Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Hubernatis über vedische Mythologie.*)

Zu den hervorragendsten Namen der modernen italienischen Literatur
gehört unstreitig Angelo de Gubernatis. Zugleich Dichter und Gelehrter,
Professor des Sanskrit am Institut" <ti Ltuäii suxerivri in Florenz und
Herausgeber der Nivists, Duroxea, einer der gediegensten internationalen
Monatsschriften Europa's, Mitarbeiter an einigen der bedeutendsten Zeit¬
schriften und Encyklopädien des Auslandes und Verfasser zahlreicher Werke,
von denen das umfangreichste "Die zoologische Mythologie" bereits in mehrere
fremde Sprachen übersetzt worden ist**), zeichnet er sich eben so wohl durch
seinen klassischen Stil, wie durch sein eminentes Wissen und seine umfassen¬
den Sprachkenntnisse aus, und verbindet mit der Gründlichkeit des Forschens
die seltene Kunst, die wissenschaftlichsten Untersuchungen in einer so klaren
und anmuthigen Weise darzustellen, daß auch der Laie sie mit Vergnügen
und Interesse verfolgt.

Es ist daher kein Wunder, wenn die Vorlesungen, welche de Gubernatis
in Florenz über die "vedische Mythologie" hielt, so allgemeinen Beifall fanden,
daß der Wunsch laut wurde, sie gedruckt zu sehen. So entstand die vorliegende
Sammlung von 18 Vorlesungen, welche zwar die vedische Mythologie durch¬
aus nicht erschöpfend behandeln, uns aber doch die hauptsächlichsten vedischen
Mythen schildern und erklären. Da der Verfasser sich indessen bei diesen
Auslegungen nicht bloß auf die indische Götterlehre beschränkt, sondern die
Religionen aller alten into-europäischen Völker in den Kreis seiner Unter¬
suchungen zieht, und bald die Namen der Götter und Helden mit Hülse der
vergleichenden Sprachforschung, bald den Inhalt der Mythen durch Anführung
ähnlicher Züge aus den Märchen, Volksliedern und Gebräuchen der jetztleben¬
den Stämme zu erläutern sucht, so geben uns seine Vorlesungen ein tress¬
liches Gesammtbild von der Entstehung und Entwickelung der religiösen An¬
schauungen sämmtlicher Völker des into-europäischen Sprachstammes über¬
haupt, so wie der Mythe insbesondere. Deshalb folgt de Gubernatis bei
der Reihenfolge seiner Vorlesungen auch der Naturgeschichte der Mythe. Er
selbst sagt darüber in dem Briefe an Ernst Renan, dem er das Buch widmet:
"Die erste Mythe, welche entsteht, ist vorzugsweise ein Bild; die zweite ist
vorzugsweise eine Person und die dritte ist vorzugsweise eine Idee; die erste
ist eine leichte Figur, die zweite ein beweglicher Held, die dritte wird eine
Gottheit oder ein Götzenbild, das fest vor den Augen seines blinden Ver-




I^stwi-s sopra w Nitolo^is V<M(!-t kalts prot. ^.NASIO <Zö (Zudsi'ü-reif. I^i-
rvniik 1874.
") Die Thiere in der into-germanischen Mythologie. Uebers. von Hcirtmann. Lpz. 1874.
Hubernatis über vedische Mythologie.*)

Zu den hervorragendsten Namen der modernen italienischen Literatur
gehört unstreitig Angelo de Gubernatis. Zugleich Dichter und Gelehrter,
Professor des Sanskrit am Institut« <ti Ltuäii suxerivri in Florenz und
Herausgeber der Nivists, Duroxea, einer der gediegensten internationalen
Monatsschriften Europa's, Mitarbeiter an einigen der bedeutendsten Zeit¬
schriften und Encyklopädien des Auslandes und Verfasser zahlreicher Werke,
von denen das umfangreichste „Die zoologische Mythologie" bereits in mehrere
fremde Sprachen übersetzt worden ist**), zeichnet er sich eben so wohl durch
seinen klassischen Stil, wie durch sein eminentes Wissen und seine umfassen¬
den Sprachkenntnisse aus, und verbindet mit der Gründlichkeit des Forschens
die seltene Kunst, die wissenschaftlichsten Untersuchungen in einer so klaren
und anmuthigen Weise darzustellen, daß auch der Laie sie mit Vergnügen
und Interesse verfolgt.

