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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Ladungen übergab ihm Stanley, so daß er für vier Jahre nun wieder mit
Vorräthen versehen war. Am 14. März nahmen beide Abschied von einander
und am 6. Mai war Stanley, nachdem er aufs Ruhmvollste seine Aufgabe
durchgeführt, wieder in Vagamojo.

Das ist in kurzen Worten der Verlauf der Stanley-Livingstone-Expedition,
die in der Geschichte der Erdkunde wie in jener des Zeitungswesens für immer
ein glänzendes Blatt sein wird.




Mstor Kröte und die Semen.

Ich bin weit entfernt, über den jüngst in Hannover verhandelten Proceß
Grote juristische Betrachtungen anstellen zu wollen. Noch weniger will ich
die Frage beantworten, ob der welfische Pastor der Vergehen schuldig, deren
man ihn anklagt. Das mag er selbst mit seinen Richtern ausmachen. Für
uns Andere hat das wenig Interesse. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung
sind dagegen die Aufklärungen, welche uns jener Proceß über den Bestand,
über das wechselseitige Verhältniß und über die Taktik der betreffenden poli¬
tischen Parteien gebracht hat. Wir halten uns hier an die zur Oeffentlichkeit
gelangten Urkunden, deren Aechtheit von allen Seiten anerkannt ist. Betrachten
wir uns zunächst die Briefe des Kaufmanns Eduard Kerrl, welche zum Theil
an den Pastor Grote, zum Theil an die welfisch gesinnte Redaktton der
"Hannover'schen Landes-Zeitung" gerichtet sind. Die Briefe datiren von Anfang
1872. Pastor Grote verweilt in Gmunden am Traunsee, um dort seine Ge¬
schäfte zu betreiben. Ich werde darüber weiter unten berichten. Kaufmann
Kerrl schreibt nun an den "am Hofe des Königs" weilenden Pastor. Der
Eingang seines Briefes macht die höchsten Erwartungen rege. Er lautet sehr
pathetisch, nämlich so: "Gruß, herzlichen Gruß zuvor! Sie weilen jetzt in der
geheiligten Nähe unseres Königs, geleite der Herr Ihre Schritte und stärke
Sie mit seinem heiligen Geiste, daß von Ihrer Zunge wahrhaftige Worte des
Trostes und der Ermuthigung für unsern König und Herrn stießen mögen!"
Und was folgt dann? Die Uebersendung einiger Unterstützungsgesuche, vulgo
"Bettelbriefe", welche Herr Kerrl Herrn Grote zur Befürwortung empfiehlt.
Der eine ist von einem gewissen Thies; derselbe ist von einem gewissen Becker bei
Georg Rex angeschwärzt worden; er soll namentlich in der Weinschenke mit
einem "preußischen" Polizei-Beamten "conspirirt", d. h. ein Paar Worte ge¬
sprochen, und sonstige Schandthaten dieser Gattung verübt haben. Herr
Kerrl versucht es, den Angeschwärzten "Höchsten Orts" rein zu waschen und
behauptet, Becker habe "gelogen".


Ladungen übergab ihm Stanley, so daß er für vier Jahre nun wieder mit
Vorräthen versehen war. Am 14. März nahmen beide Abschied von einander
und am 6. Mai war Stanley, nachdem er aufs Ruhmvollste seine Aufgabe
durchgeführt, wieder in Vagamojo.

Das ist in kurzen Worten der Verlauf der Stanley-Livingstone-Expedition,
die in der Geschichte der Erdkunde wie in jener des Zeitungswesens für immer
ein glänzendes Blatt sein wird.




Mstor Kröte und die Semen.

Ich bin weit entfernt, über den jüngst in Hannover verhandelten Proceß
Grote juristische Betrachtungen anstellen zu wollen. Noch weniger will ich
die Frage beantworten, ob der welfische Pastor der Vergehen schuldig, deren
man ihn anklagt. Das mag er selbst mit seinen Richtern ausmachen. Für
uns Andere hat das wenig Interesse. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung
sind dagegen die Aufklärungen, welche uns jener Proceß über den Bestand,
über das wechselseitige Verhältniß und über die Taktik der betreffenden poli¬
tischen Parteien gebracht hat. Wir halten uns hier an die zur Oeffentlichkeit
gelangten Urkunden, deren Aechtheit von allen Seiten anerkannt ist. Betrachten
wir uns zunächst die Briefe des Kaufmanns Eduard Kerrl, welche zum Theil
an den Pastor Grote, zum Theil an die welfisch gesinnte Redaktton der
„Hannover'schen Landes-Zeitung" gerichtet sind. Die Briefe datiren von Anfang
1872. Pastor Grote verweilt in Gmunden am Traunsee, um dort seine Ge¬
schäfte zu betreiben. Ich werde darüber weiter unten berichten. Kaufmann
Kerrl schreibt nun an den „am Hofe des Königs" weilenden Pastor. Der
Eingang seines Briefes macht die höchsten Erwartungen rege. Er lautet sehr
pathetisch, nämlich so: „Gruß, herzlichen Gruß zuvor! Sie weilen jetzt in der
geheiligten Nähe unseres Königs, geleite der Herr Ihre Schritte und stärke
Sie mit seinem heiligen Geiste, daß von Ihrer Zunge wahrhaftige Worte des
Trostes und der Ermuthigung für unsern König und Herrn stießen mögen!"
Und was folgt dann? Die Uebersendung einiger Unterstützungsgesuche, vulgo
„Bettelbriefe", welche Herr Kerrl Herrn Grote zur Befürwortung empfiehlt.
Der eine ist von einem gewissen Thies; derselbe ist von einem gewissen Becker bei
Georg Rex angeschwärzt worden; er soll namentlich in der Weinschenke mit
einem „preußischen" Polizei-Beamten „conspirirt", d. h. ein Paar Worte ge¬
sprochen, und sonstige Schandthaten dieser Gattung verübt haben. Herr
Kerrl versucht es, den Angeschwärzten „Höchsten Orts" rein zu waschen und
behauptet, Becker habe „gelogen".


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/510>, abgerufen am 28.06.2024.