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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Zur Aufnahme in die Ordnung gehört als Bedingung wie bei allen
Zünften eheliche Geburt und ehrliches Herkommen. Als besondere der besondern
Beschäftigung angepaßte Forderung tritt hier ehrbarer Wandel, jährliche
Beichte, Besuch des Sacraments nach christlicher Ordnung hinzu. Auch so
jemand in dem Gerücht steht, daß er seine Kleider verspielt, soll er von der
Ordnung keine Förderung erhalten.

Die unterste Stufe der Hütte nimmt der Diener -- was soviel sagen
will als Lehrling -- ein. Der Meister ist wiederum nach allgemeiner Zunft¬
ordnung gehalten nur eine beschränkte Anzahl von Dienern aufzunehmen, damit
^ auch im Stande sei, ihnen den genügend sorgfältigen Unterricht zukommen
M lassen. Der Unterricht ist frei, er darf nicht bezahlt werden. Das gilt
kund von besonderen Kunstfertigkeiten, die ein Gesell vor dem anderen Boraus
hat. "Es soll kein Werkmann noch Meister von keinem Gesellen Geld neh¬
men, daß er ihm etwas lehre oder zeige, was das Steinwerk betrifft. Des¬
gleichen soll auch kein Parlirer oder Geselle keinen um Geld weisen oder lehren.
Will aber einer dem andern etwas unterweisen oder lehren, das mögen sie
Wohl thun ein Stück um das andere oder um Gesellen willen (aus Freund¬
schaft)." Die Dienstzeit währt fünf Jahre, wenn der Diener "vom ruhen"
lus angenommen ist. Tritt einer vom Maurergcwerke über, so muß er
dennoch mindestens drei Jahre dienen.




AMsch-pMische Keisegtossen.
i.

Es ist doch etwas Eigenes um dieses Straßburg! Die romantische Be¬
geisterung, welche wir just vor 5 Jahren der wiedergewonnenen oder gar
"wiederbefreiten" "wunderschönen Stadt" mit zügellosester Ueberschwäng-
ttchkeit entgegegentrugen, ist längst einer platten Ernüchterung gewichen.
Und dennoch fesselt Straßburg den Deutschen noch immer mit ganz be¬
sonderem Reiz. Das unvergleichliche Denkmal gothischer Baukunst allein
genügt nicht zur Erklärung des Räthsels; wohl kann man sich immer von
Neuem in diesen unergründlichen Formenreichthum versenken, aber den Wan¬
derer, der von längerer Sommerfahrt sehensmüde der Heimath zueilt, möchte
°'es Schauspiel schwerlich bestimmen, von der graden Straße abzulenken. Was
ihn bannt, ist jene geheimnißvolle Macht, mit welcher die spröde Schöne den


Zur Aufnahme in die Ordnung gehört als Bedingung wie bei allen
Zünften eheliche Geburt und ehrliches Herkommen. Als besondere der besondern
Beschäftigung angepaßte Forderung tritt hier ehrbarer Wandel, jährliche
Beichte, Besuch des Sacraments nach christlicher Ordnung hinzu. Auch so
jemand in dem Gerücht steht, daß er seine Kleider verspielt, soll er von der
Ordnung keine Förderung erhalten.

Die unterste Stufe der Hütte nimmt der Diener — was soviel sagen
will als Lehrling — ein. Der Meister ist wiederum nach allgemeiner Zunft¬
ordnung gehalten nur eine beschränkte Anzahl von Dienern aufzunehmen, damit
^ auch im Stande sei, ihnen den genügend sorgfältigen Unterricht zukommen
M lassen. Der Unterricht ist frei, er darf nicht bezahlt werden. Das gilt
kund von besonderen Kunstfertigkeiten, die ein Gesell vor dem anderen Boraus
hat. „Es soll kein Werkmann noch Meister von keinem Gesellen Geld neh¬
men, daß er ihm etwas lehre oder zeige, was das Steinwerk betrifft. Des¬
gleichen soll auch kein Parlirer oder Geselle keinen um Geld weisen oder lehren.
Will aber einer dem andern etwas unterweisen oder lehren, das mögen sie
Wohl thun ein Stück um das andere oder um Gesellen willen (aus Freund¬
schaft)." Die Dienstzeit währt fünf Jahre, wenn der Diener „vom ruhen"
lus angenommen ist. Tritt einer vom Maurergcwerke über, so muß er
dennoch mindestens drei Jahre dienen.




