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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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dem Erlöschen nahen Verwaltungsmittelinstanzen eines gewissen deutschen
Mittelstaates. Andere Leute können sich nun einmal weder an der Begabung
des Herrn Konstantin Frantz für "die Naturseite der Staaten", noch an der¬
jenigen für "das geographische Element in der Geschichte" erquicken, und blicken
lieber auf das mächtige jugendliche deutsche Reich und seinen Riesenkampf gegen
alle Mächte der Finsterniß, als auf den Quacksalber, der das Salz aufbietet,
welches das Reich vor Fäulniß bewahren soll.




Wen preußischen Landtag.

Die parlamentarische Situation seit dem Schluß und der Wiedereröffnung
des Landtages hat bis jetzt den Verlauf gehabt, welchen ich in meinem Brief
vom 3. November angenommen. Der Landtag wurde am 12. November mit
einer kurzen geschäftsmäßigen Rede durch den stellvertretenden Vorsitzenden
des Staatsministeriums eröffnet. Diese Rede indeß, wie kurz immer, zeichnet
,der Session eine bedeutungsvolle Aufgabe vor. Ich habe an dieser Stelle die
Frage früher berührt, ob der in der Session von 1871 abgekehrte Entwurf
wegen Reform der Classensteuer in einer Session wieder eingebracht werden
dürfe, welche formal als die Fortsetzung der Session von 1871 gelten mußte.
Dieses Zweifels sind wir nun überhoben und so hat die Hartnäckigkeit des
Herrenhauses ihr Gutes im Großen und Kleinen. Die Regierung hat die
Einbringung dieses gegen den früheren Entwurf übrigens wesentlich verän¬
derten Gesetzes sofort in der Thronrede angekündigt. Dasselbe thut die Thron¬
rede mit den kirchlichen Gesetzen, bestätigend, daß trotz des Zeitverlustes, wel¬
chen die Session erlitten, an einen Aufschub jener Gesetze nicht zu denken ist.
Schließlich wird die Wiedereinbringung der Kreisordnung und die Durch¬
führung derselben durch "alle Mittel, welche die Verfassung an die Hand
giebt", verheißen.

Ich hatte nun bereits am 3. November geschrieben, daß die Kreisord¬
nung mit einigen Modificationen gegen den Entwurf, wie er von den Ab¬
geordneten an das Herrenhaus gelangt war, zunächst wieder dem Abgeord¬
netenhause werde vorgelegt, und hier voraussichtlich ohne Zeitverlust werde
angenommen werden. In der gestrigen Sitzung der Abgeordneten ist nun
diese Einbringung geschehen und man weiß, daß die Regierung durch Vor¬
verhandlungen mit den Vertrauensmännern der liberalen Fractionen Sorge


dem Erlöschen nahen Verwaltungsmittelinstanzen eines gewissen deutschen
Mittelstaates. Andere Leute können sich nun einmal weder an der Begabung
des Herrn Konstantin Frantz für „die Naturseite der Staaten", noch an der¬
jenigen für „das geographische Element in der Geschichte" erquicken, und blicken
lieber auf das mächtige jugendliche deutsche Reich und seinen Riesenkampf gegen
alle Mächte der Finsterniß, als auf den Quacksalber, der das Salz aufbietet,
welches das Reich vor Fäulniß bewahren soll.




Wen preußischen Landtag.

