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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Die Jesuiten als radicale Demokraten.

Während in der letzten Zeit vielfach von einer rothen und einer schwar¬
zen Internationale die Rede war, und ofsiciöse Stimmen von einem geheimen
Einverständnis) der letztern, mit der man die Ultramontanen und namentlich
deren Führer und Vorfechter, die Jesuiten, meinte, wissen wollten, ist eine
solche Uebereinstimmung in den nächsten Zielen, ein solches Bündniß gegen
den beiden gleich verhaßten gegenwärtigen Staat von der ultramontanen
Partei mit Entrüstung geleugnet worden.

Die Presse dieser Partei, die Vereine, in denen sie sich organisirt hat,
die Bischöfe, die ihre Führer sind, glaubten dreist das gerade Gegentheil davon
behaupten zu können. Die Väter der Gesellschaft Jesu sind nichts weniger
als Vertreter radical demokratischer Grundsätze; sie sind vielmehr zu allen
Zeiten Stützen des Staates im conservativen und legitimistischen Sinne ge¬
wesen. Sie haben sich's immer angelegen sein lassen, die Ehrfurcht vor der
bestehenden Obrigkeit zu pflanzen, zu pflegen und vor liberalem Unkraut zu
behüten. Ihre Lehren, ihre Erziehungsmethode sind recht eigentlich darauf
angelegt, die Throne vor dem immer weiter um sich greifenden revolutionären
Geiste zu sichern. Sie sind die treuesten und tapfersten Streiter gegen die
Ideen von 1789, die Europa verwirrt und in Brand gesetzt haben, und unter
denen der Gedanke der Volkssouveränetät die verderblichste ist. Wo man sich
von ihnen lossagte, sie auftrieb, ist jedesmal die Partei des Umsturzes oben
auf gekommen, da die Jugend dann verwilderte und sich in radicalen Wahne
berauschte.

Folgen dann düstere Weissagungen von den Wirkungen, welche das
Jesuitengesetz unfehlbar nach sich ziehen müsse. Man hat seine zuverlässigsten
Freunde, seine werthvollsten Bundesgenossen mit blöder Verkennung ihrer
Natur, mit schnödem Undank für ihre Leistungen von sich gestoßen. Nun
kann es nicht fehlen, daß Deutschland binnen Kurzem eine Beute der rothen
Demokraten, der Socialisten, Communisten und anderer schreckbarer Menschen
wird. Wir aber, so schließt die Litanei der Jesuitenfreunde gewöhnlich mit
frommem Augenverdrehen, waschen unsere Hände in Unschuld, wir haben es
gut gemeint.

Die Denkschrift "der am Grabe des heiligen Bonifacius versammelt ge--


Grenzboten 1872. IV. 46
Die Jesuiten als radicale Demokraten.

Während in der letzten Zeit vielfach von einer rothen und einer schwar¬
zen Internationale die Rede war, und ofsiciöse Stimmen von einem geheimen
Einverständnis) der letztern, mit der man die Ultramontanen und namentlich
deren Führer und Vorfechter, die Jesuiten, meinte, wissen wollten, ist eine
solche Uebereinstimmung in den nächsten Zielen, ein solches Bündniß gegen
den beiden gleich verhaßten gegenwärtigen Staat von der ultramontanen
Partei mit Entrüstung geleugnet worden.

Die Presse dieser Partei, die Vereine, in denen sie sich organisirt hat,
die Bischöfe, die ihre Führer sind, glaubten dreist das gerade Gegentheil davon
behaupten zu können. Die Väter der Gesellschaft Jesu sind nichts weniger
als Vertreter radical demokratischer Grundsätze; sie sind vielmehr zu allen
Zeiten Stützen des Staates im conservativen und legitimistischen Sinne ge¬
wesen. Sie haben sich's immer angelegen sein lassen, die Ehrfurcht vor der
bestehenden Obrigkeit zu pflanzen, zu pflegen und vor liberalem Unkraut zu
behüten. Ihre Lehren, ihre Erziehungsmethode sind recht eigentlich darauf
angelegt, die Throne vor dem immer weiter um sich greifenden revolutionären
Geiste zu sichern. Sie sind die treuesten und tapfersten Streiter gegen die
Ideen von 1789, die Europa verwirrt und in Brand gesetzt haben, und unter
denen der Gedanke der Volkssouveränetät die verderblichste ist. Wo man sich
von ihnen lossagte, sie auftrieb, ist jedesmal die Partei des Umsturzes oben
auf gekommen, da die Jugend dann verwilderte und sich in radicalen Wahne
berauschte.

