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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band.

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Die Aufhebung der sei'averei auf Guda.

Am 9. August hat der König von Spanien das Gesetz unterzeichnet,
welches allmählich die Sclaverei auf Cuba und Portorico abschafft. Damit ist
nun endlich das große Werk gekrönt und die Sclaverei verschwindet völlig
vom amerikanischen Boden. Alle Staaten haben nach und nach, trotz so
vieler thatsächlicher und scheinbarer Gründe gegen die Abolition sich dem mora¬
lischen Drucke fügen müssen und die neue Welt wird endlich von einem Schande
stecke gänzlich befreit sein. Die Sache ist an und für sich wichtig genug, um
darauf zurückzukommen, sie bildet einen Markstein In der Culturgeschichte und
so, wie man heute die letzte Hexenhinrichtung zu Glarus im Jahre 1782 als
einen Wendepunkt betrachtet, so wird man den 9. August 1872 als den
Schlußtermin ansehen, an welchem der Fluch der wohlgemeinten That des
Las Casas ihr Ende erreichte.

Die ersten Negersclaven wurden 1806 nach Amerika durch die Portugiesen
geschleppt. Zwei voll. Jahrhunderte bestand das Institut, ohne daß sich eine
Stimme gegen dasselbe erhob, bis 1727 die Quäker zuerst in Pennsylvanien
für die Abschaffung der Negersclaverei zu wirken begannen. Frankreich erklärte
1790 die Freiheit seiner Sclaven. -- Napoleon I. führte die Sclaverei wieder
ein. Am 1. August 1838 erfolgte die Freilassung der Sclaven in den briti¬
schen Kolonien, zehn Jahre später in den französischen Kolonien; die spanischen
Republiken hatten zugleich mit ihrer Losreißung vom Mutterlande ihre Scla¬
ven emancipirt und in unserm Lande bildet Lincoln's berühmte Emancipations"
Proclamation vom 1. Januar 1863 den Ausgangspunkt der Sclavereiab¬
schaffung im ganzen Gebiete der Union. Brasilien und die spanischen Colo¬
nien allein waren zurückgeblieben; aber es konnte nur eine Frage der Zeit
sein, bis wann auch dort die Sclaverei zu Falle kam. Jene beiden durften
nicht zurückbleiben, nachdem die Union vier Millionen Schwarzen mit einem
Schlage die Freiheit geschenkt und so erließ Brasilien im verflossenen Jahre
sein sehr weises Sclavenbefreiungsgesetz und nun folgt endlich Spanien für
Cuba und Portorico, indem es ähnlich wie Brasilien, die all mählige Ab¬
schaffung einführt.

Wie ist die Sclaverei heute auf Cuba beschaffen und wie werden die
Folgen der Emancipation dort sein, das sind die beiden Fragen, welche wir
Angesichts der Maßregel des Königs Amadeus uns aufwerfen. Nach dem
officiellen Census zählt Cuba 1,396,530 Einwohner, doch mag deren Anzahl
sich jetzt in Folge der chronisch gewordenen Aufstände vermindert haben. Unter
dieser Zahl werden 370,000 Negersclaven angegeben; allein, das ist viel zu
niedrig gegriffen, indem ihre Gesammtzahl auf der Insel wohl 600,000 er-


Die Aufhebung der sei'averei auf Guda.

Am 9. August hat der König von Spanien das Gesetz unterzeichnet,
welches allmählich die Sclaverei auf Cuba und Portorico abschafft. Damit ist
nun endlich das große Werk gekrönt und die Sclaverei verschwindet völlig
vom amerikanischen Boden. Alle Staaten haben nach und nach, trotz so
vieler thatsächlicher und scheinbarer Gründe gegen die Abolition sich dem mora¬
lischen Drucke fügen müssen und die neue Welt wird endlich von einem Schande
stecke gänzlich befreit sein. Die Sache ist an und für sich wichtig genug, um
darauf zurückzukommen, sie bildet einen Markstein In der Culturgeschichte und
so, wie man heute die letzte Hexenhinrichtung zu Glarus im Jahre 1782 als
einen Wendepunkt betrachtet, so wird man den 9. August 1872 als den
Schlußtermin ansehen, an welchem der Fluch der wohlgemeinten That des
Las Casas ihr Ende erreichte.

Die ersten Negersclaven wurden 1806 nach Amerika durch die Portugiesen
geschleppt. Zwei voll. Jahrhunderte bestand das Institut, ohne daß sich eine
Stimme gegen dasselbe erhob, bis 1727 die Quäker zuerst in Pennsylvanien
für die Abschaffung der Negersclaverei zu wirken begannen. Frankreich erklärte
1790 die Freiheit seiner Sclaven. — Napoleon I. führte die Sclaverei wieder
ein. Am 1. August 1838 erfolgte die Freilassung der Sclaven in den briti¬
schen Kolonien, zehn Jahre später in den französischen Kolonien; die spanischen
Republiken hatten zugleich mit ihrer Losreißung vom Mutterlande ihre Scla¬
ven emancipirt und in unserm Lande bildet Lincoln's berühmte Emancipations«
Proclamation vom 1. Januar 1863 den Ausgangspunkt der Sclavereiab¬
schaffung im ganzen Gebiete der Union. Brasilien und die spanischen Colo¬
nien allein waren zurückgeblieben; aber es konnte nur eine Frage der Zeit
sein, bis wann auch dort die Sclaverei zu Falle kam. Jene beiden durften
nicht zurückbleiben, nachdem die Union vier Millionen Schwarzen mit einem
Schlage die Freiheit geschenkt und so erließ Brasilien im verflossenen Jahre
sein sehr weises Sclavenbefreiungsgesetz und nun folgt endlich Spanien für
Cuba und Portorico, indem es ähnlich wie Brasilien, die all mählige Ab¬
schaffung einführt.

Wie ist die Sclaverei heute auf Cuba beschaffen und wie werden die
Folgen der Emancipation dort sein, das sind die beiden Fragen, welche wir
Angesichts der Maßregel des Königs Amadeus uns aufwerfen. Nach dem
officiellen Census zählt Cuba 1,396,530 Einwohner, doch mag deren Anzahl
sich jetzt in Folge der chronisch gewordenen Aufstände vermindert haben. Unter
dieser Zahl werden 370,000 Negersclaven angegeben; allein, das ist viel zu
niedrig gegriffen, indem ihre Gesammtzahl auf der Insel wohl 600,000 er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_128453/115>, abgerufen am 28.06.2024.