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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Zur ßharakteriftik Uobert Ilums.
i.

Seit Jahrzehnten sind wir in Deutschland gewöhnt, daß die Organe und
Wortführer der radicalsten politischen und socialen Parteien Robert Blum,
als einen ihrer Partei allein und ausschließlich an gehörigen Parteimann bean¬
spruchen. Viele Jahre lang hat man diese unhistorischen Behauptungen mit
dem Bewußtsein besseren Wissens anhören können. Aber seitdem eine ganze
Anzahl vaterlandsloser Parteien diesen guten Namen, wie den eines gott¬
seliger Mitverschwornen im Munde führt, wächst die Gefahr, daß in weiten
Kreisen das Bild und das Gedächtniß Robert Blums durch solche Irrthümer
verdorben werde. Wir theilen daher einige von Blum selbst herrührende Zeug¬
nisse seiner Gesinnung mit und überlassen die Beurtheilung seiner politischen
und socialen Anschauungen unsern Lesern.

Diese Urkunden gehören ausschließlich dem Jahr 1848 an, und umfassen
die Zeit vom Februar 1848 bis wenige Wochen vor seinem Tode. Die Be¬
schränkung auf diese Zeit ist eine Concession an die radicalen Parteien, welche
Robert Blum heute unter ihre abgeschiedenen Gesinnungsgenossen zählen.
Sie schneidet schlechthin die Einrede ab, daß Robert Blum aus seinen vor¬
märzlichen Thaten nicht beurtheilt werden dürfe, daß nur die letzten Monate
seines Lebens seine wahren politischen Ziele enthüllt hätten. Ohne den Werth
dieser Einrede zu untersuchen, welche indirect einem vierzigjährigen, im edelsten
und vollsten Sinne des Wortes selbstgewordenen Manne zutraut, daß er sein
Wesen und seine Ziele von Grundaus geändert habe in dem Augenblick, wo
die Hoffnung seines Lebens in Erfüllung zu gehen versprach, lassen wir sie
gelten, und bieten nur Urkunden aus den Tagen der großen deutschen Re¬
volution.

Nichts kann uns dazu bewegen, den positiven Versicherungen unsrer
Radicalen und Socialisten, daß Robert Blum heute unter ihnen stehen würde,
mit der nutzlosen Hypothese zu antworten, daß er vermuthlich zu der Partei
sich halten würde, der die wenigen überlebenden Kampfgenossen der Linken,
ja sogar der äußersten Linken des Frankfurter Parlements (wie Arnold Rüge
u. f. w.) heut angehören. Wir lassen vielmehr urkundliche Beweise dafür sprechen,


Gvenzbotm III. 1872. 26
Zur ßharakteriftik Uobert Ilums.
i.

Seit Jahrzehnten sind wir in Deutschland gewöhnt, daß die Organe und
Wortführer der radicalsten politischen und socialen Parteien Robert Blum,
als einen ihrer Partei allein und ausschließlich an gehörigen Parteimann bean¬
spruchen. Viele Jahre lang hat man diese unhistorischen Behauptungen mit
dem Bewußtsein besseren Wissens anhören können. Aber seitdem eine ganze
Anzahl vaterlandsloser Parteien diesen guten Namen, wie den eines gott¬
seliger Mitverschwornen im Munde führt, wächst die Gefahr, daß in weiten
Kreisen das Bild und das Gedächtniß Robert Blums durch solche Irrthümer
verdorben werde. Wir theilen daher einige von Blum selbst herrührende Zeug¬
nisse seiner Gesinnung mit und überlassen die Beurtheilung seiner politischen
und socialen Anschauungen unsern Lesern.

