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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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ihn unter anderm auch, daß er im Kaffehaus den Hut aufbehalten darf, in
den besseren Restaurationen aber, will er nicht für ungeschliffen gelten, ab¬
nehmen muß. Der Führer stellt sich wie ein Advokat neben dem Fremdling,
er sagt ihm: so behandle das grauenvolle Geschlecht der taxelosen Droschken¬
kutscher, so benimm dich gegen den Zahlkellner; er übersetzt die dem Nord¬
deutschen nur halb verständliche Speisenkarte, giebt aus dem Gewühl der tau¬
sende von Geschäften die soliden Adressen an, falls Einkäufe gemacht werden
sollen, und erläutert die Verhältnisse der Zeitungspresse, die in Wien bekannt¬
lich eine ganz andere Rolle als als bei uns spielt. Hier hätten wir nun gern
gesehen, daß noch größerer Nachdruck auf die Corruption selbst weltberühmter
Organe gelegt worden wäre und daß die "Deutsche Zeitung" mehr lobend
herausgestrichen worden wäre. Sie ist gerade eins von den wenigen Blättern,
die sich frei von Bestechlichkeit .halten, und allzeit treu zum deutschen Reiche
stehen. Wir unterschreiben durchaus nicht, daß sie einem andern vielgenann¬
ten Blatte "an Gediegenheit des Inhalts nachstehe", empfehlen sie vielmehr
angelegentlich als nationales deutsches Blatt, gegenüber anderen schwankenden
Blättern Wiens, für die Orientirung über österreichische Verhältnisse in
Deutschland. Es ist unpraktisch in einem deutschen Führer unsrem besten
Freunde in Wien eins anzuhängen und wir hoffen, daß der Führer in seiner
zweiten Auflage dieses Versehen berichtige.

Daß alle Sehenswürdigkeiten ausführlich besprochen werden, ist selbst¬
verständlich; auch die reizenden Umgebungen werden genau berücksichtigt; Ex-
cursionen nach dem Semmering und Triest, nach Pest und Ofen beschrieben.
Den Schluß bildet auf 40 Seiten die Weltausstellung, von der ein vollkom¬
men genügender Plan beigefügt ist. Specialkataloge, wie sie in der Aus¬
stellung zu kaufen sind, ergänzen das hier gesagte, von dem wir nur bewun¬
dern, wie es während der Entstehung der Ausstellung so gut und schnell
Richard Andree. ausgearbeitet werden konnte.




Lin Postscriptum.
Von
W. Maar.

In meinem zweiten dem deutschen Journalistentag gewidmeten Artikel
glaube. ich ein für die Discussion höchst wichtiges Moment nicht gebührend
hervorgehoben zu haben.

Unsere journalistische Anonymität ist in meinen Augen nämlich ge-
geradezu eine Versündigung gegen das Publikum, ja gegen unsere
ganze Nation.


ihn unter anderm auch, daß er im Kaffehaus den Hut aufbehalten darf, in
den besseren Restaurationen aber, will er nicht für ungeschliffen gelten, ab¬
nehmen muß. Der Führer stellt sich wie ein Advokat neben dem Fremdling,
er sagt ihm: so behandle das grauenvolle Geschlecht der taxelosen Droschken¬
kutscher, so benimm dich gegen den Zahlkellner; er übersetzt die dem Nord¬
deutschen nur halb verständliche Speisenkarte, giebt aus dem Gewühl der tau¬
sende von Geschäften die soliden Adressen an, falls Einkäufe gemacht werden
sollen, und erläutert die Verhältnisse der Zeitungspresse, die in Wien bekannt¬
lich eine ganz andere Rolle als als bei uns spielt. Hier hätten wir nun gern
gesehen, daß noch größerer Nachdruck auf die Corruption selbst weltberühmter
Organe gelegt worden wäre und daß die „Deutsche Zeitung" mehr lobend
herausgestrichen worden wäre. Sie ist gerade eins von den wenigen Blättern,
die sich frei von Bestechlichkeit .halten, und allzeit treu zum deutschen Reiche
stehen. Wir unterschreiben durchaus nicht, daß sie einem andern vielgenann¬
ten Blatte „an Gediegenheit des Inhalts nachstehe", empfehlen sie vielmehr
angelegentlich als nationales deutsches Blatt, gegenüber anderen schwankenden
Blättern Wiens, für die Orientirung über österreichische Verhältnisse in
Deutschland. Es ist unpraktisch in einem deutschen Führer unsrem besten
Freunde in Wien eins anzuhängen und wir hoffen, daß der Führer in seiner
zweiten Auflage dieses Versehen berichtige.

Daß alle Sehenswürdigkeiten ausführlich besprochen werden, ist selbst¬
verständlich; auch die reizenden Umgebungen werden genau berücksichtigt; Ex-
cursionen nach dem Semmering und Triest, nach Pest und Ofen beschrieben.
Den Schluß bildet auf 40 Seiten die Weltausstellung, von der ein vollkom¬
men genügender Plan beigefügt ist. Specialkataloge, wie sie in der Aus¬
stellung zu kaufen sind, ergänzen das hier gesagte, von dem wir nur bewun¬
dern, wie es während der Entstehung der Ausstellung so gut und schnell
Richard Andree. ausgearbeitet werden konnte.




Lin Postscriptum.
Von
W. Maar.

In meinem zweiten dem deutschen Journalistentag gewidmeten Artikel
glaube. ich ein für die Discussion höchst wichtiges Moment nicht gebührend
hervorgehoben zu haben.

Unsere journalistische Anonymität ist in meinen Augen nämlich ge-
geradezu eine Versündigung gegen das Publikum, ja gegen unsere
ganze Nation.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/86>, abgerufen am 05.02.2025.