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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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verer an ihrem Feuer Stöckchen mit flatternden Fähnchen aus Kava aufsteck¬
ten, kam Kiaumoku, der Bruder Kaahumanu's, trunkner Muthes und zerbrach
eines der Fähnchen, und daraus zog man den Schluß, daß Kaahumanu und
ihre Freunde den Tod des Königs bewirkt, und verfolgte sie mit allerlei
Schmähungen.

Hier hat man jetzt den Contrast zwischen einst und jetzt. Die große Königin
Kaahumanu, die während der furchtbaren Orchien, welche auf den Tod des Kö¬
nigs folgten, mit allerlei Schmähungen verfolgt wurde, ist später eine fromme
Christin und eine standhafte und mächtige Freundin der Missionäre geworden.

Hunde wurden damals und werden noch jetzt von den Eingebornen für
den Metzgerladen aufgezogen und gemästet, daher die Bemerkung in Betreff
ihres Werthes im Obigen.

Vor vierzig Jahren war es auf den Inseln Gebrauch, nach dem Tode
eines Königs für eine Reihe von Tagen alle Gesetze als nicht vorhanden zu
betrachten, und dann folgten Saturnalien, die man sich nach Belieben aus¬
malen, aber nicht in ihrer ganzen überaus greuelvollen Wirklichkeit vorstellen
kann. Die Leute rasirten sich die Köpfe, schlugen sich einen oder ein paar Zähne
ein, rissen sich bisweilen ein Auge aus, schnitten, schlugen, brannten sich ins
Fleisch, verstümmelten sich, betranken sich, zündeten dem Nachbar die Hütte an,
prügelten einander, je nach der Laune des Augenblicks halb oder ganz todt,
und beide Geschlechter gaben sich viehischen und ungezügelten Ausschweifungen
hin. Und dann folgte eine dumpfe Erschlaffung, aus welcher die Nation sich
langsam erhob, wie von einem entsetzlichen halb in der Erinnerung gebliebner
Traume vom Nachtmahr. In der That, sie waren nicht gerade das Salz
der Erde, diese "sanften Kinder der Sonne".




Jas deutsche Schulwesen im vorigen Jahrhundert.
i.
Von Dr. K. B.

Das öffentliche Unterrichtswesen und die Volksbildung im Allgemeinen
ist eben jetzt in Deutschland der Gegenstand wetteifernder Bestrebungen von
Seiten vieler Regierungen und Gesetzgebungen so wie einer Menge von Pri¬
vatvereinen aller Art. Die Verbesserung der äußeren Verhältnisse der Schule
und ihrer Lehrer, eine geordnete und intelligente Schulaufsicht, sodann die
Vervollkommnung des Unterrichts selbst und seiner Methode, eine intensive und
extensive Erweiterung der Lehrstoffe, die Verbreiterung und Vertiefung der Bil¬
dungsresultate auch über den begrenzten Cursus der gewöhnlichen Schule,


verer an ihrem Feuer Stöckchen mit flatternden Fähnchen aus Kava aufsteck¬
ten, kam Kiaumoku, der Bruder Kaahumanu's, trunkner Muthes und zerbrach
eines der Fähnchen, und daraus zog man den Schluß, daß Kaahumanu und
ihre Freunde den Tod des Königs bewirkt, und verfolgte sie mit allerlei
Schmähungen.

Hier hat man jetzt den Contrast zwischen einst und jetzt. Die große Königin
Kaahumanu, die während der furchtbaren Orchien, welche auf den Tod des Kö¬
nigs folgten, mit allerlei Schmähungen verfolgt wurde, ist später eine fromme
Christin und eine standhafte und mächtige Freundin der Missionäre geworden.

Hunde wurden damals und werden noch jetzt von den Eingebornen für
den Metzgerladen aufgezogen und gemästet, daher die Bemerkung in Betreff
ihres Werthes im Obigen.

