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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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Staatsrechtslehrer, der zu untersuchen hat, ob seine Jnstructionen mit den
vagen und zweifelhaften Sätzen des Völkerrechtes irn Einklang stehen oder
nicht . . . Ein Offizier, der denselben zuwider handelt, mußte abberufen
werden, denn er hat die erste militärische Pflicht, den Gehorsam verletzt . . .
Es ist unbegreiflich, wie diesem militärischen Fundamentalsatz gegenüber die
Frage fortwährend auf ein nicht hierher gehöriges Gebiet gespielt werden,
wie fortwährend von einem Opfer politischer Erwägungen die Rede sein kann,
wenn ein unfolgsamer Soldat abberufen wird."

Wenn aber irgend jemand bisher noch daran gezweifelt hat, daß das
Beharren bei vorgefaßten Meinungen bei uns als ein Erfordernis) des poli¬
tischen Charakters betrachtet wird, der mag durch die Haltung des größeren
Theils der deutschen Presse nach diesen "Enthüllungen" sich überzeugen lassen.
Mit der größten Hartnäckigkeit ist die hanseatische Presse -- und mit ihr der
Chorus der Binnenlandszeitungen -- bei ihren "großen" politischen Gesichts¬
punkten verblieben. Militärische Disciplin? -- so kann man alle neueren
Leitartikel dieser Farbe zusammenfassen -- was ist uns Hecuba? Zum min¬
desten verlangen sie, daß nicht der Befehlshaber, welcher die Segelordres und
diplomatischen Vorschriften erläßt, fondern der einzelne Schiffskapitän berufen
sei, darüber zu entscheiden, wie jene Befehle auszulegen seien. Die deutsche
Zeitschrift aber, welche sich so schwer gegen die höchsten Autoritäten des Reiches
vergangen hat, hat nicht einmal für nöthig befunden, ihren Lesern bisher von
den neueren amtlichen Aufklärungen Mittheilung zu machen.

Die Grenzboten sind in guten und bösen Tagen bei der liberalen Presse
gestanden. Aber eben darum erfüllen sie die Freundespflicht, den anstrebenden
Genossen rückhaltlos die Wahrheit zu sagen. Sie sind weit entfernt von
dem Kapitän Werner gering zu denken. Sie freuen sich aufrichtig der neuesten
Zeitungsnachrichten, welche melden, daß der Kapitän die Leitung der Reichs-
oberseebehörde übernehmen werde, und der einstündige Besuch Moltke's bei
Werner in Wilhelmshaven darf wohl als Bürgschaft dafür gelten, daß diese
Hoffnung in Erfüllung gehe. Aber diese Blätter sind auch stets der Ueber¬
zeugung gewesen, daß die nationalen Interessen durch die Presse durch nichts so
schwer geschädigt werden können, als wenn nationale Organe in unberechtigter
Weise an der Thätigkeit unsrer leitenden Politiker Kritik üben.


Hans Blum.


Jenes. Ircmz Leo Waldeck von K. A Hppenijeim.

H. B. Oppenheim hat diesen Sommer im Verlage von Robert Oppen¬
heim in Berlin eine Lebensbeschreibung Waldeck's, des Führers der preußi¬
schen Demokratie von 1848. bis 1870,, erscheinen lassen. H. B. Oppenheim


Staatsrechtslehrer, der zu untersuchen hat, ob seine Jnstructionen mit den
vagen und zweifelhaften Sätzen des Völkerrechtes irn Einklang stehen oder
nicht . . . Ein Offizier, der denselben zuwider handelt, mußte abberufen
werden, denn er hat die erste militärische Pflicht, den Gehorsam verletzt . . .
Es ist unbegreiflich, wie diesem militärischen Fundamentalsatz gegenüber die
Frage fortwährend auf ein nicht hierher gehöriges Gebiet gespielt werden,
wie fortwährend von einem Opfer politischer Erwägungen die Rede sein kann,
wenn ein unfolgsamer Soldat abberufen wird."

Wenn aber irgend jemand bisher noch daran gezweifelt hat, daß das
Beharren bei vorgefaßten Meinungen bei uns als ein Erfordernis) des poli¬
tischen Charakters betrachtet wird, der mag durch die Haltung des größeren
Theils der deutschen Presse nach diesen „Enthüllungen" sich überzeugen lassen.
Mit der größten Hartnäckigkeit ist die hanseatische Presse — und mit ihr der
Chorus der Binnenlandszeitungen — bei ihren „großen" politischen Gesichts¬
punkten verblieben. Militärische Disciplin? — so kann man alle neueren
Leitartikel dieser Farbe zusammenfassen — was ist uns Hecuba? Zum min¬
desten verlangen sie, daß nicht der Befehlshaber, welcher die Segelordres und
diplomatischen Vorschriften erläßt, fondern der einzelne Schiffskapitän berufen
sei, darüber zu entscheiden, wie jene Befehle auszulegen seien. Die deutsche
Zeitschrift aber, welche sich so schwer gegen die höchsten Autoritäten des Reiches
vergangen hat, hat nicht einmal für nöthig befunden, ihren Lesern bisher von
den neueren amtlichen Aufklärungen Mittheilung zu machen.

