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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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drückendsten Mangel leidenden Neapolitaner aber nur zu schnell den Ueber¬
gang gesunden. Privathatz und Habgier benutzten die Verhältnisse zum
Plündern und selbst zum Morden; Häuser wurden zertrümmert. Gemälde,
Statuen, Manuscripte geraubt, auch Raphael's Fresken im Vatican arg be-
sudelt, und mit so furchtbarer Grausamkeit hausten Ferdinand's IV. Krieger,
daß die Römer bald allgemein die Franzosen zurückwünschten, die freilich auch
schon 17 Tage nach ihrer Entfernung wieder siegreich bei ihnen einzogen.
In dem auf der Halbinsel fortwogenden Kampfe zwischen den Letzterer"
einerseits, den Oesterreichern, Neapolitanern, Russen, Engländern und Türken
andererseits erreichte durch die glänzenden Waffenerfolge dieser Alliirten auf
wälscher Erde im nächsten Jahre, und speciell durch die von ihnen erzwungene
Kapitulation der schwachen französischen Besatzung der Siebenhügelstadt
(29. September 1799). auch das Possenspiel der römischen Republik sein Ende,
worüber indessen Niemand weniger als die Römer sich zu freuen Ursache er¬
hielten. Da der rechtmäßige Fürst des Kirchenstaates, Pius VI., wie erwähnt,
kurz vorher in Frankreich gestorben, und sein Nachfolger noch nicht erwählt
war, wurde von den genannten Verbündeten nämlich eine sogenannte oberste
Regierun gssunta, als provisorische Regentschaft eingesetzt, welche die den An¬
hängern der Republik in der ewigen Stadt mittelst des erwähnten Vertrages
ertheilte Zusicherung völliger Straflosigkeit für alles Vergangene sogleich un-
gescheut mit Füßen trat und gegen dieselben ganz abscheulich wüthete. Nicht
allein deren Besitzungen wurden im Allgemeinen sequestrirr, dann confiscire,
und dadurch viele Menschen in das größte Elend gestürzt, sondern auch die
ärgsten Gewaltthaten und Mißhandlungen selbst an den achtungswerthesten
Personen verübt. So wurden z. B. Graf Torriglioni ti Färö, der gewesene
republikanische Minister des Innern, ein Mann von hohem Verdienst und
den reinsten Sitten, und die vormaligen ehrwürdigen Konsuln Zaccaleoni
und Mattei unter Peitschenhieben von päpstlichen Sbirren auf Eseln durch die
Stadt geführt, wie es mit Dieben und ähnlichem Gelichter zu geschehen
Pflegte. Auch that diese Regentschaft nicht das Mindeste, um den Zügel-
losigkeiten der Soldateska, besonders der neapolitanischen, zu steuern. Denn
die plünderte nicht nur ohne alle Scheu bei Tag und Nacht in den Kauf¬
läden wie auf den Straßen, sondern ermordete auch mehrere Personen, die
sich gegen ihre Raubsucht vertheidigen wollten. Ein armer Schmied, der gegen
das Verbot einiger neapolitanischer Offiziere von dem ihm gesetzlich zu¬
gesprochenen Rechte Gebrauch zu machen versuchte, an einem Brunnen des
Palastes Farnese Wasser zu schöpfen, wurde von jenen zu Stockprügeln ver¬
urtheilt, an welchen er starb. Bald herrschte der höchste Schrecken in der von
den Neapolitanern so ruchlos mißhandelten ewigen Stadt.




drückendsten Mangel leidenden Neapolitaner aber nur zu schnell den Ueber¬
gang gesunden. Privathatz und Habgier benutzten die Verhältnisse zum
Plündern und selbst zum Morden; Häuser wurden zertrümmert. Gemälde,
Statuen, Manuscripte geraubt, auch Raphael's Fresken im Vatican arg be-
sudelt, und mit so furchtbarer Grausamkeit hausten Ferdinand's IV. Krieger,
daß die Römer bald allgemein die Franzosen zurückwünschten, die freilich auch
schon 17 Tage nach ihrer Entfernung wieder siegreich bei ihnen einzogen.
In dem auf der Halbinsel fortwogenden Kampfe zwischen den Letzterer»
einerseits, den Oesterreichern, Neapolitanern, Russen, Engländern und Türken
andererseits erreichte durch die glänzenden Waffenerfolge dieser Alliirten auf
wälscher Erde im nächsten Jahre, und speciell durch die von ihnen erzwungene
Kapitulation der schwachen französischen Besatzung der Siebenhügelstadt
(29. September 1799). auch das Possenspiel der römischen Republik sein Ende,
worüber indessen Niemand weniger als die Römer sich zu freuen Ursache er¬
hielten. Da der rechtmäßige Fürst des Kirchenstaates, Pius VI., wie erwähnt,
kurz vorher in Frankreich gestorben, und sein Nachfolger noch nicht erwählt
war, wurde von den genannten Verbündeten nämlich eine sogenannte oberste
Regierun gssunta, als provisorische Regentschaft eingesetzt, welche die den An¬
hängern der Republik in der ewigen Stadt mittelst des erwähnten Vertrages
ertheilte Zusicherung völliger Straflosigkeit für alles Vergangene sogleich un-
gescheut mit Füßen trat und gegen dieselben ganz abscheulich wüthete. Nicht
allein deren Besitzungen wurden im Allgemeinen sequestrirr, dann confiscire,
und dadurch viele Menschen in das größte Elend gestürzt, sondern auch die
ärgsten Gewaltthaten und Mißhandlungen selbst an den achtungswerthesten
Personen verübt. So wurden z. B. Graf Torriglioni ti Färö, der gewesene
republikanische Minister des Innern, ein Mann von hohem Verdienst und
den reinsten Sitten, und die vormaligen ehrwürdigen Konsuln Zaccaleoni
und Mattei unter Peitschenhieben von päpstlichen Sbirren auf Eseln durch die
Stadt geführt, wie es mit Dieben und ähnlichem Gelichter zu geschehen
Pflegte. Auch that diese Regentschaft nicht das Mindeste, um den Zügel-
losigkeiten der Soldateska, besonders der neapolitanischen, zu steuern. Denn
die plünderte nicht nur ohne alle Scheu bei Tag und Nacht in den Kauf¬
läden wie auf den Straßen, sondern ermordete auch mehrere Personen, die
sich gegen ihre Raubsucht vertheidigen wollten. Ein armer Schmied, der gegen
das Verbot einiger neapolitanischer Offiziere von dem ihm gesetzlich zu¬
gesprochenen Rechte Gebrauch zu machen versuchte, an einem Brunnen des
Palastes Farnese Wasser zu schöpfen, wurde von jenen zu Stockprügeln ver¬
urtheilt, an welchen er starb. Bald herrschte der höchste Schrecken in der von
den Neapolitanern so ruchlos mißhandelten ewigen Stadt.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/435>, abgerufen am 22.07.2024.