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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Diöcese angehören, und als hier ein Anton Theiner, später ein Johannes
Ronge ihre Heimat gehabt haben. Jetzt erst regen sich einige schwache Spuren,
die sich nicht, mehr auf vereinzelte und deshalb leicht zu überwältigende tsstes
vvriwtis aus dem Clerus selbst beschränken, sondern auch in die Laienwelt
hinübergreifen. Aber es sind im deutschen Theile der Diöcese nur schüchterne
Anfänge, wogegen seltsamerweise der slavische, oder wie er mit der erwähnten
systematischen Namensfälschung gemein hier heißt, der polnische Theil, d, h.
Oberschlesien sehr merkwürdige Erscheinungen zeigt. Dort ist in der Person
des freilich schon ziemlich bejahrten, aber doch noch rüstigen Weltpriesters Ka¬
minski in Kattewitz ein tüchtiger Vorkämpfer für die ächte alte Katholicität
erstanden, der sich rasch trotz hundertfachen Bannes und der gewöhnlichen
finsteren Heimtücke pfäffischer Verfolgungsschliche eine nach taufenden zählende
Gemeinde hauptsächlich aus den slavischen Katholiken gebildet hat, die noch
fortwährend wächst. Dieser Katholicismus verträgt sich natürlich mit der
Treue gegen den Staat und das Reich, während der Neukatholicismus, man
darf wohl sagen, selbstverständlich hochverräterisch sein muß. Ein Zeugniß
dafür legt jede Nummer des Blattes ab, welches Kaminski unter dem Titel
pranäg, (Wahrheit) schreibt und das nicht sowohl weil es das Organ eines
Altkatholiken, sondern weil es patriotisch und loyal ist, von dem übrigen
Clerus mit dem giftigsten Hasse verfolgt wird, während natürlich jene anderen
Blätter, die fortwährend versteckt oder offen Revolution predigen, von ihm
mit allen Mitteln des Geldbeutels und Beichtstuhls subventionirt werden. --


K.


Wrieft aus Aerlin.
Zehn Jahre Minister.

Am 20. September 1862 meldeten die Zeitungen die am Tag zuvor er¬
folgte Ankunft des Herrn von Msmarck-Schönhausen in Berlin. Am 18.
und 19. September waren die letzten Verständigungshoffnungen hinsichtlich
des Militärbudgets im Abgeordnetenhaus zu Boden gefallen. Am 17. hatte
der Kriegsminister von Roon die Aussicht eröffnet, daß die Regierung für
das Budget von 1862 in eine auf Voraussetzung der zweijährigen Dienstzeit
beruhende Herabminderung willigen werde. Für das Budget von 1863 hatte
er Erklärungen, namentlich über die Modalitäten, unter welchen die Regierung


Grenzboten IV. 1872. g

Diöcese angehören, und als hier ein Anton Theiner, später ein Johannes
Ronge ihre Heimat gehabt haben. Jetzt erst regen sich einige schwache Spuren,
die sich nicht, mehr auf vereinzelte und deshalb leicht zu überwältigende tsstes
vvriwtis aus dem Clerus selbst beschränken, sondern auch in die Laienwelt
hinübergreifen. Aber es sind im deutschen Theile der Diöcese nur schüchterne
Anfänge, wogegen seltsamerweise der slavische, oder wie er mit der erwähnten
systematischen Namensfälschung gemein hier heißt, der polnische Theil, d, h.
Oberschlesien sehr merkwürdige Erscheinungen zeigt. Dort ist in der Person
des freilich schon ziemlich bejahrten, aber doch noch rüstigen Weltpriesters Ka¬
minski in Kattewitz ein tüchtiger Vorkämpfer für die ächte alte Katholicität
erstanden, der sich rasch trotz hundertfachen Bannes und der gewöhnlichen
finsteren Heimtücke pfäffischer Verfolgungsschliche eine nach taufenden zählende
Gemeinde hauptsächlich aus den slavischen Katholiken gebildet hat, die noch
fortwährend wächst. Dieser Katholicismus verträgt sich natürlich mit der
Treue gegen den Staat und das Reich, während der Neukatholicismus, man
darf wohl sagen, selbstverständlich hochverräterisch sein muß. Ein Zeugniß
dafür legt jede Nummer des Blattes ab, welches Kaminski unter dem Titel
pranäg, (Wahrheit) schreibt und das nicht sowohl weil es das Organ eines
Altkatholiken, sondern weil es patriotisch und loyal ist, von dem übrigen
Clerus mit dem giftigsten Hasse verfolgt wird, während natürlich jene anderen
Blätter, die fortwährend versteckt oder offen Revolution predigen, von ihm
mit allen Mitteln des Geldbeutels und Beichtstuhls subventionirt werden. —


