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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Die finanzielle Lage der Universität Zena.
i.

Die Thüringer sind leicht zu zählen, denen das Herz nicht aufgeht, wenn
der Name des alten Jena erschallt. Nicht blos für diejenigen die dort als
Studenten jubilirt und gelernt haben, beides zugleich, oder eines allein, auch
für diejenigen, welche niemals der Universität angehörten, ist Jena der
Mittelpunkt des geistigen Lebens der ganzen Landschaft, ein idealer Einheits¬
punkt inmitten einer oft genug widerwärtig empfundenen, in Deutschland jetzt
einzig dastehenden territorialen Zersplitterung.

Auch im ganzen Reiche und über das Reich hinaus hat Jena und seine
Hochschule einen guten Klang. Mehr als irgend eine andere unter den
kleineren deutschen Universitäten besitzt Jena seit Alters einen universellen
Charakter. Seine Studierenden kommen noch heute nicht ausschließlich oder
auch nur vorwiegend aus den zur Erhaltung der Akademie vereinten Herzog-
thümern der Thüringischen Staaten; sein Kontingent von Studenten setzt
sich in der That aus Söhnen aller Staaten und Provinzen Deutschlands zu¬
sammen und wird häufig durch Zuzug aus außerdeutschen Staaten verstärkt.
So noch heute. Die Frequenz ist nicht im Abnehmen begriffen. Bringt man
den Ausfall in Anschlag, den das durch unglückliche Verhältnisse tief gesunkene,
jetzt erst allmählich wieder auflebende landwirtschaftliche Institut aufweist,
so ist die Störung durch den großen Krieg von 1870 vollständig verwunden,
das Verzeichnis? der Studierenden auf der Höhe der besten Jahre seit 1848.
Die Lage der Stadt in dem Saalthale, der Reiz des im kleinstädtischen Ver¬
hältnisse allein möglichen studentischen Lebens, die nähere Berührung mit den
Lehrern, der Vortheil des engeren Kreises für das wissenschaftliche Studium
übt ebenso sehr seine Anziehungskraft, als auf der anderen Seite neuerdings
die Entwicklung der Stadt zu größerem Komfort, die bis dahin oft vermißte
Eisenbahnverbindung und Aehnliches zu Hülfe kommt.

Es wäre überflüssig, hier zu schildern, was Jena in der Vergangenheit
gewesen ist und geleistet hat. Eine Fülle berühmter Namen, die an der
hochherzigen Stiftung des Kurfürsten Johann Friedrich gewirkt haben, taucht
in der Erinnerung aus. Hat Jena in vergangenen Jahrhunderten seinen


Grenzboten III. 1S74. 36
Die finanzielle Lage der Universität Zena.
i.

Die Thüringer sind leicht zu zählen, denen das Herz nicht aufgeht, wenn
der Name des alten Jena erschallt. Nicht blos für diejenigen die dort als
Studenten jubilirt und gelernt haben, beides zugleich, oder eines allein, auch
für diejenigen, welche niemals der Universität angehörten, ist Jena der
Mittelpunkt des geistigen Lebens der ganzen Landschaft, ein idealer Einheits¬
punkt inmitten einer oft genug widerwärtig empfundenen, in Deutschland jetzt
einzig dastehenden territorialen Zersplitterung.

