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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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mitten des märkischen Adels ein, bis endlich die Schule und die Oeconomie
von den alten klösterlichen Gebäuden Besitz nahm.

In Havelberg hat die Abgeschlossenheit gegen die Außenwelt, die Ent¬
fernung von den großen Verkehrsstraßen schützend für Kunst und Alterthum
gewirkt. Hier oben diese Fülle von Baulichkeiten und Denkmalen, diese Hei¬
ligenbilder, die über Stall und Scheune eingemauert sind, dort unten die selt¬
same, achteckige Wallfahrtscapelle am Schwedenberge, die Stadtkirche zu Se.
Lorenz mit den Grabsteinen von Bürgermeistern und Rathsherren, die zum
h. Grabe gewallfahrtet sind, ja selbst die Häuser mit ihren frommen Inschrif¬
ten aus der Borzeit, -- man empfindet hier wirklich noch etwas von dem
Eindrucke einer Bischofsstadt.


Ch orin.

So rasch, rüstig und lebensfnsch das Leben in der Mark pulsirt, sie hat
doch genug der Ueberreste alter Architectur, um welche die Klänge großer
historischer Poesie schweben. Die Perle aber all dieser Ruinen ist Kloster
Chorin.

Der südliche Theil der Ukermark ist geschichtlich geweihter Boden. Hier
liegen die Jagdgründe der anhaltinischen Fürsten, die prächtigen Forsten um
den Grimnitz- und Werbellin-See. Diese schlanken Fichten, diese alten Buchen
gewinnen ein eigenthümliches Interesse, wenn wir sie mit den großen Gestal¬
ten der Vorzeit beleben. Unter lustigen Waidmannsklängen zog damals eine
Jcigerschaar dahin, -- auf dem langen Ritterkleide, das der vorderste Reiter
trug, prangten die rothen Adler von Brandenburg, -- der Fürst will der Re¬
gierungssorgen vergessen, er hatte das Schlachtschwert mit dem Jägerspieß ver¬
tauscht, und Truchseß und Mundschenk, Notar und Hofcaplan waren dem
Fürsten mit Freuden in die Waldeinsamkeit gefolgt. Sie zogen zum Ufer
des Werbellin, bald glänzten ihnen die bethürmten Zinnen des Jagdschlosses
Breter entgegen, das damals an ihm stand. Lange schon ist der Sitz alter
Fröhlichkeit, aus welchem oft die Festesfreude hinausstrahlte in den dunklen
Wald, zerfallen, die Bäume wiegen ihr Haupt über den wenigen Ziegeltrüm¬
mern, die Wellen des unruhigen Waldsees schlagen eintönig gegen das Ufer.
Tief im Gestrüpp, an einer schaurig wilden Stelle des Forstes liegen Feld¬
steine im Kreise umher, 's ist wohl ein alter wendischer Kirchhof, aber das
Landvolk nennt den Platz Bärenskirchhof und erzählt die uralte Sage von
dem Hackelberend.

Nach Osten zu liegt die Grabstätte der Fürsten, die hier den Hirsch ge¬
stellt und mit dem Bären gerungen, die Cisterzienser-Abtei Chorin. Die
Gründungsgeschichte des Klosters geht tief zurück in die Urzeit des Landes.
Wir hören den Schlachtruf des dreizehnten Jahrhunderts. Albrecht II. von


mitten des märkischen Adels ein, bis endlich die Schule und die Oeconomie
von den alten klösterlichen Gebäuden Besitz nahm.

In Havelberg hat die Abgeschlossenheit gegen die Außenwelt, die Ent¬
fernung von den großen Verkehrsstraßen schützend für Kunst und Alterthum
gewirkt. Hier oben diese Fülle von Baulichkeiten und Denkmalen, diese Hei¬
ligenbilder, die über Stall und Scheune eingemauert sind, dort unten die selt¬
same, achteckige Wallfahrtscapelle am Schwedenberge, die Stadtkirche zu Se.
Lorenz mit den Grabsteinen von Bürgermeistern und Rathsherren, die zum
h. Grabe gewallfahrtet sind, ja selbst die Häuser mit ihren frommen Inschrif¬
ten aus der Borzeit, — man empfindet hier wirklich noch etwas von dem
Eindrucke einer Bischofsstadt.


Ch orin.

So rasch, rüstig und lebensfnsch das Leben in der Mark pulsirt, sie hat
doch genug der Ueberreste alter Architectur, um welche die Klänge großer
historischer Poesie schweben. Die Perle aber all dieser Ruinen ist Kloster
Chorin.

