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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Am nächsten Tage erhielt er den "Oberbefehl über sämmtliche Freischaaren"
und eilte sogleich nach Dole, um sofort die Organisation seiner Streitkräfte
zu beginnen. Diese ging bei Weitem nicht so schnell von der Stelle als er
gehofft. Es konnte nicht ausbleiben, daß die unbestimmte Machtvollkommen¬
heit, die ihm ertheilt war, zu Conflicten zwischen ihm und anderen Befehls¬
habern führen mußte. Die Zerwürfnisse zwischen Cambriels und Garibaldi
nahmen sogar Formen an, welche Gambetta zu persönlichem Einschreiten
nöthigten, ohne daß es ihm den Frieden herzustellen gelang. Ueberdies war
der italienische Condottieri bei der Landbevölkerung, ja bei einem großen
Theil der ihm zugewiesenen Truppen äußerst unpopulär, zumal er die katho¬
lischgläubige Stimmung derselben oft in der gröblichsten Weise verletzte. Als
er durch die bretonische Legion verstärkt werden sollte, weigerten sich diese
frommen Leute, unter dem Feinde des Papstes zu fechten. Noch Mitte No¬
vember war er zu Autun in Organisationsarbeiten begriffen. Alles in Allem
hat Garibaldi seine "Vogesen-Armee" auf 18,000 Mann gebracht").

Die Schaaren Garibaldi's gehörten fast allen Nationen an; vorzugs¬
weise jedoch waren Polen, Franzosen, Italiener und Spanier vertreten.**)
Wo sie zum Gefecht gekommen sind, haben sie sich gut geschlagen, was ihnen
trotz der Panik von Dijon zugestanden werden muß. Sie sind es, welche im
Feldzuge 1870/71 neben den afrikanischen Truppen das fremde Element
im französischen Heere darstellen, welches, wie wir im Laufe unserer
Darstellung nachgewiesen, zu allen Zeiten einen characteristischen Bestandtheil
desselben gebildet hat. Beliebt hat sich dasselbe in Frankreich nicht ge¬
macht, und wir glauben es gern, wenn Georges Sand in ihrem Tagebuch
versichert, daß das Landvolk die Franctireurs mehr als den Feind gefürchtet
habe und daß die Excesse von Garibaldi's Corps eine Schande für das Heer
gewesen seien.

Wenn man die Gesammtleistungen der Dictatur Gambet-
ta's ins Auge faßt, so muß man dieselben als ganz außerordentlich aner¬
kennen.***)





Die Corps hießen- spanisch-englische Legion, polnische Legion, französische Guerilla
des Orients u. s. w.
") Zu nicht geringem Theile bestanden die Garibaldianer aus dem Auswürfe aller Lan¬
der, namentlich Italiens. Als dies Land durch Garibaldi's Aufruf von derartigen Elementen
gereinigt wurde, soll man zu Florenz gesagt haben: Nun können wir alle Gensdarmen ab¬
schaffen. NiüSIston- Saribaleli. Lss oiM'-rtlons -'r 1'armöo clef Vos^es. ?aris 187l.
Ein trauriges Zeugniß für das Freischarlcrwesen!
Abgesehen von den vor Gambetta's Ankunft in Tours organisirten Truppen, wie von
den in Algerien und in den Depots gebliebenen, wurden in vier Monaten gegen den Feind
geschickt- Infanterie 6s liZrik 208 Bataillone 230,300 Mann, "-"as mobile, 31 Regimenter
ü- 30gg 111,000 Mann, (Zaräs molzilisös, ungefähr 180,000 Mann, Ccivallene, 54 Regimenter
32.400 Mann, Franctireurs ungefähr 30,000 Mann. Zusammen 584,300 Mann, mit Artillerie
Grenzboten IV. 1872. - 29
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Am nächsten Tage erhielt er den „Oberbefehl über sämmtliche Freischaaren"
und eilte sogleich nach Dole, um sofort die Organisation seiner Streitkräfte
zu beginnen. Diese ging bei Weitem nicht so schnell von der Stelle als er
gehofft. Es konnte nicht ausbleiben, daß die unbestimmte Machtvollkommen¬
heit, die ihm ertheilt war, zu Conflicten zwischen ihm und anderen Befehls¬
habern führen mußte. Die Zerwürfnisse zwischen Cambriels und Garibaldi
nahmen sogar Formen an, welche Gambetta zu persönlichem Einschreiten
nöthigten, ohne daß es ihm den Frieden herzustellen gelang. Ueberdies war
der italienische Condottieri bei der Landbevölkerung, ja bei einem großen
Theil der ihm zugewiesenen Truppen äußerst unpopulär, zumal er die katho¬
lischgläubige Stimmung derselben oft in der gröblichsten Weise verletzte. Als
er durch die bretonische Legion verstärkt werden sollte, weigerten sich diese
frommen Leute, unter dem Feinde des Papstes zu fechten. Noch Mitte No¬
vember war er zu Autun in Organisationsarbeiten begriffen. Alles in Allem
hat Garibaldi seine „Vogesen-Armee" auf 18,000 Mann gebracht").

Die Schaaren Garibaldi's gehörten fast allen Nationen an; vorzugs¬
weise jedoch waren Polen, Franzosen, Italiener und Spanier vertreten.**)
Wo sie zum Gefecht gekommen sind, haben sie sich gut geschlagen, was ihnen
trotz der Panik von Dijon zugestanden werden muß. Sie sind es, welche im
Feldzuge 1870/71 neben den afrikanischen Truppen das fremde Element
im französischen Heere darstellen, welches, wie wir im Laufe unserer
Darstellung nachgewiesen, zu allen Zeiten einen characteristischen Bestandtheil
desselben gebildet hat. Beliebt hat sich dasselbe in Frankreich nicht ge¬
macht, und wir glauben es gern, wenn Georges Sand in ihrem Tagebuch
versichert, daß das Landvolk die Franctireurs mehr als den Feind gefürchtet
habe und daß die Excesse von Garibaldi's Corps eine Schande für das Heer
gewesen seien.

Wenn man die Gesammtleistungen der Dictatur Gambet-
ta's ins Auge faßt, so muß man dieselben als ganz außerordentlich aner¬
kennen.***)





Die Corps hießen- spanisch-englische Legion, polnische Legion, französische Guerilla
des Orients u. s. w.
") Zu nicht geringem Theile bestanden die Garibaldianer aus dem Auswürfe aller Lan¬
der, namentlich Italiens. Als dies Land durch Garibaldi's Aufruf von derartigen Elementen
gereinigt wurde, soll man zu Florenz gesagt haben: Nun können wir alle Gensdarmen ab¬
schaffen. NiüSIston- Saribaleli. Lss oiM'-rtlons -'r 1'armöo clef Vos^es. ?aris 187l.
Ein trauriges Zeugniß für das Freischarlcrwesen!
Abgesehen von den vor Gambetta's Ankunft in Tours organisirten Truppen, wie von
den in Algerien und in den Depots gebliebenen, wurden in vier Monaten gegen den Feind
geschickt- Infanterie 6s liZrik 208 Bataillone 230,300 Mann, «-»as mobile, 31 Regimenter
ü- 30gg 111,000 Mann, (Zaräs molzilisös, ungefähr 180,000 Mann, Ccivallene, 54 Regimenter
32.400 Mann, Franctireurs ungefähr 30,000 Mann. Zusammen 584,300 Mann, mit Artillerie
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/233>, abgerufen am 28.06.2024.