Es ist daher kein Wunder, wenn die Vorlesungen, welche de Gubernatis
in Florenz über die „vedische Mythologie" hielt, so allgemeinen Beifall fanden,
daß der Wunsch laut wurde, sie gedruckt zu sehen. So entstand die vorliegende
Sammlung von 18 Vorlesungen, welche zwar die vedische Mythologie durch¬
aus nicht erschöpfend behandeln, uns aber doch die hauptsächlichsten vedischen
Mythen schildern und erklären. Da der Verfasser sich indessen bei diesen
Auslegungen nicht bloß auf die indische Götterlehre beschränkt, sondern die
Religionen aller alten into-europäischen Völker in den Kreis seiner Unter¬
suchungen zieht, und bald die Namen der Götter und Helden mit Hülse der
vergleichenden Sprachforschung, bald den Inhalt der Mythen durch Anführung
ähnlicher Züge aus den Märchen, Volksliedern und Gebräuchen der jetztleben¬
den Stämme zu erläutern sucht, so geben uns seine Vorlesungen ein tress¬
liches Gesammtbild von der Entstehung und Entwickelung der religiösen An¬
schauungen sämmtlicher Völker des into-europäischen Sprachstammes über¬
haupt, so wie der Mythe insbesondere. Deshalb folgt de Gubernatis bei
der Reihenfolge seiner Vorlesungen auch der Naturgeschichte der Mythe. Er
selbst sagt darüber in dem Briefe an Ernst Renan, dem er das Buch widmet:
„Die erste Mythe, welche entsteht, ist vorzugsweise ein Bild; die zweite ist
vorzugsweise eine Person und die dritte ist vorzugsweise eine Idee; die erste
ist eine leichte Figur, die zweite ein beweglicher Held, die dritte wird eine
Gottheit oder ein Götzenbild, das fest vor den Augen seines blinden Ver-




