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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Line neue Ausgabe von Siömacher's Spitzemnusterbuch.

Während man auf dem Gebiete der Industrie lange Zeit und bis vor
Kurzem fast ausschließlich auf Vervollkommnung der Technik bedacht war,
waltet seit einigen Jahren in allen civilisirten Staaten das Bestreben ob, die
Erzeugnisse der Industrie auch in formaler Beziehung zu verbessern, d. h. die
Kunst mit den Gewerben und der Industrie wieder in innige Verbindung zu setzen.
Um mustergiltige Gegenstände zu finden, an welchen man den innigen Zusammen¬
hang zwischen Zweck, Technik und Form studiren, die man in einzelnen Fällen
für die Bedürfnisse unserer Tage auch direkt nachbilden kann, sind wir ge¬
nöthigt, uns unter den Ueberresten aller vergangenen Culturperioden und den
Erzeugnissen aller Völker der Erde umzusehen. Wir finden da besonders
drei Gruppen von Gegenständen, die uns lehrreich sind; nämlich die kunstge¬
werblichen Arbeiten aus den vergangenen Blüthenperioden der Kunst, den
Zeiten eines Perikles, Augustus, Leo X., Lorenzo des Prächtigen, Franz I.,
Maximilian I. u. s. w., die Erzeugnisse der Orientalischen Völker, bei denen
in vieler Beziehung eine uralte Tradition im Kunsthandwerk ziemlich unver¬
ändert sich erhalten hat und die unter ähnlichen Verhältnissen wie im Orient
entstehenden Arbeiten an einigen Orten in Europa, welche abseits von den
großen Straßen der Cultur liegen, und so zu sagen von der Weltgeschichte
vergessen sind. Im Orient sowohl als in diesen abgelegenen Orten arbeitet
man noch heute in derselben ursprünglichen und meist vortrefflichen Weise
wie vor tausend Jahren. Die Erzeugnisse der bezeichneten Perioden und
Völker sind für uns höchst werthvoll, werden von den Gewerbe-Museen zum
Zweck der Belehrung eifrigst gesammelt, und, damit ihre Kenntnisse in mög¬
lichst weite Kreise dringe, in guten Abbildungen publicirt (z. B. I^iSvre <ne>I-
lootion Lauvageot, Granes <K Bucher Kunsthandwerk, Fr. Fischbach südslavische
Ornamente u. s. w.

Allein die Originalgegenstände reichen für unsere weitgehenden Be¬
strebungen nicht mehr aus. Wir müssen auch auf ältere Nachbildungen
derselben zurückgehen, auf die Teppiche, gemusterten Seidenstoffe, Schmuck'
gegenstände, Hausgeräthe u. s. w., welche auf alten Bildern dargestellt sind,
auf die von den alten Goldschmieden, Schreinern u. s. w. benutzten, meist in
Kupferstich ausgeführten Musterbücher, die in Handzeichnung erhaltenen Ori¬
ginal-Entwürfe alter Meister und vieles Aehnliche und solche den Kreisen der
Künstler und Fabrikanten zugänglich machen.

Daher haben z. B. Fr. Fischbach und I. v. Glinsky schon vor Jahren
die Muster der seidenen Prachtgewänder, welche auf alten Kirchenbildern und
bemalten Holzstatuen sich finden, gezeichnet, hat eine Verlagshandlung in


Line neue Ausgabe von Siömacher's Spitzemnusterbuch.

Während man auf dem Gebiete der Industrie lange Zeit und bis vor
Kurzem fast ausschließlich auf Vervollkommnung der Technik bedacht war,
waltet seit einigen Jahren in allen civilisirten Staaten das Bestreben ob, die
Erzeugnisse der Industrie auch in formaler Beziehung zu verbessern, d. h. die
Kunst mit den Gewerben und der Industrie wieder in innige Verbindung zu setzen.
Um mustergiltige Gegenstände zu finden, an welchen man den innigen Zusammen¬
hang zwischen Zweck, Technik und Form studiren, die man in einzelnen Fällen
für die Bedürfnisse unserer Tage auch direkt nachbilden kann, sind wir ge¬
nöthigt, uns unter den Ueberresten aller vergangenen Culturperioden und den
Erzeugnissen aller Völker der Erde umzusehen. Wir finden da besonders
drei Gruppen von Gegenständen, die uns lehrreich sind; nämlich die kunstge¬
werblichen Arbeiten aus den vergangenen Blüthenperioden der Kunst, den
Zeiten eines Perikles, Augustus, Leo X., Lorenzo des Prächtigen, Franz I.,
Maximilian I. u. s. w., die Erzeugnisse der Orientalischen Völker, bei denen
in vieler Beziehung eine uralte Tradition im Kunsthandwerk ziemlich unver¬
ändert sich erhalten hat und die unter ähnlichen Verhältnissen wie im Orient
entstehenden Arbeiten an einigen Orten in Europa, welche abseits von den
großen Straßen der Cultur liegen, und so zu sagen von der Weltgeschichte
vergessen sind. Im Orient sowohl als in diesen abgelegenen Orten arbeitet
man noch heute in derselben ursprünglichen und meist vortrefflichen Weise
wie vor tausend Jahren. Die Erzeugnisse der bezeichneten Perioden und
Völker sind für uns höchst werthvoll, werden von den Gewerbe-Museen zum
Zweck der Belehrung eifrigst gesammelt, und, damit ihre Kenntnisse in mög¬
lichst weite Kreise dringe, in guten Abbildungen publicirt (z. B. I^iSvre <ne>I-
lootion Lauvageot, Granes <K Bucher Kunsthandwerk, Fr. Fischbach südslavische
Ornamente u. s. w.

