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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Platz unter den deutschen Schwesteruniversitäten glücklich behauptet, so hat es
denselben auch in diesem Jahrhundert würdig behauptet und behauptet ihn.
das darf ohne Ruhmredigkeit ausgesprochen werden, noch heute. Der Hauch
freier Forschung, echter wissenschaftlicher Wahrheit ist nicht verschwunden, die
Gelegenheit zu lernen im ganzen Umkreise der Wissenschaften nicht schlechter
geworden.

Alle Bedingungen scheinen eigentlich zusammenzutreffen, um Jena von
Neuem Aussicht auf eine blühende Zukunft zu eröffnen. Nicht ohne Grund
sind Viele der Meinung, daß ein Rückschlag von den Masienansammlungen
unserer zur Zeit größten Universitäten nicht ausbleiben wird. Thatsache ist,
daß eine Reihe kleinerer Hochschulen wieder in Zunahme begriffen sind und
unzweifelhaft darf Jena von dieser Rückströmung seinen Antheil mit mehr
Zuversicht erwarten, als manche andere Universität. Die wissenschaftliche
Freizügigkeit, welche durch die Gestaltung des Reiches erzeugt, sich über ver¬
schiedene Branchen bereits erstreckt und über noch mehrere demnächst sich er¬
strecken wird, kann vollends einer in sich lebenskräftigen Universität nur zu
Statten kommen.

Keine Hochschule hat idealer und intensiver für Deutschlands Größe und
Einigkeit geschwärmt seit 1815. als Jena. Noch ist in frischer Erinnerung,
was es darum gelitten hat. Nun ist das damals erträumte Reich da. Ist
es nicht ein tragisches Schicksal, daß bald nach Gründung des neuen deutschen
Reiches immer wieder und mit verdoppelter Macht die Zweifelsfrage auf¬
tritt, ob die Universität Jena zu erhalten sein wird, oder nicht? Sie
kränkelt nicht, weil ihr der rechte Boden oder der rechte Geist fehlte. Zur
Stunde fühlt sie sich noch frisch und kräftig. Und dennoch die Frage: wie
wird es in der Zukunft, ja schon in der nächsten Zukunft werden? Lediglich
wegen des prosaischen Dinges, Geld genannt.

Um eine Universität auf ordentlichem Fuße zu erhalten, ist allerdings,
wie Jedermann weiß, Geld und noch einmal Geld nöthig. Ohne dies un¬
entbehrliche Mittel ist es nicht möglich, die Stätte der Wissenschaft zu sichern.
Das ist es, was als schreckendes Gespenst sich vor alle sonst so günstigen
Hoffnungen stellt, der Mangel an dem nervus Fereliclai-um rerum. Gewiß
ein tragisches Geschick, wenn nichts Anderes als leidiger Geldmangel eine alt¬
berühmte Universität, die sonst alle Bedingungen des Gedeihens in sich trägt,
mit Verkümmerung bedroht in derselben Zeit, wo fast in allen übrigen Staaten
der regste Eifer herrscht, die Universitäten mit vermehrten Mitteln auszu¬
statten und in derselben Zeit, wo sich in jeder anderen Beziehung ihre Aspekten
günstiger gestalten, als seit Dezennien.

Jena ist schwer gefährdet durch Finanznoth und allein durch Finanz¬
noth. Diese Thatsache vor ganz Deutschland offen auszusprechen, ihre Gründe


Platz unter den deutschen Schwesteruniversitäten glücklich behauptet, so hat es
denselben auch in diesem Jahrhundert würdig behauptet und behauptet ihn.
das darf ohne Ruhmredigkeit ausgesprochen werden, noch heute. Der Hauch
freier Forschung, echter wissenschaftlicher Wahrheit ist nicht verschwunden, die
Gelegenheit zu lernen im ganzen Umkreise der Wissenschaften nicht schlechter
geworden.

Alle Bedingungen scheinen eigentlich zusammenzutreffen, um Jena von
Neuem Aussicht auf eine blühende Zukunft zu eröffnen. Nicht ohne Grund
sind Viele der Meinung, daß ein Rückschlag von den Masienansammlungen
unserer zur Zeit größten Universitäten nicht ausbleiben wird. Thatsache ist,
daß eine Reihe kleinerer Hochschulen wieder in Zunahme begriffen sind und
unzweifelhaft darf Jena von dieser Rückströmung seinen Antheil mit mehr
Zuversicht erwarten, als manche andere Universität. Die wissenschaftliche
Freizügigkeit, welche durch die Gestaltung des Reiches erzeugt, sich über ver¬
schiedene Branchen bereits erstreckt und über noch mehrere demnächst sich er¬
strecken wird, kann vollends einer in sich lebenskräftigen Universität nur zu
Statten kommen.

