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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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-- ich bin Katholik -- so mußte ich mir unwillkürlich an die Schläfe greifen
und mich fragen, in welchem Jahrhundert wir denn leben."

Wir meinen, unsere Leser werden, wenn sie diese Blumenlese von Jesuiten-
Mirakeln nach gemachtem Gebrauch aus der Hand legen, ein wenig betäubt
von dem Geruch des Sträußchens, desgleichen thun.




Line Aerner Mtricierin des siebzehnten Jahrhunderts
von
A. Wysard. (Schluß.)

Montags den 9. December 1689 zeigten die beiden Heimlicher Ernst und
Ryhiner dem durch Glockenschlag versammelten Rath der Zweihundert an,
daß sie "in der verschienem Nacht eine Weibsperson, auf welche ein starker
Verdacht gefallen, mit unerlaubten Korrespondenzen umzugehn, in die Insel
geführt und daselbst bis auf weitere Verordnungen wohl verwahrt hätten!"
Weil die Gefangene der mächtigen Familie von Wattenwyl angehörte, mußten
alle Glieder und Verwandten derselben abtreten und wurde in einer tumul-
tuarischen Sitzung das Verfahren der Heimlicher gutgeheißen, ein eigener Aus¬
schuß niedergesetzt und mit außerordentlicher sonst in "dergleichen des Vater¬
landes Sicherheit anhebenden Begebenheiten" dem geheimen Rath zukommen¬
den Befugniß ausgestattet, diese Person zu examiniren, sie auch alles Ernstes
zu befragen, wer sie zu diesen Sachen angerufen und verleitet habe und wer
mit ihr darin weiters intressirt sein möchte." An der Spitze dieses Ausschusses
stand der schongenannte franzosenfeindliche und darum auch populäre Verner
Dachselhofer, den die antifränzösische Partei an die Stelle eines der beiden
verdächtigen Schultheißen zu befördern hoffte. Neben diesem Mann von Eisen
saßen die Herrn Verner Jenner, ein Mann, der auf schnelle und unbegreif¬
liche Weise sein Vermögen gewonnen hatte, die Heimlicher Ernst und Ryhiner,
die Altlandvögte Willading, Berseth, Thormann und Wurstenberger.

Es handelte sich nun in erster Linie darum, sich des Gemahls der Perre¬
gaux zu versichern. Ein Herr Lambach, der als Taufpathe sich nach Neuen¬
burg begeben mußte, sollte daselbst seine Auslieferung verlangen. Perregaux
erhielt Wind und entfloh nach der Franche-Comte. Lambach aber nahm einen
Dienstboten der Perregaux in seinen Dienst, um ihn auszufragen, und wo
möglich Aufschluß über ihren Verkehr und Briefwechsel zu erlangen. Doch
Alles half nichts. Nach drei Monaten wurde der Bediente entlassen und die


— ich bin Katholik — so mußte ich mir unwillkürlich an die Schläfe greifen
und mich fragen, in welchem Jahrhundert wir denn leben."

Wir meinen, unsere Leser werden, wenn sie diese Blumenlese von Jesuiten-
Mirakeln nach gemachtem Gebrauch aus der Hand legen, ein wenig betäubt
von dem Geruch des Sträußchens, desgleichen thun.




Line Aerner Mtricierin des siebzehnten Jahrhunderts
von
A. Wysard. (Schluß.)

Montags den 9. December 1689 zeigten die beiden Heimlicher Ernst und
Ryhiner dem durch Glockenschlag versammelten Rath der Zweihundert an,
daß sie „in der verschienem Nacht eine Weibsperson, auf welche ein starker
Verdacht gefallen, mit unerlaubten Korrespondenzen umzugehn, in die Insel
geführt und daselbst bis auf weitere Verordnungen wohl verwahrt hätten!"
Weil die Gefangene der mächtigen Familie von Wattenwyl angehörte, mußten
alle Glieder und Verwandten derselben abtreten und wurde in einer tumul-
tuarischen Sitzung das Verfahren der Heimlicher gutgeheißen, ein eigener Aus¬
schuß niedergesetzt und mit außerordentlicher sonst in „dergleichen des Vater¬
landes Sicherheit anhebenden Begebenheiten" dem geheimen Rath zukommen¬
den Befugniß ausgestattet, diese Person zu examiniren, sie auch alles Ernstes
zu befragen, wer sie zu diesen Sachen angerufen und verleitet habe und wer
mit ihr darin weiters intressirt sein möchte." An der Spitze dieses Ausschusses
stand der schongenannte franzosenfeindliche und darum auch populäre Verner
Dachselhofer, den die antifränzösische Partei an die Stelle eines der beiden
verdächtigen Schultheißen zu befördern hoffte. Neben diesem Mann von Eisen
saßen die Herrn Verner Jenner, ein Mann, der auf schnelle und unbegreif¬
liche Weise sein Vermögen gewonnen hatte, die Heimlicher Ernst und Ryhiner,
die Altlandvögte Willading, Berseth, Thormann und Wurstenberger.

Es handelte sich nun in erster Linie darum, sich des Gemahls der Perre¬
gaux zu versichern. Ein Herr Lambach, der als Taufpathe sich nach Neuen¬
burg begeben mußte, sollte daselbst seine Auslieferung verlangen. Perregaux
erhielt Wind und entfloh nach der Franche-Comte. Lambach aber nahm einen
Dienstboten der Perregaux in seinen Dienst, um ihn auszufragen, und wo
möglich Aufschluß über ihren Verkehr und Briefwechsel zu erlangen. Doch
Alles half nichts. Nach drei Monaten wurde der Bediente entlassen und die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/184>, abgerufen am 30.12.2024.