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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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ermahnt. Hilft das nichts, so läßt er den dummen Teufel sein Loos für die
Erde ziehen, wodurch der eine im seidenen Himmelbette der Königin von So
und So, der andere auf einem Strohsäcke in der Dachkammer oder Keller¬
wohnung des Nachtwächters Schulze oder Müller das Licht erblickt, nachdem
er vorher bei dem Beamten des Jenseits den Becher der Vergessenheit geleert
hat, wodurch ihm sein jenseitiges Ich verloren geht und er sich in ein "gas¬
artiges Princip" verwandelt. In dieser Eigenschaft plagt er ein verheirathetes
Menschenpaar so lange, "bis es ihn unter seine Protection nimmt." Dies
wird indeß als ein schweres Unrecht gegen die Eltern angesehen, und so muß
sich das neugeborne Kind einer Ceremonie unterziehen, bei der es durch den
Mund von Zeugen Unrecht gethan zu haben bekennt und um Verzeihung
bittet.

Wir verfolgen dieses Capitel nicht weiter, da es auf eine Verspottung
der Taufhandlung hinausläuft, und die Satire hier ziemlich platt und mittel¬
mäßig wird. Ebenso wenig haben wir Raum, hier die Geschichte des Reisen¬
den, an die sich die verschiedenen Satiren des Buches wie auf eine Schnur
gereihte Stachelnüsse anschließen, mitzutheilen. Es genüge, zu sagen, daß der
Held sich in die jüngere Tochter des Kaufmanns Nosnibor, jenes von Klepto¬
manie heimgesuchten unglücklichen Börsianers, verliebt, daß die Landessitte
ihn zwingen will, die ältere zu heirathen, und daß er, um dem zu entgehen,
mit seiner Auserwählten in einem Luftballon entflieht.

Er fällt tausend Meilen vom Lande entfernt in die See, wird von einem
vorüberfahrenden Schisse gerettet, und gelangt so nach England, wo er sich
mit seiner schönen Frau nach Somersetshire zu Verwandten begiebt. Hier
kalt aufgenommen, zieht er nach London, wo er jetzt für Buchhändler und
Wochenschriften schreibt. Wir hoffen, daß es ihm dabei gut geht.




Ale siebenbürger Sachsen in neuester Zeit.*)

Bei dem altehrwürdigen deutschen Stamme der siebenbürger Sachsen
ist seit einigen Jahren vieles verändert. Nicht daß die Deutschen Einwanderer
vor 700 Jahren ihre Ansiedelung in Siebenbürgen als einen ihnen von deu
ungarischen Königen zugewiesenen unverletzbaren Erwerb betrachtet hätten,
dazu waren die damaligen kriegerischen Verhältnisse im Zeitalter der Hohen-
staufen viel zu wenig angethan, aber sie vermeinten denn doch, daß der. ihnen



") Zu unserer Freude vertritt das neueste Heft der Preußischen Jahrbücher denselben Stand¬
D. Red. punkt wie dieser, bereits seit mehreren Wochen erhaltene Artikel,

ermahnt. Hilft das nichts, so läßt er den dummen Teufel sein Loos für die
Erde ziehen, wodurch der eine im seidenen Himmelbette der Königin von So
und So, der andere auf einem Strohsäcke in der Dachkammer oder Keller¬
wohnung des Nachtwächters Schulze oder Müller das Licht erblickt, nachdem
er vorher bei dem Beamten des Jenseits den Becher der Vergessenheit geleert
hat, wodurch ihm sein jenseitiges Ich verloren geht und er sich in ein „gas¬
artiges Princip" verwandelt. In dieser Eigenschaft plagt er ein verheirathetes
Menschenpaar so lange, „bis es ihn unter seine Protection nimmt." Dies
wird indeß als ein schweres Unrecht gegen die Eltern angesehen, und so muß
sich das neugeborne Kind einer Ceremonie unterziehen, bei der es durch den
Mund von Zeugen Unrecht gethan zu haben bekennt und um Verzeihung
bittet.

Wir verfolgen dieses Capitel nicht weiter, da es auf eine Verspottung
der Taufhandlung hinausläuft, und die Satire hier ziemlich platt und mittel¬
mäßig wird. Ebenso wenig haben wir Raum, hier die Geschichte des Reisen¬
den, an die sich die verschiedenen Satiren des Buches wie auf eine Schnur
gereihte Stachelnüsse anschließen, mitzutheilen. Es genüge, zu sagen, daß der
Held sich in die jüngere Tochter des Kaufmanns Nosnibor, jenes von Klepto¬
manie heimgesuchten unglücklichen Börsianers, verliebt, daß die Landessitte
ihn zwingen will, die ältere zu heirathen, und daß er, um dem zu entgehen,
mit seiner Auserwählten in einem Luftballon entflieht.

