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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Aectamen-Unfug.

Mit dem Anschwellen der Gewerbsthätigkeit und der täglich sich mehrenden
Concurrenz in allen Großstädten ist die Reclame für den Producenten und
den Kaufmann unentbehrlich geworden. Das Gewühl und Getöse des
Marktes läßt auch das Werthvollste und Verdienstlichste übersehen und über¬
hören, wenn es nicht auf Stelzen geht und sich mit Stentorstimme der
Beachtung empfiehlt. Die gewöhnliche Anzeige thut es schon lange nicht mehr,
das Angebot der Waare muß in Gestalt der Uebertreibung und Ueber-
raschung, der Anecdote, des Sprichwortes, des schwankes erfolgen, wenn
es ein williges Ohr finden und im Gedächtniß haften soll, und wenn die
Kunst des Neclamemachens. des Anpreisens und Aufpustens in England und
Amerika am grandiosesten und zugleich am witzigsten geübt wird, so haben
in den letzten Jahren auch die Deutschen in derselben recht achtbare Leistungen
aufzuweisen gehabt. Massenhaft blüht die Reclame in den Jnseratenspalten
der Zeitungen, an den Straßenecken und Anschlagssäulen, in den Wartesälen
der Bahnhöfe, in den Schaufenstern der Läden. Unter hundert und aber
hundert verschiedenen Masken wimmelt sie an uns vorüber, bald ist's ein
Menschenfreund, bald ein Zauberer, bald ein Hanswurst, der uns etwas zu
verkaufen hat. Hier gibts einen guten Spaß, da eine imposante Dreistigkeit,
dort eine naive Voraussetzung oder Zumuthung zu bewundern. Wir sehen
das Verlangen nach Absatz allerlei komische Verknüpfungen und Verwand¬
lungen vornehmen, stylistische Grimassen schneiden und die wundersamsten
Purzelbäume schlagen.

Wie pompös z. B. stolzirte in Buffalo die Reclame eines Seifefabri¬
kanten, der ein neues Haaröl erfunden, dem Schreiber dieser Zeilen vorüber.
Acht Pferde zogen einen prächtig ausstaffirter Wagen mit einem Dutzend
Musikanten, die unaufhörlich allerhand Stückchen spielten. Dahinter kamen
zwanzig Neger, die auf Bannern und herzförmigen Scheiben den Namen des
Haaröls und schriftliche sowie bildliche Darstellungen seiner unglaublichen
Wirkungen enthielten. Dann in einer Kutsche der Erfinder: schwarzen Frack,
desgleichen Beinkleid, weiße Weste, funkelnde Busennadel, in der linken Glace'-
hand der Cylinder, in der rechten ein Fläschchen des glatzentilgenden Resul¬
tats seines Nachdenkens. Zuletzt ein dritter auffallend und schreiend decorirter
Wagen, der wieder von acht Pferden gezogen wurde, und aus welchem zwanzig
junge Damen mit langen fliegenden Haaren -- man durfte annehmen, aus
Dankbarkeit für ihre Heilung und in dem Wunsche, ihre kahlköpfigen Mit¬
menschen auf den rechten Weg zu bringen -- auf rosa Papier gedruckte Annoncen
unter das Volk streuten.

Wie niedlich ist ferner der Einfall, mit dem vor Kurzen ein wackrer


Aectamen-Unfug.

Mit dem Anschwellen der Gewerbsthätigkeit und der täglich sich mehrenden
Concurrenz in allen Großstädten ist die Reclame für den Producenten und
den Kaufmann unentbehrlich geworden. Das Gewühl und Getöse des
Marktes läßt auch das Werthvollste und Verdienstlichste übersehen und über¬
hören, wenn es nicht auf Stelzen geht und sich mit Stentorstimme der
Beachtung empfiehlt. Die gewöhnliche Anzeige thut es schon lange nicht mehr,
das Angebot der Waare muß in Gestalt der Uebertreibung und Ueber-
raschung, der Anecdote, des Sprichwortes, des schwankes erfolgen, wenn
es ein williges Ohr finden und im Gedächtniß haften soll, und wenn die
Kunst des Neclamemachens. des Anpreisens und Aufpustens in England und
Amerika am grandiosesten und zugleich am witzigsten geübt wird, so haben
in den letzten Jahren auch die Deutschen in derselben recht achtbare Leistungen
aufzuweisen gehabt. Massenhaft blüht die Reclame in den Jnseratenspalten
der Zeitungen, an den Straßenecken und Anschlagssäulen, in den Wartesälen
der Bahnhöfe, in den Schaufenstern der Läden. Unter hundert und aber
hundert verschiedenen Masken wimmelt sie an uns vorüber, bald ist's ein
Menschenfreund, bald ein Zauberer, bald ein Hanswurst, der uns etwas zu
verkaufen hat. Hier gibts einen guten Spaß, da eine imposante Dreistigkeit,
dort eine naive Voraussetzung oder Zumuthung zu bewundern. Wir sehen
das Verlangen nach Absatz allerlei komische Verknüpfungen und Verwand¬
lungen vornehmen, stylistische Grimassen schneiden und die wundersamsten
Purzelbäume schlagen.