Allein die Originalgegenstände reichen für unsere weitgehenden Be¬
strebungen nicht mehr aus. Wir müssen auch auf ältere Nachbildungen
derselben zurückgehen, auf die Teppiche, gemusterten Seidenstoffe, Schmuck'
gegenstände, Hausgeräthe u. s. w., welche auf alten Bildern dargestellt sind,
auf die von den alten Goldschmieden, Schreinern u. s. w. benutzten, meist in
Kupferstich ausgeführten Musterbücher, die in Handzeichnung erhaltenen Ori¬
ginal-Entwürfe alter Meister und vieles Aehnliche und solche den Kreisen der
Künstler und Fabrikanten zugänglich machen.

Daher haben z. B. Fr. Fischbach und I. v. Glinsky schon vor Jahren
die Muster der seidenen Prachtgewänder, welche auf alten Kirchenbildern und
bemalten Holzstatuen sich finden, gezeichnet, hat eine Verlagshandlung in


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[0436] Line neue Ausgabe von Siömacher's Spitzemnusterbuch. Während man auf dem Gebiete der Industrie lange Zeit und bis vor Kurzem fast ausschließlich auf Vervollkommnung der Technik bedacht war, waltet seit einigen Jahren in allen civilisirten Staaten das Bestreben ob, die Erzeugnisse der Industrie auch in formaler Beziehung zu verbessern, d. h. die Kunst mit den Gewerben und der Industrie wieder in innige Verbindung zu setzen. Um mustergiltige Gegenstände zu finden, an welchen man den innigen Zusammen¬ hang zwischen Zweck, Technik und Form studiren, die man in einzelnen Fällen für die Bedürfnisse unserer Tage auch direkt nachbilden kann, sind wir ge¬ nöthigt, uns unter den Ueberresten aller vergangenen Culturperioden und den Erzeugnissen aller Völker der Erde umzusehen. Wir finden da besonders drei Gruppen von Gegenständen, die uns lehrreich sind; nämlich die kunstge¬ werblichen Arbeiten aus den vergangenen Blüthenperioden der Kunst, den Zeiten eines Perikles, Augustus, Leo X., Lorenzo des Prächtigen, Franz I., Maximilian I. u. s. w., die Erzeugnisse der Orientalischen Völker, bei denen in vieler Beziehung eine uralte Tradition im Kunsthandwerk ziemlich unver¬ ändert sich erhalten hat und die unter ähnlichen Verhältnissen wie im Orient entstehenden Arbeiten an einigen Orten in Europa, welche abseits von den großen Straßen der Cultur liegen, und so zu sagen von der Weltgeschichte vergessen sind. Im Orient sowohl als in diesen abgelegenen Orten arbeitet man noch heute in derselben ursprünglichen und meist vortrefflichen Weise wie vor tausend Jahren. Die Erzeugnisse der bezeichneten Perioden und Völker sind für uns höchst werthvoll, werden von den Gewerbe-Museen zum Zweck der Belehrung eifrigst gesammelt, und, damit ihre Kenntnisse in mög¬ lichst weite Kreise dringe, in guten Abbildungen publicirt (z. B. I^iSvre <ne>I- lootion Lauvageot, Granes <K Bucher Kunsthandwerk, Fr. Fischbach südslavische Ornamente u. s. w. Allein die Originalgegenstände reichen für unsere weitgehenden Be¬ strebungen nicht mehr aus. Wir müssen auch auf ältere Nachbildungen derselben zurückgehen, auf die Teppiche, gemusterten Seidenstoffe, Schmuck' gegenstände, Hausgeräthe u. s. w., welche auf alten Bildern dargestellt sind, auf die von den alten Goldschmieden, Schreinern u. s. w. benutzten, meist in Kupferstich ausgeführten Musterbücher, die in Handzeichnung erhaltenen Ori¬ ginal-Entwürfe alter Meister und vieles Aehnliche und solche den Kreisen der Künstler und Fabrikanten zugänglich machen. Daher haben z. B. Fr. Fischbach und I. v. Glinsky schon vor Jahren die Muster der seidenen Prachtgewänder, welche auf alten Kirchenbildern und bemalten Holzstatuen sich finden, gezeichnet, hat eine Verlagshandlung in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/436>, abgerufen am 22.07.2024.