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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Zur neuesten deutschen Geschichte,
ii.
Bunsen.

Der Thronwechsel des Jahres 1840 in Preußen bezeichnet den Anfang
einer neuen Epoche der preußischen und auch der deutschen Geschichte. Vor¬
boten, Symptome, Anfänge eines neuen Lebens, neuer reformirender Thätig¬
keit traten da überall zu Tage. Nach dem officiellen Stillstande der letzten Re¬
gierung erhoffte man jetzt vorwärtsgehende Bewegung auf den verschiedensten
Gebieten. Und ein paar Entschließungen Friedrich Wilhelm's IV., ein paar
Berufungen literarischer und künstlerischer Größen waren im Anfang der
neuen Regierung genug die Menschen mit der Zuversicht zu erfüllen, daß
Größeres und Schöneres noch bevorstehe. Auch Bunsen theilte diese Hoff¬
nungen, auch er jubelte dem neuen Könige entgegen. Die persönlichen Be¬
ziehungen zu Friedrich Wilhelm brachten ihn nach dem Sturze von 1838
jetzt auch wieder in eine hervorragende Stellung.

Schon in Rom, wir berührten dies in unserem ersten Artikel, war er
dein Kronprinzen nahegetreten. In seinen Briefen sieht man bisweilen, wie
aufmerksam er seinen Blick auf die zukünftige Sonne gerichtet hielt, wie
werthvoll es ihm war von dorther Zustimmung zu seinen Rathschlägen zu
erhalten. Von dem diplomatischen Posten in Rom zurückzutreten war ihm
selbst lieb: daß er sich unmöglich in Rom gemacht, fühlte er wohl selbst.
Eine höhere Stellung in Berlin in einem der Ministerien hatte ihm 1837
und 1838 vorgeschwebt. Daß er 1838 etwas in Ungnade gefallen, war
offenbar. Jedoch wurde er 1839 auf den Gesandtschaftsposten in der Schweiz
gestellt, einerseits eine Rehabilitation, andererseits ein Amt, an dem ihm
nicht viel liegen konnte. Sobald Friedrich Wilhelm IV. die Zügel ergriff,
wurde Bunsen aus seinem "Palaos" erlöst. Die oberste Leitung des öffent¬
lichen Unterrichtswesens, zu der er sich befähigt hielt und für welche er wirk¬
lich schätzenswerthe Eigenschaften mitgebracht haben würde, fiel ihm allerdings
nicht zu, aber zu anderen Aufgaben wurde er berufen, die dem neuen Könige
wahrhafte Herzenssachen waren. Eharacterisch für Bunsen ist es aber, --
wir möchten diesen kleinen Zug nicht übergehen -- daß er selbst einmal


Grenzboten IV. 1872.
Zur neuesten deutschen Geschichte,
ii.
Bunsen.

Der Thronwechsel des Jahres 1840 in Preußen bezeichnet den Anfang
einer neuen Epoche der preußischen und auch der deutschen Geschichte. Vor¬
boten, Symptome, Anfänge eines neuen Lebens, neuer reformirender Thätig¬
keit traten da überall zu Tage. Nach dem officiellen Stillstande der letzten Re¬
gierung erhoffte man jetzt vorwärtsgehende Bewegung auf den verschiedensten
Gebieten. Und ein paar Entschließungen Friedrich Wilhelm's IV., ein paar
Berufungen literarischer und künstlerischer Größen waren im Anfang der
neuen Regierung genug die Menschen mit der Zuversicht zu erfüllen, daß
Größeres und Schöneres noch bevorstehe. Auch Bunsen theilte diese Hoff¬
nungen, auch er jubelte dem neuen Könige entgegen. Die persönlichen Be¬
ziehungen zu Friedrich Wilhelm brachten ihn nach dem Sturze von 1838
jetzt auch wieder in eine hervorragende Stellung.

