Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Waudereien aus London.
(Die Eisenbahnen. Schluß.)

Die Metropolitan-Eisenbahn hat bei einer Länge von etwa 13 englischen
Meilen 22 Personenstationen, die theilweise nur 800 -- 600 Meter von ein¬
ander entfernt liegen, so daß die Fahrzeit zwischen denselben, incl. des halben
Aufenthaltes auf jeder Station nur 2 Minuten beträgt; die unmittelbar
damit zusammenhängenden Nebenbahnen haben außerdem noch 12 Stationen.
Die Stationen sind meistens -- mit Ausnahme der zwei umfangreicheren End¬
stationen und einiger Abzweigungsstellen -- so angeordnet, daß zu beiden
Seiten der zwei durchgehenden Gleise Perrons angebracht sind, welche das
Ein- und Aussteigen vermitteln. Von diesen Perrons führen gesonderte
Treppen für die Abfahrenden und Ankommenden nach oben, nach dem Niveau
der Straße und dort befinden sich auch die Billetexpeditionen, die Warte¬
zimmer und andere derartige Räume. Das Licht fällt in der Regel durch
das große Bogendach, welches die Station überdeckt in dieselbe ein. und zwar
in so ausreichendem Maaße, daß trotz des Unterirdischen ein freundlicher Ein¬
druck erzielt wird. Die Beleuchtung der Eisenbahnwagen erfolgt durch Gas,
so daß man mit Bequemlichkeit seine Zeitung lesen kann und dadurch das
unheimliche des beinahe permanenten Tunnels wesentlich gemildert wird. Dicht
hinter der nur etwa 90 bis 100 Meter langen Station tritt die Bahn wieder in
die Tunnel und es macht einen eigenthümlichen, dämonischen Eindruck, wenn
plötzlich aus dem schwarzen Tunnelmund ein Zug angebraust kommt, in un¬
glaublich kurzer Zeit zum Stehen gebracht wird, sodaß durch das scharfe An¬
ziehen der Bremsen die Funken davon fliegen, nun die Passagiere in noch kür¬
zerer Zeit ganz allein, ohne irgend welche Hülfe seitens des Fahrdienstpersonals
ein- und aussteigen und sich nun der Zug noch während die Thüren wieder ge¬
schlossen werden rasch, ohne laute Signale, in Bewegung setzt, um ebenso schnell
im Tunnel zu verschwinden, als er kurz zuvor aus demselben herausfuhr.

Diese unterirdische Bahn und der auf ihr gehandhabte Betrieb ist wohl
das Großartigste, was die englische Metropole seit Jahrzehnten, ja wohl seit
Jahrhunderten hervorgebracht hat und einige Zahlen mögen in Verbindung
mit dem eben Gesagten die Richtigkeit meiner Behauptung beweisen. Gewiß
sprechen die Kosten wohl am allerdeutlichsten für die ungeheuren Schwierig¬
keiten, die es zu überwinden galt, besonders wenn man berücksichtigt, daß
alle Anlagen zwar in tadelloser Vorzüglichkeit aber ohne allen und jeden
äußern Schmuck zur Ausführung gekommen sind.

Die Gesammtkosten der Bahn belaufen sich auf etwa 76 Millionen
Thaler bei noch nicht 3 deutschen Meilen Länge und wenn man die einzelnen


Waudereien aus London.
(Die Eisenbahnen. Schluß.)

Die Metropolitan-Eisenbahn hat bei einer Länge von etwa 13 englischen
Meilen 22 Personenstationen, die theilweise nur 800 — 600 Meter von ein¬
ander entfernt liegen, so daß die Fahrzeit zwischen denselben, incl. des halben
Aufenthaltes auf jeder Station nur 2 Minuten beträgt; die unmittelbar
damit zusammenhängenden Nebenbahnen haben außerdem noch 12 Stationen.
Die Stationen sind meistens — mit Ausnahme der zwei umfangreicheren End¬
stationen und einiger Abzweigungsstellen — so angeordnet, daß zu beiden
Seiten der zwei durchgehenden Gleise Perrons angebracht sind, welche das
Ein- und Aussteigen vermitteln. Von diesen Perrons führen gesonderte
Treppen für die Abfahrenden und Ankommenden nach oben, nach dem Niveau
der Straße und dort befinden sich auch die Billetexpeditionen, die Warte¬
zimmer und andere derartige Räume. Das Licht fällt in der Regel durch
das große Bogendach, welches die Station überdeckt in dieselbe ein. und zwar
in so ausreichendem Maaße, daß trotz des Unterirdischen ein freundlicher Ein¬
druck erzielt wird. Die Beleuchtung der Eisenbahnwagen erfolgt durch Gas,
so daß man mit Bequemlichkeit seine Zeitung lesen kann und dadurch das
unheimliche des beinahe permanenten Tunnels wesentlich gemildert wird. Dicht
hinter der nur etwa 90 bis 100 Meter langen Station tritt die Bahn wieder in
die Tunnel und es macht einen eigenthümlichen, dämonischen Eindruck, wenn
plötzlich aus dem schwarzen Tunnelmund ein Zug angebraust kommt, in un¬
glaublich kurzer Zeit zum Stehen gebracht wird, sodaß durch das scharfe An¬
ziehen der Bremsen die Funken davon fliegen, nun die Passagiere in noch kür¬
zerer Zeit ganz allein, ohne irgend welche Hülfe seitens des Fahrdienstpersonals
ein- und aussteigen und sich nun der Zug noch während die Thüren wieder ge¬
schlossen werden rasch, ohne laute Signale, in Bewegung setzt, um ebenso schnell
im Tunnel zu verschwinden, als er kurz zuvor aus demselben herausfuhr.