Er fällt tausend Meilen vom Lande entfernt in die See, wird von einem
vorüberfahrenden Schisse gerettet, und gelangt so nach England, wo er sich
mit seiner schönen Frau nach Somersetshire zu Verwandten begiebt. Hier
kalt aufgenommen, zieht er nach London, wo er jetzt für Buchhändler und
Wochenschriften schreibt. Wir hoffen, daß es ihm dabei gut geht.




Ale siebenbürger Sachsen in neuester Zeit.*)

Bei dem altehrwürdigen deutschen Stamme der siebenbürger Sachsen
ist seit einigen Jahren vieles verändert. Nicht daß die Deutschen Einwanderer
vor 700 Jahren ihre Ansiedelung in Siebenbürgen als einen ihnen von deu
ungarischen Königen zugewiesenen unverletzbaren Erwerb betrachtet hätten,
dazu waren die damaligen kriegerischen Verhältnisse im Zeitalter der Hohen-
staufen viel zu wenig angethan, aber sie vermeinten denn doch, daß der. ihnen



") Zu unserer Freude vertritt das neueste Heft der Preußischen Jahrbücher denselben Stand¬
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[0387] ermahnt. Hilft das nichts, so läßt er den dummen Teufel sein Loos für die Erde ziehen, wodurch der eine im seidenen Himmelbette der Königin von So und So, der andere auf einem Strohsäcke in der Dachkammer oder Keller¬ wohnung des Nachtwächters Schulze oder Müller das Licht erblickt, nachdem er vorher bei dem Beamten des Jenseits den Becher der Vergessenheit geleert hat, wodurch ihm sein jenseitiges Ich verloren geht und er sich in ein „gas¬ artiges Princip" verwandelt. In dieser Eigenschaft plagt er ein verheirathetes Menschenpaar so lange, „bis es ihn unter seine Protection nimmt." Dies wird indeß als ein schweres Unrecht gegen die Eltern angesehen, und so muß sich das neugeborne Kind einer Ceremonie unterziehen, bei der es durch den Mund von Zeugen Unrecht gethan zu haben bekennt und um Verzeihung bittet. Wir verfolgen dieses Capitel nicht weiter, da es auf eine Verspottung der Taufhandlung hinausläuft, und die Satire hier ziemlich platt und mittel¬ mäßig wird. Ebenso wenig haben wir Raum, hier die Geschichte des Reisen¬ den, an die sich die verschiedenen Satiren des Buches wie auf eine Schnur gereihte Stachelnüsse anschließen, mitzutheilen. Es genüge, zu sagen, daß der Held sich in die jüngere Tochter des Kaufmanns Nosnibor, jenes von Klepto¬ manie heimgesuchten unglücklichen Börsianers, verliebt, daß die Landessitte ihn zwingen will, die ältere zu heirathen, und daß er, um dem zu entgehen, mit seiner Auserwählten in einem Luftballon entflieht. Er fällt tausend Meilen vom Lande entfernt in die See, wird von einem vorüberfahrenden Schisse gerettet, und gelangt so nach England, wo er sich mit seiner schönen Frau nach Somersetshire zu Verwandten begiebt. Hier kalt aufgenommen, zieht er nach London, wo er jetzt für Buchhändler und Wochenschriften schreibt. Wir hoffen, daß es ihm dabei gut geht. Ale siebenbürger Sachsen in neuester Zeit.*) Bei dem altehrwürdigen deutschen Stamme der siebenbürger Sachsen ist seit einigen Jahren vieles verändert. Nicht daß die Deutschen Einwanderer vor 700 Jahren ihre Ansiedelung in Siebenbürgen als einen ihnen von deu ungarischen Königen zugewiesenen unverletzbaren Erwerb betrachtet hätten, dazu waren die damaligen kriegerischen Verhältnisse im Zeitalter der Hohen- staufen viel zu wenig angethan, aber sie vermeinten denn doch, daß der. ihnen ") Zu unserer Freude vertritt das neueste Heft der Preußischen Jahrbücher denselben Stand¬ D. Red. punkt wie dieser, bereits seit mehreren Wochen erhaltene Artikel,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/387>, abgerufen am 03.07.2024.