Schon in Rom, wir berührten dies in unserem ersten Artikel, war er
dein Kronprinzen nahegetreten. In seinen Briefen sieht man bisweilen, wie
aufmerksam er seinen Blick auf die zukünftige Sonne gerichtet hielt, wie
werthvoll es ihm war von dorther Zustimmung zu seinen Rathschlägen zu
erhalten. Von dem diplomatischen Posten in Rom zurückzutreten war ihm
selbst lieb: daß er sich unmöglich in Rom gemacht, fühlte er wohl selbst.
Eine höhere Stellung in Berlin in einem der Ministerien hatte ihm 1837
und 1838 vorgeschwebt. Daß er 1838 etwas in Ungnade gefallen, war
offenbar. Jedoch wurde er 1839 auf den Gesandtschaftsposten in der Schweiz
gestellt, einerseits eine Rehabilitation, andererseits ein Amt, an dem ihm
nicht viel liegen konnte. Sobald Friedrich Wilhelm IV. die Zügel ergriff,
wurde Bunsen aus seinem „Palaos" erlöst. Die oberste Leitung des öffent¬
lichen Unterrichtswesens, zu der er sich befähigt hielt und für welche er wirk¬
lich schätzenswerthe Eigenschaften mitgebracht haben würde, fiel ihm allerdings
nicht zu, aber zu anderen Aufgaben wurde er berufen, die dem neuen Könige
wahrhafte Herzenssachen waren. Eharacterisch für Bunsen ist es aber, —
wir möchten diesen kleinen Zug nicht übergehen — daß er selbst einmal


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[0129] Zur neuesten deutschen Geschichte, ii. Bunsen. Der Thronwechsel des Jahres 1840 in Preußen bezeichnet den Anfang einer neuen Epoche der preußischen und auch der deutschen Geschichte. Vor¬ boten, Symptome, Anfänge eines neuen Lebens, neuer reformirender Thätig¬ keit traten da überall zu Tage. Nach dem officiellen Stillstande der letzten Re¬ gierung erhoffte man jetzt vorwärtsgehende Bewegung auf den verschiedensten Gebieten. Und ein paar Entschließungen Friedrich Wilhelm's IV., ein paar Berufungen literarischer und künstlerischer Größen waren im Anfang der neuen Regierung genug die Menschen mit der Zuversicht zu erfüllen, daß Größeres und Schöneres noch bevorstehe. Auch Bunsen theilte diese Hoff¬ nungen, auch er jubelte dem neuen Könige entgegen. Die persönlichen Be¬ ziehungen zu Friedrich Wilhelm brachten ihn nach dem Sturze von 1838 jetzt auch wieder in eine hervorragende Stellung. Schon in Rom, wir berührten dies in unserem ersten Artikel, war er dein Kronprinzen nahegetreten. In seinen Briefen sieht man bisweilen, wie aufmerksam er seinen Blick auf die zukünftige Sonne gerichtet hielt, wie werthvoll es ihm war von dorther Zustimmung zu seinen Rathschlägen zu erhalten. Von dem diplomatischen Posten in Rom zurückzutreten war ihm selbst lieb: daß er sich unmöglich in Rom gemacht, fühlte er wohl selbst. Eine höhere Stellung in Berlin in einem der Ministerien hatte ihm 1837 und 1838 vorgeschwebt. Daß er 1838 etwas in Ungnade gefallen, war offenbar. Jedoch wurde er 1839 auf den Gesandtschaftsposten in der Schweiz gestellt, einerseits eine Rehabilitation, andererseits ein Amt, an dem ihm nicht viel liegen konnte. Sobald Friedrich Wilhelm IV. die Zügel ergriff, wurde Bunsen aus seinem „Palaos" erlöst. Die oberste Leitung des öffent¬ lichen Unterrichtswesens, zu der er sich befähigt hielt und für welche er wirk¬ lich schätzenswerthe Eigenschaften mitgebracht haben würde, fiel ihm allerdings nicht zu, aber zu anderen Aufgaben wurde er berufen, die dem neuen Könige wahrhafte Herzenssachen waren. Eharacterisch für Bunsen ist es aber, — wir möchten diesen kleinen Zug nicht übergehen — daß er selbst einmal Grenzboten IV. 1872.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/129>, abgerufen am 28.06.2024.