Die Grenzboten sind in guten und bösen Tagen bei der liberalen Presse
gestanden. Aber eben darum erfüllen sie die Freundespflicht, den anstrebenden
Genossen rückhaltlos die Wahrheit zu sagen. Sie sind weit entfernt von
dem Kapitän Werner gering zu denken. Sie freuen sich aufrichtig der neuesten
Zeitungsnachrichten, welche melden, daß der Kapitän die Leitung der Reichs-
oberseebehörde übernehmen werde, und der einstündige Besuch Moltke's bei
Werner in Wilhelmshaven darf wohl als Bürgschaft dafür gelten, daß diese
Hoffnung in Erfüllung gehe. Aber diese Blätter sind auch stets der Ueber¬
zeugung gewesen, daß die nationalen Interessen durch die Presse durch nichts so
schwer geschädigt werden können, als wenn nationale Organe in unberechtigter
Weise an der Thätigkeit unsrer leitenden Politiker Kritik üben.


Hans Blum.


Jenes. Ircmz Leo Waldeck von K. A Hppenijeim.

H. B. Oppenheim hat diesen Sommer im Verlage von Robert Oppen¬
heim in Berlin eine Lebensbeschreibung Waldeck's, des Führers der preußi¬
schen Demokratie von 1848. bis 1870,, erscheinen lassen. H. B. Oppenheim


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[0524] Staatsrechtslehrer, der zu untersuchen hat, ob seine Jnstructionen mit den vagen und zweifelhaften Sätzen des Völkerrechtes irn Einklang stehen oder nicht . . . Ein Offizier, der denselben zuwider handelt, mußte abberufen werden, denn er hat die erste militärische Pflicht, den Gehorsam verletzt . . . Es ist unbegreiflich, wie diesem militärischen Fundamentalsatz gegenüber die Frage fortwährend auf ein nicht hierher gehöriges Gebiet gespielt werden, wie fortwährend von einem Opfer politischer Erwägungen die Rede sein kann, wenn ein unfolgsamer Soldat abberufen wird." Wenn aber irgend jemand bisher noch daran gezweifelt hat, daß das Beharren bei vorgefaßten Meinungen bei uns als ein Erfordernis) des poli¬ tischen Charakters betrachtet wird, der mag durch die Haltung des größeren Theils der deutschen Presse nach diesen „Enthüllungen" sich überzeugen lassen. Mit der größten Hartnäckigkeit ist die hanseatische Presse — und mit ihr der Chorus der Binnenlandszeitungen — bei ihren „großen" politischen Gesichts¬ punkten verblieben. Militärische Disciplin? — so kann man alle neueren Leitartikel dieser Farbe zusammenfassen — was ist uns Hecuba? Zum min¬ desten verlangen sie, daß nicht der Befehlshaber, welcher die Segelordres und diplomatischen Vorschriften erläßt, fondern der einzelne Schiffskapitän berufen sei, darüber zu entscheiden, wie jene Befehle auszulegen seien. Die deutsche Zeitschrift aber, welche sich so schwer gegen die höchsten Autoritäten des Reiches vergangen hat, hat nicht einmal für nöthig befunden, ihren Lesern bisher von den neueren amtlichen Aufklärungen Mittheilung zu machen. Die Grenzboten sind in guten und bösen Tagen bei der liberalen Presse gestanden. Aber eben darum erfüllen sie die Freundespflicht, den anstrebenden Genossen rückhaltlos die Wahrheit zu sagen. Sie sind weit entfernt von dem Kapitän Werner gering zu denken. Sie freuen sich aufrichtig der neuesten Zeitungsnachrichten, welche melden, daß der Kapitän die Leitung der Reichs- oberseebehörde übernehmen werde, und der einstündige Besuch Moltke's bei Werner in Wilhelmshaven darf wohl als Bürgschaft dafür gelten, daß diese Hoffnung in Erfüllung gehe. Aber diese Blätter sind auch stets der Ueber¬ zeugung gewesen, daß die nationalen Interessen durch die Presse durch nichts so schwer geschädigt werden können, als wenn nationale Organe in unberechtigter Weise an der Thätigkeit unsrer leitenden Politiker Kritik üben. Hans Blum. Jenes. Ircmz Leo Waldeck von K. A Hppenijeim. H. B. Oppenheim hat diesen Sommer im Verlage von Robert Oppen¬ heim in Berlin eine Lebensbeschreibung Waldeck's, des Führers der preußi¬ schen Demokratie von 1848. bis 1870,, erscheinen lassen. H. B. Oppenheim

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/524>, abgerufen am 05.02.2025.