Folgen dann düstere Weissagungen von den Wirkungen, welche das
Jesuitengesetz unfehlbar nach sich ziehen müsse. Man hat seine zuverlässigsten
Freunde, seine werthvollsten Bundesgenossen mit blöder Verkennung ihrer
Natur, mit schnödem Undank für ihre Leistungen von sich gestoßen. Nun
kann es nicht fehlen, daß Deutschland binnen Kurzem eine Beute der rothen
Demokraten, der Socialisten, Communisten und anderer schreckbarer Menschen
wird. Wir aber, so schließt die Litanei der Jesuitenfreunde gewöhnlich mit
frommem Augenverdrehen, waschen unsere Hände in Unschuld, wir haben es
gut gemeint.

Die Denkschrift „der am Grabe des heiligen Bonifacius versammelt ge--


Grenzboten 1872. IV. 46
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[0369] Die Jesuiten als radicale Demokraten. Während in der letzten Zeit vielfach von einer rothen und einer schwar¬ zen Internationale die Rede war, und ofsiciöse Stimmen von einem geheimen Einverständnis) der letztern, mit der man die Ultramontanen und namentlich deren Führer und Vorfechter, die Jesuiten, meinte, wissen wollten, ist eine solche Uebereinstimmung in den nächsten Zielen, ein solches Bündniß gegen den beiden gleich verhaßten gegenwärtigen Staat von der ultramontanen Partei mit Entrüstung geleugnet worden. Die Presse dieser Partei, die Vereine, in denen sie sich organisirt hat, die Bischöfe, die ihre Führer sind, glaubten dreist das gerade Gegentheil davon behaupten zu können. Die Väter der Gesellschaft Jesu sind nichts weniger als Vertreter radical demokratischer Grundsätze; sie sind vielmehr zu allen Zeiten Stützen des Staates im conservativen und legitimistischen Sinne ge¬ wesen. Sie haben sich's immer angelegen sein lassen, die Ehrfurcht vor der bestehenden Obrigkeit zu pflanzen, zu pflegen und vor liberalem Unkraut zu behüten. Ihre Lehren, ihre Erziehungsmethode sind recht eigentlich darauf angelegt, die Throne vor dem immer weiter um sich greifenden revolutionären Geiste zu sichern. Sie sind die treuesten und tapfersten Streiter gegen die Ideen von 1789, die Europa verwirrt und in Brand gesetzt haben, und unter denen der Gedanke der Volkssouveränetät die verderblichste ist. Wo man sich von ihnen lossagte, sie auftrieb, ist jedesmal die Partei des Umsturzes oben auf gekommen, da die Jugend dann verwilderte und sich in radicalen Wahne berauschte. Folgen dann düstere Weissagungen von den Wirkungen, welche das Jesuitengesetz unfehlbar nach sich ziehen müsse. Man hat seine zuverlässigsten Freunde, seine werthvollsten Bundesgenossen mit blöder Verkennung ihrer Natur, mit schnödem Undank für ihre Leistungen von sich gestoßen. Nun kann es nicht fehlen, daß Deutschland binnen Kurzem eine Beute der rothen Demokraten, der Socialisten, Communisten und anderer schreckbarer Menschen wird. Wir aber, so schließt die Litanei der Jesuitenfreunde gewöhnlich mit frommem Augenverdrehen, waschen unsere Hände in Unschuld, wir haben es gut gemeint. Die Denkschrift „der am Grabe des heiligen Bonifacius versammelt ge-- Grenzboten 1872. IV. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/369>, abgerufen am 28.06.2024.