I^stwi-s sopra w Nitolo^is V<M(!-t kalts prot. ^.NASIO <Zö (Zudsi'ü-reif. I^i-
rvniik 1874.
") Die Thiere in der into-germanischen Mythologie. Uebers. von Hcirtmann. Lpz. 1874.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134612"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Hubernatis über vedische Mythologie.*)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_810"> Zu den hervorragendsten Namen der modernen italienischen Literatur<lb/>
gehört unstreitig Angelo de Gubernatis. Zugleich Dichter und Gelehrter,<lb/>
Professor des Sanskrit am Institut« &lt;ti Ltuäii suxerivri in Florenz und<lb/>
Herausgeber der Nivists, Duroxea, einer der gediegensten internationalen<lb/>
Monatsschriften Europa's, Mitarbeiter an einigen der bedeutendsten Zeit¬<lb/>
schriften und Encyklopädien des Auslandes und Verfasser zahlreicher Werke,<lb/>
von denen das umfangreichste &#x201E;Die zoologische Mythologie" bereits in mehrere<lb/>
fremde Sprachen übersetzt worden ist**), zeichnet er sich eben so wohl durch<lb/>
seinen klassischen Stil, wie durch sein eminentes Wissen und seine umfassen¬<lb/>
den Sprachkenntnisse aus, und verbindet mit der Gründlichkeit des Forschens<lb/>
die seltene Kunst, die wissenschaftlichsten Untersuchungen in einer so klaren<lb/>
und anmuthigen Weise darzustellen, daß auch der Laie sie mit Vergnügen<lb/>
und Interesse verfolgt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_811" next="#ID_812"> Es ist daher kein Wunder, wenn die Vorlesungen, welche de Gubernatis<lb/>
in Florenz über die &#x201E;vedische Mythologie" hielt, so allgemeinen Beifall fanden,<lb/>
daß der Wunsch laut wurde, sie gedruckt zu sehen. So entstand die vorliegende<lb/>
Sammlung von 18 Vorlesungen, welche zwar die vedische Mythologie durch¬<lb/>
aus nicht erschöpfend behandeln, uns aber doch die hauptsächlichsten vedischen<lb/>
Mythen schildern und erklären. Da der Verfasser sich indessen bei diesen<lb/>
Auslegungen nicht bloß auf die indische Götterlehre beschränkt, sondern die<lb/>
Religionen aller alten into-europäischen Völker in den Kreis seiner Unter¬<lb/>
suchungen zieht, und bald die Namen der Götter und Helden mit Hülse der<lb/>
vergleichenden Sprachforschung, bald den Inhalt der Mythen durch Anführung<lb/>
ähnlicher Züge aus den Märchen, Volksliedern und Gebräuchen der jetztleben¬<lb/>
den Stämme zu erläutern sucht, so geben uns seine Vorlesungen ein tress¬<lb/>
liches Gesammtbild von der Entstehung und Entwickelung der religiösen An¬<lb/>
schauungen sämmtlicher Völker des into-europäischen Sprachstammes über¬<lb/>
haupt, so wie der Mythe insbesondere. Deshalb folgt de Gubernatis bei<lb/>
der Reihenfolge seiner Vorlesungen auch der Naturgeschichte der Mythe. Er<lb/>
selbst sagt darüber in dem Briefe an Ernst Renan, dem er das Buch widmet:<lb/>
&#x201E;Die erste Mythe, welche entsteht, ist vorzugsweise ein Bild; die zweite ist<lb/>
vorzugsweise eine Person und die dritte ist vorzugsweise eine Idee; die erste<lb/>
ist eine leichte Figur, die zweite ein beweglicher Held, die dritte wird eine<lb/>
Gottheit oder ein Götzenbild, das fest vor den Augen seines blinden Ver-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_95" place="foot"> I^stwi-s sopra w Nitolo^is V&lt;M(!-t kalts    prot. ^.NASIO &lt;Zö (Zudsi'ü-reif. I^i-<lb/>
rvniik 1874.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_96" place="foot"> ") Die Thiere in der into-germanischen Mythologie. Uebers. von Hcirtmann. Lpz. 1874.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0266] Hubernatis über vedische Mythologie.*) Zu den hervorragendsten Namen der modernen italienischen Literatur gehört unstreitig Angelo de Gubernatis. Zugleich Dichter und Gelehrter, Professor des Sanskrit am Institut« <ti Ltuäii suxerivri in Florenz und Herausgeber der Nivists, Duroxea, einer der gediegensten internationalen Monatsschriften Europa's, Mitarbeiter an einigen der bedeutendsten Zeit¬ schriften und Encyklopädien des Auslandes und Verfasser zahlreicher Werke, von denen das umfangreichste „Die zoologische Mythologie" bereits in mehrere fremde Sprachen übersetzt worden ist**), zeichnet er sich eben so wohl durch seinen klassischen Stil, wie durch sein eminentes Wissen und seine umfassen¬ den Sprachkenntnisse aus, und verbindet mit der Gründlichkeit des Forschens die seltene Kunst, die wissenschaftlichsten Untersuchungen in einer so klaren und anmuthigen Weise darzustellen, daß auch der Laie sie mit Vergnügen und Interesse verfolgt. Es ist daher kein Wunder, wenn die Vorlesungen, welche de Gubernatis in Florenz über die „vedische Mythologie" hielt, so allgemeinen Beifall fanden, daß der Wunsch laut wurde, sie gedruckt zu sehen. So entstand die vorliegende Sammlung von 18 Vorlesungen, welche zwar die vedische Mythologie durch¬ aus nicht erschöpfend behandeln, uns aber doch die hauptsächlichsten vedischen Mythen schildern und erklären. Da der Verfasser sich indessen bei diesen Auslegungen nicht bloß auf die indische Götterlehre beschränkt, sondern die Religionen aller alten into-europäischen Völker in den Kreis seiner Unter¬ suchungen zieht, und bald die Namen der Götter und Helden mit Hülse der vergleichenden Sprachforschung, bald den Inhalt der Mythen durch Anführung ähnlicher Züge aus den Märchen, Volksliedern und Gebräuchen der jetztleben¬ den Stämme zu erläutern sucht, so geben uns seine Vorlesungen ein tress¬ liches Gesammtbild von der Entstehung und Entwickelung der religiösen An¬ schauungen sämmtlicher Völker des into-europäischen Sprachstammes über¬ haupt, so wie der Mythe insbesondere. Deshalb folgt de Gubernatis bei der Reihenfolge seiner Vorlesungen auch der Naturgeschichte der Mythe. Er selbst sagt darüber in dem Briefe an Ernst Renan, dem er das Buch widmet: „Die erste Mythe, welche entsteht, ist vorzugsweise ein Bild; die zweite ist vorzugsweise eine Person und die dritte ist vorzugsweise eine Idee; die erste ist eine leichte Figur, die zweite ein beweglicher Held, die dritte wird eine Gottheit oder ein Götzenbild, das fest vor den Augen seines blinden Ver- I^stwi-s sopra w Nitolo^is V<M(!-t kalts prot. ^.NASIO <Zö (Zudsi'ü-reif. I^i- rvniik 1874. ") Die Thiere in der into-germanischen Mythologie. Uebers. von Hcirtmann. Lpz. 1874.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/266
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/266>, abgerufen am 22.07.2024.