¬
deutschland den Sudeten zustrebenden Touristenzugs in andre Bahnen lenken
oder ihn doch das Ziel von andrer Richtung her gewinnen lassen, durch Land¬
schaften, die den am Nordfuße von Riesen- und Jsergebirge sich ausbreitenden
an natürlicher Schönheit und wechselvollen Reizen nicht nur nicht nachstehen,
sondern in vieler Beziehung den Rang ablaufen und außerdem durch ihr
reiches und eigenartiges gewerbliches Leben ein besonderes Interesse gewähren.

Es sind dies Gegenden von überraschender Anmuth und malerischer Ro¬
mantik, die um ihrer selbst willen, nicht blos als Durchgangsstationen auf¬
gesucht zu werden verdienen und mit der Zeit gewiß eine ansehnliche Sommer¬
bevölkerung erhalten. Denn jede ihrer Dorf- und Ortschaften in den Thälern
wie an den Berghalden und auf den waldgesäumten Höhen eignet sich in
vorzüglichem Maße zur Errichtung von Sommersrischgelegenheiten; nirgends
läßt die Luft zu wünschen übrig, allenthalben badet man sich im ozonge¬
tränkten Hauche von Fichten und Tannen und im Frühjahr zugleich im
wonnesamen Dufte der Lindenblüthe, der von rechts und links auf uns ein¬
strömt in einer Intensität, wie ihn vorher geathmet zu haben ich mich nicht
zu entsinnen weiß; überall schlängeln sich durch Busch und Wiese bequeme und
liebliche Pfade und weit und breit giebt es Häuser und Häuschen, wo man
sich ausruhen und erquicken kann, wenn man müd' und hungrig und durstig
ist vom Wandern und Fußgehen.

Diese Raststätten und Herbergen -- Einkehrhäuser, Schanknahrungen,
Bier- und Rosogliowirthschaften, wie sie sich verschiedenartig tituliren --sind
schier zahllos wie die Sandkörnchen am Meere, oft hart nebeneinander, häufig
sich unmittelbar gegenüber, nicht selten gar in Gruppen zusammenstehend,
sicher aber darf man darauf rechnen, daß man alle hundert Schritt auf ein


Schnee- und Eismassen einzumischen. Unzweifelhaft würden sie dann schon
finden, weßhalb der welsche Bauer der Hochvogesen seine Strohdächer nicht
missen mag. Solcher Punkte — Bagatellen mit Rücksicht auf das Ganze —
giebt es noch sehr viele, wo in der That eine allzu rigorose Strenge und
S ^. traffheit nicht am Platze ist.




Uns dem nördlichen I>odnen.
H. Sehende. Neiseblätter von
I

Die vor Kurzem erfolgte Eröffnung des Görlitz-Reichenberger Schienen¬
wegs wird zweifelsohne einen Theil des allsommerlich von Berlin und Nord¬
deutschland den Sudeten zustrebenden Touristenzugs in andre Bahnen lenken
oder ihn doch das Ziel von andrer Richtung her gewinnen lassen, durch Land¬
schaften, die den am Nordfuße von Riesen- und Jsergebirge sich ausbreitenden
an natürlicher Schönheit und wechselvollen Reizen nicht nur nicht nachstehen,
sondern in vieler Beziehung den Rang ablaufen und außerdem durch ihr
reiches und eigenartiges gewerbliches Leben ein besonderes Interesse gewähren.