Auch im ganzen Reiche und über das Reich hinaus hat Jena und seine
Hochschule einen guten Klang. Mehr als irgend eine andere unter den
kleineren deutschen Universitäten besitzt Jena seit Alters einen universellen
Charakter. Seine Studierenden kommen noch heute nicht ausschließlich oder
auch nur vorwiegend aus den zur Erhaltung der Akademie vereinten Herzog-
thümern der Thüringischen Staaten; sein Kontingent von Studenten setzt
sich in der That aus Söhnen aller Staaten und Provinzen Deutschlands zu¬
sammen und wird häufig durch Zuzug aus außerdeutschen Staaten verstärkt.
So noch heute. Die Frequenz ist nicht im Abnehmen begriffen. Bringt man
den Ausfall in Anschlag, den das durch unglückliche Verhältnisse tief gesunkene,
jetzt erst allmählich wieder auflebende landwirtschaftliche Institut aufweist,
so ist die Störung durch den großen Krieg von 1870 vollständig verwunden,
das Verzeichnis? der Studierenden auf der Höhe der besten Jahre seit 1848.
Die Lage der Stadt in dem Saalthale, der Reiz des im kleinstädtischen Ver¬
hältnisse allein möglichen studentischen Lebens, die nähere Berührung mit den
Lehrern, der Vortheil des engeren Kreises für das wissenschaftliche Studium
übt ebenso sehr seine Anziehungskraft, als auf der anderen Seite neuerdings
die Entwicklung der Stadt zu größerem Komfort, die bis dahin oft vermißte
Eisenbahnverbindung und Aehnliches zu Hülfe kommt.

Es wäre überflüssig, hier zu schildern, was Jena in der Vergangenheit
gewesen ist und geleistet hat. Eine Fülle berühmter Namen, die an der
hochherzigen Stiftung des Kurfürsten Johann Friedrich gewirkt haben, taucht
in der Erinnerung aus. Hat Jena in vergangenen Jahrhunderten seinen


Grenzboten III. 1S74. 36
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[0289] Die finanzielle Lage der Universität Zena. i. Die Thüringer sind leicht zu zählen, denen das Herz nicht aufgeht, wenn der Name des alten Jena erschallt. Nicht blos für diejenigen die dort als Studenten jubilirt und gelernt haben, beides zugleich, oder eines allein, auch für diejenigen, welche niemals der Universität angehörten, ist Jena der Mittelpunkt des geistigen Lebens der ganzen Landschaft, ein idealer Einheits¬ punkt inmitten einer oft genug widerwärtig empfundenen, in Deutschland jetzt einzig dastehenden territorialen Zersplitterung. Auch im ganzen Reiche und über das Reich hinaus hat Jena und seine Hochschule einen guten Klang. Mehr als irgend eine andere unter den kleineren deutschen Universitäten besitzt Jena seit Alters einen universellen Charakter. Seine Studierenden kommen noch heute nicht ausschließlich oder auch nur vorwiegend aus den zur Erhaltung der Akademie vereinten Herzog- thümern der Thüringischen Staaten; sein Kontingent von Studenten setzt sich in der That aus Söhnen aller Staaten und Provinzen Deutschlands zu¬ sammen und wird häufig durch Zuzug aus außerdeutschen Staaten verstärkt. So noch heute. Die Frequenz ist nicht im Abnehmen begriffen. Bringt man den Ausfall in Anschlag, den das durch unglückliche Verhältnisse tief gesunkene, jetzt erst allmählich wieder auflebende landwirtschaftliche Institut aufweist, so ist die Störung durch den großen Krieg von 1870 vollständig verwunden, das Verzeichnis? der Studierenden auf der Höhe der besten Jahre seit 1848. Die Lage der Stadt in dem Saalthale, der Reiz des im kleinstädtischen Ver¬ hältnisse allein möglichen studentischen Lebens, die nähere Berührung mit den Lehrern, der Vortheil des engeren Kreises für das wissenschaftliche Studium übt ebenso sehr seine Anziehungskraft, als auf der anderen Seite neuerdings die Entwicklung der Stadt zu größerem Komfort, die bis dahin oft vermißte Eisenbahnverbindung und Aehnliches zu Hülfe kommt. Es wäre überflüssig, hier zu schildern, was Jena in der Vergangenheit gewesen ist und geleistet hat. Eine Fülle berühmter Namen, die an der hochherzigen Stiftung des Kurfürsten Johann Friedrich gewirkt haben, taucht in der Erinnerung aus. Hat Jena in vergangenen Jahrhunderten seinen Grenzboten III. 1S74. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/289>, abgerufen am 03.07.2024.