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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Brandenburg hat sein Banner gegen die Pommern entrollt, an ^der Finow
und der Oder werden die Entscheidungsschlachten geschlagen. Aus dem Blute
aber, das den Boden düngt, sprießt eine Saat namenlosen Elends auf, und
der fromme Fürst beschließt, in dem wendischen Flecken Barsdin, der sich un¬
ter seiner neuerrichteten Burg Oderberg erhebt, ein Kriegerhospital anzule¬
gen, Prämonstratenser aus Gramzow kommen herüber und gründen neben
dem Hospital 1231 ein Kloster mit dem schönen Namen Gottesstadt, aber die
Stürme der Zeit vernichten gar bald die neue Stiftung, von dem Oderberger
Kloster ist jede Spur verschwunden. Da tauchen zwei andere Fürstengestalten
vor uns auf, weniger von dem blutigen Schein des Krieges, als von dem
milden Licht des Friedens umgeben, das Bruderpaar Otto III. und Johann I.
Sie stehen am Schlüsse eines reichbewegter, reichgesegneten Lebens, das Schwert
der Mark hat reiche Ehren auf den Steppen Ungarns und in den heiligen
'Wäldern der Preußen gewonnen, weithin ist ihre Herrschaft gewachsen und
unter dem Schutze der Fürsten ist das Land erblüht, sind Zucht und Gesit¬
tung eingekehrt in die Burgen und in die Städte, in aller Freudigkeit rüsti¬
gen Schaffens rühren sich alle Stände ihres Volkes. Zum Dank für diese
Erfolge beschließen die Fürsten, das eingegangene Kloster Gottesstadt zu er¬
neuern; nördlich von Oderberg, auf einer Insel des Parsteinsees, dem Päliz-
werder, wird 1264 die Cistercienser-Abtei Mariensee gegründet.

Auch dort ist die Stiftung nicht für die Dauer geblieben. Noch sieht
man an einer Stelle des Sees unter dem Wasser Steinhaufen und Trümmer,
welche zu der Sage Veranlassung gegeben haben, hier sei einst eine Stadt
versunken, -- noch klingen in der Johannisnacht die Glocken aus der Tiefe
herauf. Es ist der letzte Nachklang von" dem einst hier bestandenen Kloster
Mariensee. Wegen seiner ungünstigen Lage wurde es nämlich schon 1270 an
die heutige Stelle, die Südspitze des Sees Chorin, verlegt. Gefördert von
fürstlicher Huld, unterstützt von allen schildgeborenen Geschlechtern der Um¬
gegend, den Edlen von Schneitlingen, von Steglitz und Oderberg, den Herren
von Allen und von Tornow, besonders von der aus slavischem Fürstengeschlechte
abstammenden Familie Greif von Greifenberg, wurde der Bau von Kloster
Chorin mit großer Schnelligkeit und in seltener Schönheit vollendet. Die
innere Einrichtung übernahm der Convent von Lehnin; bald wurde unter der
fleißigen Hand der Mönche die öde Haide ringsum urbar und schon nach
einem Jahrhundert war das Kloster an mehr als fünfzig Ortschaften begü¬
tert. Zwanzig Seen machten seinen Hauptreichthum aus und die bedeutend¬
sten Geschlechter der Ukermark gingen bei unserer lieben Frau von Chorin
zu Lehn.

Unter der Stiftskirche sind die Gräber der anhaltinischen Markgrafen jo-
hanneischer Linie, sie sämmtlich ließen sich im Ordenskleid des heiligen Robert


Brandenburg hat sein Banner gegen die Pommern entrollt, an ^der Finow
und der Oder werden die Entscheidungsschlachten geschlagen. Aus dem Blute
aber, das den Boden düngt, sprießt eine Saat namenlosen Elends auf, und
der fromme Fürst beschließt, in dem wendischen Flecken Barsdin, der sich un¬
ter seiner neuerrichteten Burg Oderberg erhebt, ein Kriegerhospital anzule¬
gen, Prämonstratenser aus Gramzow kommen herüber und gründen neben
dem Hospital 1231 ein Kloster mit dem schönen Namen Gottesstadt, aber die
Stürme der Zeit vernichten gar bald die neue Stiftung, von dem Oderberger
Kloster ist jede Spur verschwunden. Da tauchen zwei andere Fürstengestalten
vor uns auf, weniger von dem blutigen Schein des Krieges, als von dem
milden Licht des Friedens umgeben, das Bruderpaar Otto III. und Johann I.
Sie stehen am Schlüsse eines reichbewegter, reichgesegneten Lebens, das Schwert
der Mark hat reiche Ehren auf den Steppen Ungarns und in den heiligen
'Wäldern der Preußen gewonnen, weithin ist ihre Herrschaft gewachsen und
unter dem Schutze der Fürsten ist das Land erblüht, sind Zucht und Gesit¬
tung eingekehrt in die Burgen und in die Städte, in aller Freudigkeit rüsti¬
gen Schaffens rühren sich alle Stände ihres Volkes. Zum Dank für diese
Erfolge beschließen die Fürsten, das eingegangene Kloster Gottesstadt zu er¬
neuern; nördlich von Oderberg, auf einer Insel des Parsteinsees, dem Päliz-
werder, wird 1264 die Cistercienser-Abtei Mariensee gegründet.