Diese unterirdische Bahn und der auf ihr gehandhabte Betrieb ist wohl
das Großartigste, was die englische Metropole seit Jahrzehnten, ja wohl seit
Jahrhunderten hervorgebracht hat und einige Zahlen mögen in Verbindung
mit dem eben Gesagten die Richtigkeit meiner Behauptung beweisen. Gewiß
sprechen die Kosten wohl am allerdeutlichsten für die ungeheuren Schwierig¬
keiten, die es zu überwinden galt, besonders wenn man berücksichtigt, daß
alle Anlagen zwar in tadelloser Vorzüglichkeit aber ohne allen und jeden
äußern Schmuck zur Ausführung gekommen sind.

Die Gesammtkosten der Bahn belaufen sich auf etwa 76 Millionen
Thaler bei noch nicht 3 deutschen Meilen Länge und wenn man die einzelnen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132870"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Waudereien aus London.<lb/>
(Die Eisenbahnen. Schluß.) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_396"> Die Metropolitan-Eisenbahn hat bei einer Länge von etwa 13 englischen<lb/>
Meilen 22 Personenstationen, die theilweise nur 800 &#x2014; 600 Meter von ein¬<lb/>
ander entfernt liegen, so daß die Fahrzeit zwischen denselben, incl. des halben<lb/>
Aufenthaltes auf jeder Station nur 2 Minuten beträgt; die unmittelbar<lb/>
damit zusammenhängenden Nebenbahnen haben außerdem noch 12 Stationen.<lb/>
Die Stationen sind meistens &#x2014; mit Ausnahme der zwei umfangreicheren End¬<lb/>
stationen und einiger Abzweigungsstellen &#x2014; so angeordnet, daß zu beiden<lb/>
Seiten der zwei durchgehenden Gleise Perrons angebracht sind, welche das<lb/>
Ein- und Aussteigen vermitteln. Von diesen Perrons führen gesonderte<lb/>
Treppen für die Abfahrenden und Ankommenden nach oben, nach dem Niveau<lb/>
der Straße und dort befinden sich auch die Billetexpeditionen, die Warte¬<lb/>
zimmer und andere derartige Räume. Das Licht fällt in der Regel durch<lb/>
das große Bogendach, welches die Station überdeckt in dieselbe ein. und zwar<lb/>
in so ausreichendem Maaße, daß trotz des Unterirdischen ein freundlicher Ein¬<lb/>
druck erzielt wird. Die Beleuchtung der Eisenbahnwagen erfolgt durch Gas,<lb/>
so daß man mit Bequemlichkeit seine Zeitung lesen kann und dadurch das<lb/>
unheimliche des beinahe permanenten Tunnels wesentlich gemildert wird. Dicht<lb/>
hinter der nur etwa 90 bis 100 Meter langen Station tritt die Bahn wieder in<lb/>
die Tunnel und es macht einen eigenthümlichen, dämonischen Eindruck, wenn<lb/>
plötzlich aus dem schwarzen Tunnelmund ein Zug angebraust kommt, in un¬<lb/>
glaublich kurzer Zeit zum Stehen gebracht wird, sodaß durch das scharfe An¬<lb/>
ziehen der Bremsen die Funken davon fliegen, nun die Passagiere in noch kür¬<lb/>
zerer Zeit ganz allein, ohne irgend welche Hülfe seitens des Fahrdienstpersonals<lb/>
ein- und aussteigen und sich nun der Zug noch während die Thüren wieder ge¬<lb/>
schlossen werden rasch, ohne laute Signale, in Bewegung setzt, um ebenso schnell<lb/>
im Tunnel zu verschwinden, als er kurz zuvor aus demselben herausfuhr.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_397"> Diese unterirdische Bahn und der auf ihr gehandhabte Betrieb ist wohl<lb/>
das Großartigste, was die englische Metropole seit Jahrzehnten, ja wohl seit<lb/>
Jahrhunderten hervorgebracht hat und einige Zahlen mögen in Verbindung<lb/>
mit dem eben Gesagten die Richtigkeit meiner Behauptung beweisen. Gewiß<lb/>