Der südliche Theil der Ukermark ist geschichtlich geweihter Boden. Hier
liegen die Jagdgründe der anhaltinischen Fürsten, die prächtigen Forsten um
den Grimnitz- und Werbellin-See. Diese schlanken Fichten, diese alten Buchen
gewinnen ein eigenthümliches Interesse, wenn wir sie mit den großen Gestal¬
ten der Vorzeit beleben. Unter lustigen Waidmannsklängen zog damals eine
Jcigerschaar dahin, — auf dem langen Ritterkleide, das der vorderste Reiter
trug, prangten die rothen Adler von Brandenburg, — der Fürst will der Re¬
gierungssorgen vergessen, er hatte das Schlachtschwert mit dem Jägerspieß ver¬
tauscht, und Truchseß und Mundschenk, Notar und Hofcaplan waren dem
Fürsten mit Freuden in die Waldeinsamkeit gefolgt. Sie zogen zum Ufer
des Werbellin, bald glänzten ihnen die bethürmten Zinnen des Jagdschlosses
Breter entgegen, das damals an ihm stand. Lange schon ist der Sitz alter
Fröhlichkeit, aus welchem oft die Festesfreude hinausstrahlte in den dunklen
Wald, zerfallen, die Bäume wiegen ihr Haupt über den wenigen Ziegeltrüm¬
mern, die Wellen des unruhigen Waldsees schlagen eintönig gegen das Ufer.
Tief im Gestrüpp, an einer schaurig wilden Stelle des Forstes liegen Feld¬
steine im Kreise umher, 's ist wohl ein alter wendischer Kirchhof, aber das
Landvolk nennt den Platz Bärenskirchhof und erzählt die uralte Sage von
dem Hackelberend.

Nach Osten zu liegt die Grabstätte der Fürsten, die hier den Hirsch ge¬
stellt und mit dem Bären gerungen, die Cisterzienser-Abtei Chorin. Die
Gründungsgeschichte des Klosters geht tief zurück in die Urzeit des Landes.
Wir hören den Schlachtruf des dreizehnten Jahrhunderts. Albrecht II. von


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[0423] mitten des märkischen Adels ein, bis endlich die Schule und die Oeconomie von den alten klösterlichen Gebäuden Besitz nahm. In Havelberg hat die Abgeschlossenheit gegen die Außenwelt, die Ent¬ fernung von den großen Verkehrsstraßen schützend für Kunst und Alterthum gewirkt. Hier oben diese Fülle von Baulichkeiten und Denkmalen, diese Hei¬ ligenbilder, die über Stall und Scheune eingemauert sind, dort unten die selt¬ same, achteckige Wallfahrtscapelle am Schwedenberge, die Stadtkirche zu Se. Lorenz mit den Grabsteinen von Bürgermeistern und Rathsherren, die zum h. Grabe gewallfahrtet sind, ja selbst die Häuser mit ihren frommen Inschrif¬ ten aus der Borzeit, — man empfindet hier wirklich noch etwas von dem Eindrucke einer Bischofsstadt. Ch orin. So rasch, rüstig und lebensfnsch das Leben in der Mark pulsirt, sie hat doch genug der Ueberreste alter Architectur, um welche die Klänge großer historischer Poesie schweben. Die Perle aber all dieser Ruinen ist Kloster Chorin. Der südliche Theil der Ukermark ist geschichtlich geweihter Boden. Hier liegen die Jagdgründe der anhaltinischen Fürsten, die prächtigen Forsten um den Grimnitz- und Werbellin-See. Diese schlanken Fichten, diese alten Buchen gewinnen ein eigenthümliches Interesse, wenn wir sie mit den großen Gestal¬ ten der Vorzeit beleben. Unter lustigen Waidmannsklängen zog damals eine Jcigerschaar dahin, — auf dem langen Ritterkleide, das der vorderste Reiter trug, prangten die rothen Adler von Brandenburg, — der Fürst will der Re¬ gierungssorgen vergessen, er hatte das Schlachtschwert mit dem Jägerspieß ver¬ tauscht, und Truchseß und Mundschenk, Notar und Hofcaplan waren dem Fürsten mit Freuden in die Waldeinsamkeit gefolgt. Sie zogen zum Ufer des Werbellin, bald glänzten ihnen die bethürmten Zinnen des Jagdschlosses Breter entgegen, das damals an ihm stand. Lange schon ist der Sitz alter Fröhlichkeit, aus welchem oft die Festesfreude hinausstrahlte in den dunklen Wald, zerfallen, die Bäume wiegen ihr Haupt über den wenigen Ziegeltrüm¬ mern, die Wellen des unruhigen Waldsees schlagen eintönig gegen das Ufer. Tief im Gestrüpp, an einer schaurig wilden Stelle des Forstes liegen Feld¬ steine im Kreise umher, 's ist wohl ein alter wendischer Kirchhof, aber das Landvolk nennt den Platz Bärenskirchhof und erzählt die uralte Sage von dem Hackelberend. Nach Osten zu liegt die Grabstätte der Fürsten, die hier den Hirsch ge¬ stellt und mit dem Bären gerungen, die Cisterzienser-Abtei Chorin. Die Gründungsgeschichte des Klosters geht tief zurück in die Urzeit des Landes. Wir hören den Schlachtruf des dreizehnten Jahrhunderts. Albrecht II. von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/423>, abgerufen am 26.06.2024.