Diese Urkunden gehören ausschließlich dem Jahr 1848 an, und umfassen
die Zeit vom Februar 1848 bis wenige Wochen vor seinem Tode. Die Be¬
schränkung auf diese Zeit ist eine Concession an die radicalen Parteien, welche
Robert Blum heute unter ihre abgeschiedenen Gesinnungsgenossen zählen.
Sie schneidet schlechthin die Einrede ab, daß Robert Blum aus seinen vor¬
märzlichen Thaten nicht beurtheilt werden dürfe, daß nur die letzten Monate
seines Lebens seine wahren politischen Ziele enthüllt hätten. Ohne den Werth
dieser Einrede zu untersuchen, welche indirect einem vierzigjährigen, im edelsten
und vollsten Sinne des Wortes selbstgewordenen Manne zutraut, daß er sein
Wesen und seine Ziele von Grundaus geändert habe in dem Augenblick, wo
die Hoffnung seines Lebens in Erfüllung zu gehen versprach, lassen wir sie
gelten, und bieten nur Urkunden aus den Tagen der großen deutschen Re¬
volution.

Nichts kann uns dazu bewegen, den positiven Versicherungen unsrer
Radicalen und Socialisten, daß Robert Blum heute unter ihnen stehen würde,
mit der nutzlosen Hypothese zu antworten, daß er vermuthlich zu der Partei
sich halten würde, der die wenigen überlebenden Kampfgenossen der Linken,
ja sogar der äußersten Linken des Frankfurter Parlements (wie Arnold Rüge
u. f. w.) heut angehören. Wir lassen vielmehr urkundliche Beweise dafür sprechen,


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[0209] Zur ßharakteriftik Uobert Ilums. i. Seit Jahrzehnten sind wir in Deutschland gewöhnt, daß die Organe und Wortführer der radicalsten politischen und socialen Parteien Robert Blum, als einen ihrer Partei allein und ausschließlich an gehörigen Parteimann bean¬ spruchen. Viele Jahre lang hat man diese unhistorischen Behauptungen mit dem Bewußtsein besseren Wissens anhören können. Aber seitdem eine ganze Anzahl vaterlandsloser Parteien diesen guten Namen, wie den eines gott¬ seliger Mitverschwornen im Munde führt, wächst die Gefahr, daß in weiten Kreisen das Bild und das Gedächtniß Robert Blums durch solche Irrthümer verdorben werde. Wir theilen daher einige von Blum selbst herrührende Zeug¬ nisse seiner Gesinnung mit und überlassen die Beurtheilung seiner politischen und socialen Anschauungen unsern Lesern. Diese Urkunden gehören ausschließlich dem Jahr 1848 an, und umfassen die Zeit vom Februar 1848 bis wenige Wochen vor seinem Tode. Die Be¬ schränkung auf diese Zeit ist eine Concession an die radicalen Parteien, welche Robert Blum heute unter ihre abgeschiedenen Gesinnungsgenossen zählen. Sie schneidet schlechthin die Einrede ab, daß Robert Blum aus seinen vor¬ märzlichen Thaten nicht beurtheilt werden dürfe, daß nur die letzten Monate seines Lebens seine wahren politischen Ziele enthüllt hätten. Ohne den Werth dieser Einrede zu untersuchen, welche indirect einem vierzigjährigen, im edelsten und vollsten Sinne des Wortes selbstgewordenen Manne zutraut, daß er sein Wesen und seine Ziele von Grundaus geändert habe in dem Augenblick, wo die Hoffnung seines Lebens in Erfüllung zu gehen versprach, lassen wir sie gelten, und bieten nur Urkunden aus den Tagen der großen deutschen Re¬ volution. Nichts kann uns dazu bewegen, den positiven Versicherungen unsrer Radicalen und Socialisten, daß Robert Blum heute unter ihnen stehen würde, mit der nutzlosen Hypothese zu antworten, daß er vermuthlich zu der Partei sich halten würde, der die wenigen überlebenden Kampfgenossen der Linken, ja sogar der äußersten Linken des Frankfurter Parlements (wie Arnold Rüge u. f. w.) heut angehören. Wir lassen vielmehr urkundliche Beweise dafür sprechen, Gvenzbotm III. 1872. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/209>, abgerufen am 26.06.2024.