Es sind dies Gegenden von überraschender Anmuth und malerischer Ro¬
mantik, die um ihrer selbst willen, nicht blos als Durchgangsstationen auf¬
gesucht zu werden verdienen und mit der Zeit gewiß eine ansehnliche Sommer¬
bevölkerung erhalten. Denn jede ihrer Dorf- und Ortschaften in den Thälern
wie an den Berghalden und auf den waldgesäumten Höhen eignet sich in
vorzüglichem Maße zur Errichtung von Sommersrischgelegenheiten; nirgends
läßt die Luft zu wünschen übrig, allenthalben badet man sich im ozonge¬
tränkten Hauche von Fichten und Tannen und im Frühjahr zugleich im
wonnesamen Dufte der Lindenblüthe, der von rechts und links auf uns ein¬
strömt in einer Intensität, wie ihn vorher geathmet zu haben ich mich nicht
zu entsinnen weiß; überall schlängeln sich durch Busch und Wiese bequeme und
liebliche Pfade und weit und breit giebt es Häuser und Häuschen, wo man
sich ausruhen und erquicken kann, wenn man müd' und hungrig und durstig
ist vom Wandern und Fußgehen.

Diese Raststätten und Herbergen — Einkehrhäuser, Schanknahrungen,
Bier- und Rosogliowirthschaften, wie sie sich verschiedenartig tituliren —sind
schier zahllos wie die Sandkörnchen am Meere, oft hart nebeneinander, häufig
sich unmittelbar gegenüber, nicht selten gar in Gruppen zusammenstehend,
sicher aber darf man darauf rechnen, daß man alle hundert Schritt auf ein


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[0042] Schnee- und Eismassen einzumischen. Unzweifelhaft würden sie dann schon finden, weßhalb der welsche Bauer der Hochvogesen seine Strohdächer nicht missen mag. Solcher Punkte — Bagatellen mit Rücksicht auf das Ganze — giebt es noch sehr viele, wo in der That eine allzu rigorose Strenge und S ^. traffheit nicht am Platze ist. Uns dem nördlichen I>odnen. H. Sehende. Neiseblätter von I Die vor Kurzem erfolgte Eröffnung des Görlitz-Reichenberger Schienen¬ wegs wird zweifelsohne einen Theil des allsommerlich von Berlin und Nord¬ deutschland den Sudeten zustrebenden Touristenzugs in andre Bahnen lenken oder ihn doch das Ziel von andrer Richtung her gewinnen lassen, durch Land¬ schaften, die den am Nordfuße von Riesen- und Jsergebirge sich ausbreitenden an natürlicher Schönheit und wechselvollen Reizen nicht nur nicht nachstehen, sondern in vieler Beziehung den Rang ablaufen und außerdem durch ihr reiches und eigenartiges gewerbliches Leben ein besonderes Interesse gewähren. Es sind dies Gegenden von überraschender Anmuth und malerischer Ro¬ mantik, die um ihrer selbst willen, nicht blos als Durchgangsstationen auf¬ gesucht zu werden verdienen und mit der Zeit gewiß eine ansehnliche Sommer¬ bevölkerung erhalten. Denn jede ihrer Dorf- und Ortschaften in den Thälern wie an den Berghalden und auf den waldgesäumten Höhen eignet sich in vorzüglichem Maße zur Errichtung von Sommersrischgelegenheiten; nirgends läßt die Luft zu wünschen übrig, allenthalben badet man sich im ozonge¬ tränkten Hauche von Fichten und Tannen und im Frühjahr zugleich im wonnesamen Dufte der Lindenblüthe, der von rechts und links auf uns ein¬ strömt in einer Intensität, wie ihn vorher geathmet zu haben ich mich nicht zu entsinnen weiß; überall schlängeln sich durch Busch und Wiese bequeme und liebliche Pfade und weit und breit giebt es Häuser und Häuschen, wo man sich ausruhen und erquicken kann, wenn man müd' und hungrig und durstig ist vom Wandern und Fußgehen. Diese Raststätten und Herbergen — Einkehrhäuser, Schanknahrungen, Bier- und Rosogliowirthschaften, wie sie sich verschiedenartig tituliren —sind schier zahllos wie die Sandkörnchen am Meere, oft hart nebeneinander, häufig sich unmittelbar gegenüber, nicht selten gar in Gruppen zusammenstehend, sicher aber darf man darauf rechnen, daß man alle hundert Schritt auf ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/42>, abgerufen am 22.07.2024.