Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.Frist die Berufung durch den Staatsanwalt wie durch den Verurteilten an¬ Iriefe aus der AaiserstM. Mit dem neuen Jahre hat für die Hauptstadt des deutschen Reichs in Frist die Berufung durch den Staatsanwalt wie durch den Verurteilten an¬ Iriefe aus der AaiserstM. Mit dem neuen Jahre hat für die Hauptstadt des deutschen Reichs in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132882"/> <p xml:id="ID_442" prev="#ID_441"> Frist die Berufung durch den Staatsanwalt wie durch den Verurteilten an¬<lb/> gemeldet worden. Der Verurtheilte und seine Rechtsbeistande haben es für<lb/> nöthig gehalten, dem Beispiel des Staatsanwalts zu folgen, um die Aussicht<lb/> einer totalen Freisprechung durch ihre Befriedigung bei dem ersten Urtheil<lb/> nicht etwa zu vermindern. Der Staatsanwalt aber hat die Berufung wohl<lb/> nur darum eingelegt, um die Rechtsgrundsätze, welche das Urtheil der ersten<lb/> Instanz aufgestellt, sich nicht einbürgern zu lassen, z. B den Grundsatz, daß<lb/> ministerielle Anweisungen an die Gesandten und Berichte der Gesandten an<lb/> den Minister keine Urkunden seien. Im Uebrigen darf man sagen, daß das<lb/> Interesse des großen Publikums an dem Prozeß erschöpft ist. Man weiß<lb/> vollkommen, wie man mit dem Helden daran ist, und nur Blätter wie<lb/> der ,Mo^ol'K lioralcl" und Consorten allerwärts preisen den Helden<lb/><note type="byline"> L-r.</note> als Helden. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Iriefe aus der AaiserstM.</head><lb/> <p xml:id="ID_443" next="#ID_444"> Mit dem neuen Jahre hat für die Hauptstadt des deutschen Reichs in<lb/> ganz besonderem Grade eine neue Aera begonnen. Im November hatte eine<lb/> partielle Erneuerung der Stadtverordnetenversammlung stattgefunden. In<lb/> dem Wahlkampfe hatte eine gemäßigte, lediglich die communalen Angelegen¬<lb/> heiten ins Auge fassende Richtung einem Radicalismus gegenüber gestanden,<lb/> der besonders im letzten Jahre das politische Fractionswesen in das Kolle¬<lb/> gium einzuführen bestrebt gewesen war. Die letztere Partei hatte den Sieg<lb/> davongetragen und dadurch die Majorität in der Versammlung erlangt. Sie<lb/> ließ von Anfang an keinen Zweifel darüber, daß sie ihre Uebermacht gründlich<lb/> ausnutzen würde; aber ihr am letzten Donnerstag erfolgtes Debüt hat auch<lb/> die schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Man begann mit der Beseitigung<lb/> des Stadtverordnetenvorstehers Kochhann; mit zwei Stimmen über die absolute<lb/> Majorität (mit 83 von 100) wurde der Candidat des „Berges" oder der<lb/> „Fraction der Linken," wie sich die Opposition bisher zu nennen liebte, ge¬<lb/> wählt. In seiner Annahmeerklärung nannte der neue Präsident Herrn Koch¬<lb/> hann einen Mann, dem an Eifer und rastloser Thätigkeit Niemand gleich¬<lb/> kommen werde. „Die Hingebung," sagte er U.A., „mit der mein Vorgänger<lb/> die zwölfjährige Thätigkeit hier geleitet hat, ist über jedes Lob erhaben. Wie<lb/> auch die Verhältnisse sich gestalten mögen, das ist meine Ueberzeugung, diese</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
Frist die Berufung durch den Staatsanwalt wie durch den Verurteilten an¬
gemeldet worden. Der Verurtheilte und seine Rechtsbeistande haben es für
nöthig gehalten, dem Beispiel des Staatsanwalts zu folgen, um die Aussicht
einer totalen Freisprechung durch ihre Befriedigung bei dem ersten Urtheil
nicht etwa zu vermindern. Der Staatsanwalt aber hat die Berufung wohl
nur darum eingelegt, um die Rechtsgrundsätze, welche das Urtheil der ersten
Instanz aufgestellt, sich nicht einbürgern zu lassen, z. B den Grundsatz, daß
ministerielle Anweisungen an die Gesandten und Berichte der Gesandten an
den Minister keine Urkunden seien. Im Uebrigen darf man sagen, daß das
Interesse des großen Publikums an dem Prozeß erschöpft ist. Man weiß
vollkommen, wie man mit dem Helden daran ist, und nur Blätter wie
der ,Mo^ol'K lioralcl" und Consorten allerwärts preisen den Helden
L-r. als Helden.
Iriefe aus der AaiserstM.
Mit dem neuen Jahre hat für die Hauptstadt des deutschen Reichs in
ganz besonderem Grade eine neue Aera begonnen. Im November hatte eine
partielle Erneuerung der Stadtverordnetenversammlung stattgefunden. In
dem Wahlkampfe hatte eine gemäßigte, lediglich die communalen Angelegen¬
heiten ins Auge fassende Richtung einem Radicalismus gegenüber gestanden,
der besonders im letzten Jahre das politische Fractionswesen in das Kolle¬
gium einzuführen bestrebt gewesen war. Die letztere Partei hatte den Sieg
davongetragen und dadurch die Majorität in der Versammlung erlangt. Sie
ließ von Anfang an keinen Zweifel darüber, daß sie ihre Uebermacht gründlich
ausnutzen würde; aber ihr am letzten Donnerstag erfolgtes Debüt hat auch
die schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Man begann mit der Beseitigung
des Stadtverordnetenvorstehers Kochhann; mit zwei Stimmen über die absolute
Majorität (mit 83 von 100) wurde der Candidat des „Berges" oder der
„Fraction der Linken," wie sich die Opposition bisher zu nennen liebte, ge¬
wählt. In seiner Annahmeerklärung nannte der neue Präsident Herrn Koch¬
hann einen Mann, dem an Eifer und rastloser Thätigkeit Niemand gleich¬
kommen werde. „Die Hingebung," sagte er U.A., „mit der mein Vorgänger
die zwölfjährige Thätigkeit hier geleitet hat, ist über jedes Lob erhaben. Wie
auch die Verhältnisse sich gestalten mögen, das ist meine Ueberzeugung, diese
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