K.


Wrieft aus Aerlin.
Zehn Jahre Minister.

Am 20. September 1862 meldeten die Zeitungen die am Tag zuvor er¬
folgte Ankunft des Herrn von Msmarck-Schönhausen in Berlin. Am 18.
und 19. September waren die letzten Verständigungshoffnungen hinsichtlich
des Militärbudgets im Abgeordnetenhaus zu Boden gefallen. Am 17. hatte
der Kriegsminister von Roon die Aussicht eröffnet, daß die Regierung für
das Budget von 1862 in eine auf Voraussetzung der zweijährigen Dienstzeit
beruhende Herabminderung willigen werde. Für das Budget von 1863 hatte
er Erklärungen, namentlich über die Modalitäten, unter welchen die Regierung


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[0041] Diöcese angehören, und als hier ein Anton Theiner, später ein Johannes Ronge ihre Heimat gehabt haben. Jetzt erst regen sich einige schwache Spuren, die sich nicht, mehr auf vereinzelte und deshalb leicht zu überwältigende tsstes vvriwtis aus dem Clerus selbst beschränken, sondern auch in die Laienwelt hinübergreifen. Aber es sind im deutschen Theile der Diöcese nur schüchterne Anfänge, wogegen seltsamerweise der slavische, oder wie er mit der erwähnten systematischen Namensfälschung gemein hier heißt, der polnische Theil, d, h. Oberschlesien sehr merkwürdige Erscheinungen zeigt. Dort ist in der Person des freilich schon ziemlich bejahrten, aber doch noch rüstigen Weltpriesters Ka¬ minski in Kattewitz ein tüchtiger Vorkämpfer für die ächte alte Katholicität erstanden, der sich rasch trotz hundertfachen Bannes und der gewöhnlichen finsteren Heimtücke pfäffischer Verfolgungsschliche eine nach taufenden zählende Gemeinde hauptsächlich aus den slavischen Katholiken gebildet hat, die noch fortwährend wächst. Dieser Katholicismus verträgt sich natürlich mit der Treue gegen den Staat und das Reich, während der Neukatholicismus, man darf wohl sagen, selbstverständlich hochverräterisch sein muß. Ein Zeugniß dafür legt jede Nummer des Blattes ab, welches Kaminski unter dem Titel pranäg, (Wahrheit) schreibt und das nicht sowohl weil es das Organ eines Altkatholiken, sondern weil es patriotisch und loyal ist, von dem übrigen Clerus mit dem giftigsten Hasse verfolgt wird, während natürlich jene anderen Blätter, die fortwährend versteckt oder offen Revolution predigen, von ihm mit allen Mitteln des Geldbeutels und Beichtstuhls subventionirt werden. — K. Wrieft aus Aerlin. Zehn Jahre Minister. Am 20. September 1862 meldeten die Zeitungen die am Tag zuvor er¬ folgte Ankunft des Herrn von Msmarck-Schönhausen in Berlin. Am 18. und 19. September waren die letzten Verständigungshoffnungen hinsichtlich des Militärbudgets im Abgeordnetenhaus zu Boden gefallen. Am 17. hatte der Kriegsminister von Roon die Aussicht eröffnet, daß die Regierung für das Budget von 1862 in eine auf Voraussetzung der zweijährigen Dienstzeit beruhende Herabminderung willigen werde. Für das Budget von 1863 hatte er Erklärungen, namentlich über die Modalitäten, unter welchen die Regierung Grenzboten IV. 1872. g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/41>, abgerufen am 28.06.2024.