Keine Hochschule hat idealer und intensiver für Deutschlands Größe und
Einigkeit geschwärmt seit 1815. als Jena. Noch ist in frischer Erinnerung,
was es darum gelitten hat. Nun ist das damals erträumte Reich da. Ist
es nicht ein tragisches Schicksal, daß bald nach Gründung des neuen deutschen
Reiches immer wieder und mit verdoppelter Macht die Zweifelsfrage auf¬
tritt, ob die Universität Jena zu erhalten sein wird, oder nicht? Sie
kränkelt nicht, weil ihr der rechte Boden oder der rechte Geist fehlte. Zur
Stunde fühlt sie sich noch frisch und kräftig. Und dennoch die Frage: wie
wird es in der Zukunft, ja schon in der nächsten Zukunft werden? Lediglich
wegen des prosaischen Dinges, Geld genannt.

Um eine Universität auf ordentlichem Fuße zu erhalten, ist allerdings,
wie Jedermann weiß, Geld und noch einmal Geld nöthig. Ohne dies un¬
entbehrliche Mittel ist es nicht möglich, die Stätte der Wissenschaft zu sichern.
Das ist es, was als schreckendes Gespenst sich vor alle sonst so günstigen
Hoffnungen stellt, der Mangel an dem nervus Fereliclai-um rerum. Gewiß
ein tragisches Geschick, wenn nichts Anderes als leidiger Geldmangel eine alt¬
berühmte Universität, die sonst alle Bedingungen des Gedeihens in sich trägt,
mit Verkümmerung bedroht in derselben Zeit, wo fast in allen übrigen Staaten
der regste Eifer herrscht, die Universitäten mit vermehrten Mitteln auszu¬
statten und in derselben Zeit, wo sich in jeder anderen Beziehung ihre Aspekten
günstiger gestalten, als seit Dezennien.

Jena ist schwer gefährdet durch Finanznoth und allein durch Finanz¬
noth. Diese Thatsache vor ganz Deutschland offen auszusprechen, ihre Gründe


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[0290] Platz unter den deutschen Schwesteruniversitäten glücklich behauptet, so hat es denselben auch in diesem Jahrhundert würdig behauptet und behauptet ihn. das darf ohne Ruhmredigkeit ausgesprochen werden, noch heute. Der Hauch freier Forschung, echter wissenschaftlicher Wahrheit ist nicht verschwunden, die Gelegenheit zu lernen im ganzen Umkreise der Wissenschaften nicht schlechter geworden. Alle Bedingungen scheinen eigentlich zusammenzutreffen, um Jena von Neuem Aussicht auf eine blühende Zukunft zu eröffnen. Nicht ohne Grund sind Viele der Meinung, daß ein Rückschlag von den Masienansammlungen unserer zur Zeit größten Universitäten nicht ausbleiben wird. Thatsache ist, daß eine Reihe kleinerer Hochschulen wieder in Zunahme begriffen sind und unzweifelhaft darf Jena von dieser Rückströmung seinen Antheil mit mehr Zuversicht erwarten, als manche andere Universität. Die wissenschaftliche Freizügigkeit, welche durch die Gestaltung des Reiches erzeugt, sich über ver¬ schiedene Branchen bereits erstreckt und über noch mehrere demnächst sich er¬ strecken wird, kann vollends einer in sich lebenskräftigen Universität nur zu Statten kommen. Keine Hochschule hat idealer und intensiver für Deutschlands Größe und Einigkeit geschwärmt seit 1815. als Jena. Noch ist in frischer Erinnerung, was es darum gelitten hat. Nun ist das damals erträumte Reich da. Ist es nicht ein tragisches Schicksal, daß bald nach Gründung des neuen deutschen Reiches immer wieder und mit verdoppelter Macht die Zweifelsfrage auf¬ tritt, ob die Universität Jena zu erhalten sein wird, oder nicht? Sie kränkelt nicht, weil ihr der rechte Boden oder der rechte Geist fehlte. Zur Stunde fühlt sie sich noch frisch und kräftig. Und dennoch die Frage: wie wird es in der Zukunft, ja schon in der nächsten Zukunft werden? Lediglich wegen des prosaischen Dinges, Geld genannt. Um eine Universität auf ordentlichem Fuße zu erhalten, ist allerdings, wie Jedermann weiß, Geld und noch einmal Geld nöthig. Ohne dies un¬ entbehrliche Mittel ist es nicht möglich, die Stätte der Wissenschaft zu sichern. Das ist es, was als schreckendes Gespenst sich vor alle sonst so günstigen Hoffnungen stellt, der Mangel an dem nervus Fereliclai-um rerum. Gewiß ein tragisches Geschick, wenn nichts Anderes als leidiger Geldmangel eine alt¬ berühmte Universität, die sonst alle Bedingungen des Gedeihens in sich trägt, mit Verkümmerung bedroht in derselben Zeit, wo fast in allen übrigen Staaten der regste Eifer herrscht, die Universitäten mit vermehrten Mitteln auszu¬ statten und in derselben Zeit, wo sich in jeder anderen Beziehung ihre Aspekten günstiger gestalten, als seit Dezennien. Jena ist schwer gefährdet durch Finanznoth und allein durch Finanz¬ noth. Diese Thatsache vor ganz Deutschland offen auszusprechen, ihre Gründe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/290>, abgerufen am 22.07.2024.