Wie pompös z. B. stolzirte in Buffalo die Reclame eines Seifefabri¬
kanten, der ein neues Haaröl erfunden, dem Schreiber dieser Zeilen vorüber.
Acht Pferde zogen einen prächtig ausstaffirter Wagen mit einem Dutzend
Musikanten, die unaufhörlich allerhand Stückchen spielten. Dahinter kamen
zwanzig Neger, die auf Bannern und herzförmigen Scheiben den Namen des
Haaröls und schriftliche sowie bildliche Darstellungen seiner unglaublichen
Wirkungen enthielten. Dann in einer Kutsche der Erfinder: schwarzen Frack,
desgleichen Beinkleid, weiße Weste, funkelnde Busennadel, in der linken Glace'-
hand der Cylinder, in der rechten ein Fläschchen des glatzentilgenden Resul¬
tats seines Nachdenkens. Zuletzt ein dritter auffallend und schreiend decorirter
Wagen, der wieder von acht Pferden gezogen wurde, und aus welchem zwanzig
junge Damen mit langen fliegenden Haaren — man durfte annehmen, aus
Dankbarkeit für ihre Heilung und in dem Wunsche, ihre kahlköpfigen Mit¬
menschen auf den rechten Weg zu bringen — auf rosa Papier gedruckte Annoncen
unter das Volk streuten.

Wie niedlich ist ferner der Einfall, mit dem vor Kurzen ein wackrer


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[0102] Aectamen-Unfug. Mit dem Anschwellen der Gewerbsthätigkeit und der täglich sich mehrenden Concurrenz in allen Großstädten ist die Reclame für den Producenten und den Kaufmann unentbehrlich geworden. Das Gewühl und Getöse des Marktes läßt auch das Werthvollste und Verdienstlichste übersehen und über¬ hören, wenn es nicht auf Stelzen geht und sich mit Stentorstimme der Beachtung empfiehlt. Die gewöhnliche Anzeige thut es schon lange nicht mehr, das Angebot der Waare muß in Gestalt der Uebertreibung und Ueber- raschung, der Anecdote, des Sprichwortes, des schwankes erfolgen, wenn es ein williges Ohr finden und im Gedächtniß haften soll, und wenn die Kunst des Neclamemachens. des Anpreisens und Aufpustens in England und Amerika am grandiosesten und zugleich am witzigsten geübt wird, so haben in den letzten Jahren auch die Deutschen in derselben recht achtbare Leistungen aufzuweisen gehabt. Massenhaft blüht die Reclame in den Jnseratenspalten der Zeitungen, an den Straßenecken und Anschlagssäulen, in den Wartesälen der Bahnhöfe, in den Schaufenstern der Läden. Unter hundert und aber hundert verschiedenen Masken wimmelt sie an uns vorüber, bald ist's ein Menschenfreund, bald ein Zauberer, bald ein Hanswurst, der uns etwas zu verkaufen hat. Hier gibts einen guten Spaß, da eine imposante Dreistigkeit, dort eine naive Voraussetzung oder Zumuthung zu bewundern. Wir sehen das Verlangen nach Absatz allerlei komische Verknüpfungen und Verwand¬ lungen vornehmen, stylistische Grimassen schneiden und die wundersamsten Purzelbäume schlagen. Wie pompös z. B. stolzirte in Buffalo die Reclame eines Seifefabri¬ kanten, der ein neues Haaröl erfunden, dem Schreiber dieser Zeilen vorüber. Acht Pferde zogen einen prächtig ausstaffirter Wagen mit einem Dutzend Musikanten, die unaufhörlich allerhand Stückchen spielten. Dahinter kamen zwanzig Neger, die auf Bannern und herzförmigen Scheiben den Namen des Haaröls und schriftliche sowie bildliche Darstellungen seiner unglaublichen Wirkungen enthielten. Dann in einer Kutsche der Erfinder: schwarzen Frack, desgleichen Beinkleid, weiße Weste, funkelnde Busennadel, in der linken Glace'- hand der Cylinder, in der rechten ein Fläschchen des glatzentilgenden Resul¬ tats seines Nachdenkens. Zuletzt ein dritter auffallend und schreiend decorirter Wagen, der wieder von acht Pferden gezogen wurde, und aus welchem zwanzig junge Damen mit langen fliegenden Haaren — man durfte annehmen, aus Dankbarkeit für ihre Heilung und in dem Wunsche, ihre kahlköpfigen Mit¬ menschen auf den rechten Weg zu bringen — auf rosa Papier gedruckte Annoncen unter das Volk streuten. Wie niedlich ist ferner der Einfall, mit dem vor Kurzen ein wackrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/102>, abgerufen am 22.07.2024.