Die parlamentarische Situation seit dem Schluß und der Wiedereröffnung
des Landtages hat bis jetzt den Verlauf gehabt, welchen ich in meinem Brief
vom 3. November angenommen. Der Landtag wurde am 12. November mit
einer kurzen geschäftsmäßigen Rede durch den stellvertretenden Vorsitzenden
des Staatsministeriums eröffnet. Diese Rede indeß, wie kurz immer, zeichnet
,der Session eine bedeutungsvolle Aufgabe vor. Ich habe an dieser Stelle die
Frage früher berührt, ob der in der Session von 1871 abgekehrte Entwurf
wegen Reform der Classensteuer in einer Session wieder eingebracht werden
dürfe, welche formal als die Fortsetzung der Session von 1871 gelten mußte.
Dieses Zweifels sind wir nun überhoben und so hat die Hartnäckigkeit des
Herrenhauses ihr Gutes im Großen und Kleinen. Die Regierung hat die
Einbringung dieses gegen den früheren Entwurf übrigens wesentlich verän¬
derten Gesetzes sofort in der Thronrede angekündigt. Dasselbe thut die Thron¬
rede mit den kirchlichen Gesetzen, bestätigend, daß trotz des Zeitverlustes, wel¬
chen die Session erlitten, an einen Aufschub jener Gesetze nicht zu denken ist.
Schließlich wird die Wiedereinbringung der Kreisordnung und die Durch¬
führung derselben durch „alle Mittel, welche die Verfassung an die Hand
giebt", verheißen.

Ich hatte nun bereits am 3. November geschrieben, daß die Kreisord¬
nung mit einigen Modificationen gegen den Entwurf, wie er von den Ab¬
geordneten an das Herrenhaus gelangt war, zunächst wieder dem Abgeord¬
netenhause werde vorgelegt, und hier voraussichtlich ohne Zeitverlust werde
angenommen werden. In der gestrigen Sitzung der Abgeordneten ist nun
diese Einbringung geschehen und man weiß, daß die Regierung durch Vor¬
verhandlungen mit den Vertrauensmännern der liberalen Fractionen Sorge


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[0358] dem Erlöschen nahen Verwaltungsmittelinstanzen eines gewissen deutschen Mittelstaates. Andere Leute können sich nun einmal weder an der Begabung des Herrn Konstantin Frantz für „die Naturseite der Staaten", noch an der¬ jenigen für „das geographische Element in der Geschichte" erquicken, und blicken lieber auf das mächtige jugendliche deutsche Reich und seinen Riesenkampf gegen alle Mächte der Finsterniß, als auf den Quacksalber, der das Salz aufbietet, welches das Reich vor Fäulniß bewahren soll. Wen preußischen Landtag. Die parlamentarische Situation seit dem Schluß und der Wiedereröffnung des Landtages hat bis jetzt den Verlauf gehabt, welchen ich in meinem Brief vom 3. November angenommen. Der Landtag wurde am 12. November mit einer kurzen geschäftsmäßigen Rede durch den stellvertretenden Vorsitzenden des Staatsministeriums eröffnet. Diese Rede indeß, wie kurz immer, zeichnet ,der Session eine bedeutungsvolle Aufgabe vor. Ich habe an dieser Stelle die Frage früher berührt, ob der in der Session von 1871 abgekehrte Entwurf wegen Reform der Classensteuer in einer Session wieder eingebracht werden dürfe, welche formal als die Fortsetzung der Session von 1871 gelten mußte. Dieses Zweifels sind wir nun überhoben und so hat die Hartnäckigkeit des Herrenhauses ihr Gutes im Großen und Kleinen. Die Regierung hat die Einbringung dieses gegen den früheren Entwurf übrigens wesentlich verän¬ derten Gesetzes sofort in der Thronrede angekündigt. Dasselbe thut die Thron¬ rede mit den kirchlichen Gesetzen, bestätigend, daß trotz des Zeitverlustes, wel¬ chen die Session erlitten, an einen Aufschub jener Gesetze nicht zu denken ist. Schließlich wird die Wiedereinbringung der Kreisordnung und die Durch¬ führung derselben durch „alle Mittel, welche die Verfassung an die Hand giebt", verheißen. Ich hatte nun bereits am 3. November geschrieben, daß die Kreisord¬ nung mit einigen Modificationen gegen den Entwurf, wie er von den Ab¬ geordneten an das Herrenhaus gelangt war, zunächst wieder dem Abgeord¬ netenhause werde vorgelegt, und hier voraussichtlich ohne Zeitverlust werde angenommen werden. In der gestrigen Sitzung der Abgeordneten ist nun diese Einbringung geschehen und man weiß, daß die Regierung durch Vor¬ verhandlungen mit den Vertrauensmännern der liberalen Fractionen Sorge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/358>, abgerufen am 28.06.2024.