AMsch-pMische Keisegtossen.
i.

Es ist doch etwas Eigenes um dieses Straßburg! Die romantische Be¬
geisterung, welche wir just vor 5 Jahren der wiedergewonnenen oder gar
»wiederbefreiten" „wunderschönen Stadt" mit zügellosester Ueberschwäng-
ttchkeit entgegegentrugen, ist längst einer platten Ernüchterung gewichen.
Und dennoch fesselt Straßburg den Deutschen noch immer mit ganz be¬
sonderem Reiz. Das unvergleichliche Denkmal gothischer Baukunst allein
genügt nicht zur Erklärung des Räthsels; wohl kann man sich immer von
Neuem in diesen unergründlichen Formenreichthum versenken, aber den Wan¬
derer, der von längerer Sommerfahrt sehensmüde der Heimath zueilt, möchte
°'es Schauspiel schwerlich bestimmen, von der graden Straße abzulenken. Was
ihn bannt, ist jene geheimnißvolle Macht, mit welcher die spröde Schöne den


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[0155] Zur Aufnahme in die Ordnung gehört als Bedingung wie bei allen Zünften eheliche Geburt und ehrliches Herkommen. Als besondere der besondern Beschäftigung angepaßte Forderung tritt hier ehrbarer Wandel, jährliche Beichte, Besuch des Sacraments nach christlicher Ordnung hinzu. Auch so jemand in dem Gerücht steht, daß er seine Kleider verspielt, soll er von der Ordnung keine Förderung erhalten. Die unterste Stufe der Hütte nimmt der Diener — was soviel sagen will als Lehrling — ein. Der Meister ist wiederum nach allgemeiner Zunft¬ ordnung gehalten nur eine beschränkte Anzahl von Dienern aufzunehmen, damit ^ auch im Stande sei, ihnen den genügend sorgfältigen Unterricht zukommen M lassen. Der Unterricht ist frei, er darf nicht bezahlt werden. Das gilt kund von besonderen Kunstfertigkeiten, die ein Gesell vor dem anderen Boraus hat. „Es soll kein Werkmann noch Meister von keinem Gesellen Geld neh¬ men, daß er ihm etwas lehre oder zeige, was das Steinwerk betrifft. Des¬ gleichen soll auch kein Parlirer oder Geselle keinen um Geld weisen oder lehren. Will aber einer dem andern etwas unterweisen oder lehren, das mögen sie Wohl thun ein Stück um das andere oder um Gesellen willen (aus Freund¬ schaft)." Die Dienstzeit währt fünf Jahre, wenn der Diener „vom ruhen" lus angenommen ist. Tritt einer vom Maurergcwerke über, so muß er dennoch mindestens drei Jahre dienen. AMsch-pMische Keisegtossen. i. Es ist doch etwas Eigenes um dieses Straßburg! Die romantische Be¬ geisterung, welche wir just vor 5 Jahren der wiedergewonnenen oder gar »wiederbefreiten" „wunderschönen Stadt" mit zügellosester Ueberschwäng- ttchkeit entgegegentrugen, ist längst einer platten Ernüchterung gewichen. Und dennoch fesselt Straßburg den Deutschen noch immer mit ganz be¬ sonderem Reiz. Das unvergleichliche Denkmal gothischer Baukunst allein genügt nicht zur Erklärung des Räthsels; wohl kann man sich immer von Neuem in diesen unergründlichen Formenreichthum versenken, aber den Wan¬ derer, der von längerer Sommerfahrt sehensmüde der Heimath zueilt, möchte °'es Schauspiel schwerlich bestimmen, von der graden Straße abzulenken. Was ihn bannt, ist jene geheimnißvolle Macht, mit welcher die spröde Schöne den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/155>, abgerufen am 22.07.2024.