Auch dort ist die Stiftung nicht für die Dauer geblieben. Noch sieht
man an einer Stelle des Sees unter dem Wasser Steinhaufen und Trümmer,
welche zu der Sage Veranlassung gegeben haben, hier sei einst eine Stadt
versunken, — noch klingen in der Johannisnacht die Glocken aus der Tiefe
herauf. Es ist der letzte Nachklang von» dem einst hier bestandenen Kloster
Mariensee. Wegen seiner ungünstigen Lage wurde es nämlich schon 1270 an
die heutige Stelle, die Südspitze des Sees Chorin, verlegt. Gefördert von
fürstlicher Huld, unterstützt von allen schildgeborenen Geschlechtern der Um¬
gegend, den Edlen von Schneitlingen, von Steglitz und Oderberg, den Herren
von Allen und von Tornow, besonders von der aus slavischem Fürstengeschlechte
abstammenden Familie Greif von Greifenberg, wurde der Bau von Kloster
Chorin mit großer Schnelligkeit und in seltener Schönheit vollendet. Die
innere Einrichtung übernahm der Convent von Lehnin; bald wurde unter der
fleißigen Hand der Mönche die öde Haide ringsum urbar und schon nach
einem Jahrhundert war das Kloster an mehr als fünfzig Ortschaften begü¬
tert. Zwanzig Seen machten seinen Hauptreichthum aus und die bedeutend¬
sten Geschlechter der Ukermark gingen bei unserer lieben Frau von Chorin
zu Lehn.

Unter der Stiftskirche sind die Gräber der anhaltinischen Markgrafen jo-
hanneischer Linie, sie sämmtlich ließen sich im Ordenskleid des heiligen Robert


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[0424] Brandenburg hat sein Banner gegen die Pommern entrollt, an ^der Finow und der Oder werden die Entscheidungsschlachten geschlagen. Aus dem Blute aber, das den Boden düngt, sprießt eine Saat namenlosen Elends auf, und der fromme Fürst beschließt, in dem wendischen Flecken Barsdin, der sich un¬ ter seiner neuerrichteten Burg Oderberg erhebt, ein Kriegerhospital anzule¬ gen, Prämonstratenser aus Gramzow kommen herüber und gründen neben dem Hospital 1231 ein Kloster mit dem schönen Namen Gottesstadt, aber die Stürme der Zeit vernichten gar bald die neue Stiftung, von dem Oderberger Kloster ist jede Spur verschwunden. Da tauchen zwei andere Fürstengestalten vor uns auf, weniger von dem blutigen Schein des Krieges, als von dem milden Licht des Friedens umgeben, das Bruderpaar Otto III. und Johann I. Sie stehen am Schlüsse eines reichbewegter, reichgesegneten Lebens, das Schwert der Mark hat reiche Ehren auf den Steppen Ungarns und in den heiligen 'Wäldern der Preußen gewonnen, weithin ist ihre Herrschaft gewachsen und unter dem Schutze der Fürsten ist das Land erblüht, sind Zucht und Gesit¬ tung eingekehrt in die Burgen und in die Städte, in aller Freudigkeit rüsti¬ gen Schaffens rühren sich alle Stände ihres Volkes. Zum Dank für diese Erfolge beschließen die Fürsten, das eingegangene Kloster Gottesstadt zu er¬ neuern; nördlich von Oderberg, auf einer Insel des Parsteinsees, dem Päliz- werder, wird 1264 die Cistercienser-Abtei Mariensee gegründet. Auch dort ist die Stiftung nicht für die Dauer geblieben. Noch sieht man an einer Stelle des Sees unter dem Wasser Steinhaufen und Trümmer, welche zu der Sage Veranlassung gegeben haben, hier sei einst eine Stadt versunken, — noch klingen in der Johannisnacht die Glocken aus der Tiefe herauf. Es ist der letzte Nachklang von» dem einst hier bestandenen Kloster Mariensee. Wegen seiner ungünstigen Lage wurde es nämlich schon 1270 an die heutige Stelle, die Südspitze des Sees Chorin, verlegt. Gefördert von fürstlicher Huld, unterstützt von allen schildgeborenen Geschlechtern der Um¬ gegend, den Edlen von Schneitlingen, von Steglitz und Oderberg, den Herren von Allen und von Tornow, besonders von der aus slavischem Fürstengeschlechte abstammenden Familie Greif von Greifenberg, wurde der Bau von Kloster Chorin mit großer Schnelligkeit und in seltener Schönheit vollendet. Die innere Einrichtung übernahm der Convent von Lehnin; bald wurde unter der fleißigen Hand der Mönche die öde Haide ringsum urbar und schon nach einem Jahrhundert war das Kloster an mehr als fünfzig Ortschaften begü¬ tert. Zwanzig Seen machten seinen Hauptreichthum aus und die bedeutend¬ sten Geschlechter der Ukermark gingen bei unserer lieben Frau von Chorin zu Lehn. Unter der Stiftskirche sind die Gräber der anhaltinischen Markgrafen jo- hanneischer Linie, sie sämmtlich ließen sich im Ordenskleid des heiligen Robert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/424>, abgerufen am 29.09.2024.