Vor vierzig Jahren war es auf den Inseln Gebrauch, nach dem Tode
eines Königs für eine Reihe von Tagen alle Gesetze als nicht vorhanden zu
betrachten, und dann folgten Saturnalien, die man sich nach Belieben aus¬
malen, aber nicht in ihrer ganzen überaus greuelvollen Wirklichkeit vorstellen
kann. Die Leute rasirten sich die Köpfe, schlugen sich einen oder ein paar Zähne
ein, rissen sich bisweilen ein Auge aus, schnitten, schlugen, brannten sich ins
Fleisch, verstümmelten sich, betranken sich, zündeten dem Nachbar die Hütte an,
prügelten einander, je nach der Laune des Augenblicks halb oder ganz todt,
und beide Geschlechter gaben sich viehischen und ungezügelten Ausschweifungen
hin. Und dann folgte eine dumpfe Erschlaffung, aus welcher die Nation sich
langsam erhob, wie von einem entsetzlichen halb in der Erinnerung gebliebner
Traume vom Nachtmahr. In der That, sie waren nicht gerade das Salz
der Erde, diese „sanften Kinder der Sonne".




Jas deutsche Schulwesen im vorigen Jahrhundert.
i.
Von Dr. K. B.

Das öffentliche Unterrichtswesen und die Volksbildung im Allgemeinen
ist eben jetzt in Deutschland der Gegenstand wetteifernder Bestrebungen von
Seiten vieler Regierungen und Gesetzgebungen so wie einer Menge von Pri¬
vatvereinen aller Art. Die Verbesserung der äußeren Verhältnisse der Schule
und ihrer Lehrer, eine geordnete und intelligente Schulaufsicht, sodann die
Vervollkommnung des Unterrichts selbst und seiner Methode, eine intensive und
extensive Erweiterung der Lehrstoffe, die Verbreiterung und Vertiefung der Bil¬
dungsresultate auch über den begrenzten Cursus der gewöhnlichen Schule,


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[0154] verer an ihrem Feuer Stöckchen mit flatternden Fähnchen aus Kava aufsteck¬ ten, kam Kiaumoku, der Bruder Kaahumanu's, trunkner Muthes und zerbrach eines der Fähnchen, und daraus zog man den Schluß, daß Kaahumanu und ihre Freunde den Tod des Königs bewirkt, und verfolgte sie mit allerlei Schmähungen. Hier hat man jetzt den Contrast zwischen einst und jetzt. Die große Königin Kaahumanu, die während der furchtbaren Orchien, welche auf den Tod des Kö¬ nigs folgten, mit allerlei Schmähungen verfolgt wurde, ist später eine fromme Christin und eine standhafte und mächtige Freundin der Missionäre geworden. Hunde wurden damals und werden noch jetzt von den Eingebornen für den Metzgerladen aufgezogen und gemästet, daher die Bemerkung in Betreff ihres Werthes im Obigen. Vor vierzig Jahren war es auf den Inseln Gebrauch, nach dem Tode eines Königs für eine Reihe von Tagen alle Gesetze als nicht vorhanden zu betrachten, und dann folgten Saturnalien, die man sich nach Belieben aus¬ malen, aber nicht in ihrer ganzen überaus greuelvollen Wirklichkeit vorstellen kann. Die Leute rasirten sich die Köpfe, schlugen sich einen oder ein paar Zähne ein, rissen sich bisweilen ein Auge aus, schnitten, schlugen, brannten sich ins Fleisch, verstümmelten sich, betranken sich, zündeten dem Nachbar die Hütte an, prügelten einander, je nach der Laune des Augenblicks halb oder ganz todt, und beide Geschlechter gaben sich viehischen und ungezügelten Ausschweifungen hin. Und dann folgte eine dumpfe Erschlaffung, aus welcher die Nation sich langsam erhob, wie von einem entsetzlichen halb in der Erinnerung gebliebner Traume vom Nachtmahr. In der That, sie waren nicht gerade das Salz der Erde, diese „sanften Kinder der Sonne". Jas deutsche Schulwesen im vorigen Jahrhundert. i. Von Dr. K. B. Das öffentliche Unterrichtswesen und die Volksbildung im Allgemeinen ist eben jetzt in Deutschland der Gegenstand wetteifernder Bestrebungen von Seiten vieler Regierungen und Gesetzgebungen so wie einer Menge von Pri¬ vatvereinen aller Art. Die Verbesserung der äußeren Verhältnisse der Schule und ihrer Lehrer, eine geordnete und intelligente Schulaufsicht, sodann die Vervollkommnung des Unterrichts selbst und seiner Methode, eine intensive und extensive Erweiterung der Lehrstoffe, die Verbreiterung und Vertiefung der Bil¬ dungsresultate auch über den begrenzten Cursus der gewöhnlichen Schule,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/154>, abgerufen am 05.02.2025.