sprechen die Kosten wohl am allerdeutlichsten für die ungeheuren Schwierig¬<lb/>
keiten, die es zu überwinden galt, besonders wenn man berücksichtigt, daß<lb/>
alle Anlagen zwar in tadelloser Vorzüglichkeit aber ohne allen und jeden<lb/>
äußern Schmuck zur Ausführung gekommen sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_398" next="#ID_399"> Die Gesammtkosten der Bahn belaufen sich auf etwa 76 Millionen<lb/>
Thaler bei noch nicht 3 deutschen Meilen Länge und wenn man die einzelnen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0110] Waudereien aus London. (Die Eisenbahnen. Schluß.) Die Metropolitan-Eisenbahn hat bei einer Länge von etwa 13 englischen Meilen 22 Personenstationen, die theilweise nur 800 — 600 Meter von ein¬ ander entfernt liegen, so daß die Fahrzeit zwischen denselben, incl. des halben Aufenthaltes auf jeder Station nur 2 Minuten beträgt; die unmittelbar damit zusammenhängenden Nebenbahnen haben außerdem noch 12 Stationen. Die Stationen sind meistens — mit Ausnahme der zwei umfangreicheren End¬ stationen und einiger Abzweigungsstellen — so angeordnet, daß zu beiden Seiten der zwei durchgehenden Gleise Perrons angebracht sind, welche das Ein- und Aussteigen vermitteln. Von diesen Perrons führen gesonderte Treppen für die Abfahrenden und Ankommenden nach oben, nach dem Niveau der Straße und dort befinden sich auch die Billetexpeditionen, die Warte¬ zimmer und andere derartige Räume. Das Licht fällt in der Regel durch das große Bogendach, welches die Station überdeckt in dieselbe ein. und zwar in so ausreichendem Maaße, daß trotz des Unterirdischen ein freundlicher Ein¬ druck erzielt wird. Die Beleuchtung der Eisenbahnwagen erfolgt durch Gas, so daß man mit Bequemlichkeit seine Zeitung lesen kann und dadurch das unheimliche des beinahe permanenten Tunnels wesentlich gemildert wird. Dicht hinter der nur etwa 90 bis 100 Meter langen Station tritt die Bahn wieder in die Tunnel und es macht einen eigenthümlichen, dämonischen Eindruck, wenn plötzlich aus dem schwarzen Tunnelmund ein Zug angebraust kommt, in un¬ glaublich kurzer Zeit zum Stehen gebracht wird, sodaß durch das scharfe An¬ ziehen der Bremsen die Funken davon fliegen, nun die Passagiere in noch kür¬ zerer Zeit ganz allein, ohne irgend welche Hülfe seitens des Fahrdienstpersonals ein- und aussteigen und sich nun der Zug noch während die Thüren wieder ge¬ schlossen werden rasch, ohne laute Signale, in Bewegung setzt, um ebenso schnell im Tunnel zu verschwinden, als er kurz zuvor aus demselben herausfuhr. Diese unterirdische Bahn und der auf ihr gehandhabte Betrieb ist wohl das Großartigste, was die englische Metropole seit Jahrzehnten, ja wohl seit Jahrhunderten hervorgebracht hat und einige Zahlen mögen in Verbindung mit dem eben Gesagten die Richtigkeit meiner Behauptung beweisen. Gewiß sprechen die Kosten wohl am allerdeutlichsten für die ungeheuren Schwierig¬ keiten, die es zu überwinden galt, besonders wenn man berücksichtigt, daß alle Anlagen zwar in tadelloser Vorzüglichkeit aber ohne allen und jeden äußern Schmuck zur Ausführung gekommen sind. Die Gesammtkosten der Bahn belaufen sich auf etwa 76 Millionen Thaler bei noch nicht 3 deutschen Meilen Länge und wenn man die einzelnen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/110
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/110>, abgerufen am 29.06.2024.