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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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bestimmte gemeinsame deutsche Aufgaben ernst und mächtig klar zu legen, um
Alle als Streiter einer großen Sache nach der Heimath zurückzusenden? Nichts
davon. Phrasen, die verfliegen, wie der Dampf der Büchse und die Laune
des Weines! -- Und das Verhältniß zu den Deutschösterreichern soll sich hier
klären? Etwa durch die Phrasen des Herrn Kopp von vernarbten Wunden,
oder diejenigen des Herrn Advocaten Fischer vom deutschen Heimweh? Wenn
hier überhaupt etwas gewirkt wird, so ist es wiederum nur die größere Ver¬
breitung der landläufigen Phrase, daß wir im Reich und die Deutschen in
Oesterreich zusammen gehören, auch staatlich eins sein sollten. Und diese
Phrase ist heute so unpolitisch, verkehrt und unglückselig wie nur je eine gro߬
deutsche Illusion des vergangenen Jahrzehnts.

Nicht einmal großen technischen Werth für die mechanische Kunst des
Treffens, und noch weniger für die Wehrbarkeit der Nation können wir
diesen Festen beimessen. Denn keineswegs lernt oder übt sich dort jener
Waffendienst, der im Falle der Noth, im Kriege von Werth ist. Ein be-
klagenswerther Soldat, der ohne weitere Vorbildung und Waffenbekanntschaft
als die der Schießstände, so verwöhnt in Bezug auf Waffen, Ziel und Stand,
im Felde feuern müßte! Jede Jahresversammlung der deutschen Turner und
Feuerwehren, Lehrer, Zahnärzte und Naturforscher ist von unvergleichlich größeren
und gemeinnützigeren Folgen begleitet, als die "deutschen Bundesschießen."
Also fort damit!




Ile neuen deutschen Münzen.*)

Es ist wohl eine Folge der bisher verhältnißmäßig geringen Ausprägung
deutscher Reichsgoldmünzen, daß in unserm Volke und namentlich im Aus¬
lande die hohe Bedeutung des deutschen Reichsgesetzes vom 4. Dezember 1871
bisher keineswegs nach Gebühr gewürdigt worden ist und demnach hat der
Verfasser des vorliegenden Werkes vollkommen Recht, wenn er in seinem kurzen
Vorwort sagt, "daß dieses Gesetz nicht nur für die wirthschaftliche Ent¬
wicklung Deutschlands, für seinen Handel und seine Industrie, sondern weit
darüber hinaus für den Welthandel und den internationalen Verkehr eine



") M. Quenstedt, preußischer Rechtsanwalt, die neuen deutschen Münzen. Entstehung,
Text und Erläuterungen des Gesetzes betreffend die Ausprägung von Reichsgoldmünzen unter
Berücksichtigung ihres Verhältnisses zu den bisherigen deutschen und den wichtigsten anderer
Länder. Berlin, Julius Springer 1872.

bestimmte gemeinsame deutsche Aufgaben ernst und mächtig klar zu legen, um
Alle als Streiter einer großen Sache nach der Heimath zurückzusenden? Nichts
davon. Phrasen, die verfliegen, wie der Dampf der Büchse und die Laune
des Weines! — Und das Verhältniß zu den Deutschösterreichern soll sich hier
klären? Etwa durch die Phrasen des Herrn Kopp von vernarbten Wunden,
oder diejenigen des Herrn Advocaten Fischer vom deutschen Heimweh? Wenn
hier überhaupt etwas gewirkt wird, so ist es wiederum nur die größere Ver¬
breitung der landläufigen Phrase, daß wir im Reich und die Deutschen in
Oesterreich zusammen gehören, auch staatlich eins sein sollten. Und diese
Phrase ist heute so unpolitisch, verkehrt und unglückselig wie nur je eine gro߬
deutsche Illusion des vergangenen Jahrzehnts.

Nicht einmal großen technischen Werth für die mechanische Kunst des
Treffens, und noch weniger für die Wehrbarkeit der Nation können wir
diesen Festen beimessen. Denn keineswegs lernt oder übt sich dort jener
Waffendienst, der im Falle der Noth, im Kriege von Werth ist. Ein be-
klagenswerther Soldat, der ohne weitere Vorbildung und Waffenbekanntschaft
als die der Schießstände, so verwöhnt in Bezug auf Waffen, Ziel und Stand,
im Felde feuern müßte! Jede Jahresversammlung der deutschen Turner und
Feuerwehren, Lehrer, Zahnärzte und Naturforscher ist von unvergleichlich größeren
und gemeinnützigeren Folgen begleitet, als die „deutschen Bundesschießen."
Also fort damit!




Ile neuen deutschen Münzen.*)

Es ist wohl eine Folge der bisher verhältnißmäßig geringen Ausprägung
deutscher Reichsgoldmünzen, daß in unserm Volke und namentlich im Aus¬
lande die hohe Bedeutung des deutschen Reichsgesetzes vom 4. Dezember 1871
bisher keineswegs nach Gebühr gewürdigt worden ist und demnach hat der
Verfasser des vorliegenden Werkes vollkommen Recht, wenn er in seinem kurzen
Vorwort sagt, „daß dieses Gesetz nicht nur für die wirthschaftliche Ent¬
wicklung Deutschlands, für seinen Handel und seine Industrie, sondern weit
darüber hinaus für den Welthandel und den internationalen Verkehr eine



") M. Quenstedt, preußischer Rechtsanwalt, die neuen deutschen Münzen. Entstehung,
Text und Erläuterungen des Gesetzes betreffend die Ausprägung von Reichsgoldmünzen unter
Berücksichtigung ihres Verhältnisses zu den bisherigen deutschen und den wichtigsten anderer
Länder. Berlin, Julius Springer 1872.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/204>, abgerufen am 26.06.2024.