Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gehörte Wolde unbestritten zu Mecklenburg und zwar zur Diöcese Züstrow
und zur Superintendentur Malchin.

Wir sollten meinen, daß es Zeit wäre, endlich auch diesem Unfug ein
Ende zu machen. Können die Herren und Leute von Wolde keine Mecklenburger
und ebenso wenig Preußen werden, so sind ^ sie deutsche. Darf der Zwickel
Land weder in Berlin noch in Schwerin seinen Souverän verehren, so tröste
man ihn über dieses Unglück damit, daß man ihn zu Reichsland erklärt. Auf
alle Fälle gehören die Woldischen ganz ebenso wie ihre Nachbarn in den
blauen Rock und an die Steuercasse und nicht wie Mohammeds Sarg in die
Luft zwischen zwei Magnete.




Der deutsche Kelchs-^ostverKeljr im Jahre 1871.

Es ist ein erfreulicher Beweis gegenseitiger Durchdringung von Wissen¬
schaft und Praxis, daß in unserem Staatsleben die Statistik mehr und mehr
jene Geltung erlangt, welche sie in einer gesunden Staatswirthschaft mit
Recht zu beanspruchen hat. Wer sonst die Archive und Regesten der Be¬
hörden und der politischen Factoren durchsuchte, fand entweder gar kein Ma¬
terial, aus dem in Ziffern die Wirksamkeit öffentlicher Verwaltungszweige
hervorging, oder begegnete nur dürftigen Fragmenten, deren UnVollständigkeit
für die Abstraction allgemeiner Grundsätze aus dem Gewirr der Details,
oder für philosophische Einreihung der staatlichen Organisationen in die
Cultur- und Staatengeschichte keinen Anhalt gewährte. Das ist heute zum
Glück anders geworden. Jeder Zweig des Staatsbaus wird jetzt mit ein¬
gehender Sorgfalt und nach Systemen, welche die Wissenschaft aufgestellt hat,
erforscht; seine Gliederung, Ausdehnung und Wirksamkeit werden in jene
prägnante Zahlen-Architektonik gebracht, welche ebenso die Vorzüge
wie die Mängel einer Einrichtung dem unerbittlich klaren Lichte des Tages
und dem Urtheile der Oeffentlichkeit aussetzt.

Die Beobachtung der Resultate, welche die Wirksamkeit des Post-
wesens aufweist, ist um so reicher an interessanten Momenten, als sie uns
gestattet, auf die Hebung des Verkehrslebens, auf die wirthschaftlichen Zustände
und auf das Wachsthum der Völker begründete Schlüsse zu thun, mithin
einen Maßstab für die Culturentwickelung überhaupt liefert. Wenn
die Statistik uns sagt, daß z. B. in den Vereinigten Staaten von Amevika
im Jahre 1790 nur 75 Postanstalten bestanden, während deren Anzahl 1870
auf 28.492 gestiegen war und sich jährlich im Durchschnitt um 1000 vermehrt,


gehörte Wolde unbestritten zu Mecklenburg und zwar zur Diöcese Züstrow
und zur Superintendentur Malchin.

Wir sollten meinen, daß es Zeit wäre, endlich auch diesem Unfug ein
Ende zu machen. Können die Herren und Leute von Wolde keine Mecklenburger
und ebenso wenig Preußen werden, so sind ^ sie deutsche. Darf der Zwickel
Land weder in Berlin noch in Schwerin seinen Souverän verehren, so tröste
man ihn über dieses Unglück damit, daß man ihn zu Reichsland erklärt. Auf
alle Fälle gehören die Woldischen ganz ebenso wie ihre Nachbarn in den
blauen Rock und an die Steuercasse und nicht wie Mohammeds Sarg in die
Luft zwischen zwei Magnete.




Der deutsche Kelchs-^ostverKeljr im Jahre 1871.

Es ist ein erfreulicher Beweis gegenseitiger Durchdringung von Wissen¬
schaft und Praxis, daß in unserem Staatsleben die Statistik mehr und mehr
jene Geltung erlangt, welche sie in einer gesunden Staatswirthschaft mit
Recht zu beanspruchen hat. Wer sonst die Archive und Regesten der Be¬
hörden und der politischen Factoren durchsuchte, fand entweder gar kein Ma¬
terial, aus dem in Ziffern die Wirksamkeit öffentlicher Verwaltungszweige
hervorging, oder begegnete nur dürftigen Fragmenten, deren UnVollständigkeit
für die Abstraction allgemeiner Grundsätze aus dem Gewirr der Details,
oder für philosophische Einreihung der staatlichen Organisationen in die
Cultur- und Staatengeschichte keinen Anhalt gewährte. Das ist heute zum
Glück anders geworden. Jeder Zweig des Staatsbaus wird jetzt mit ein¬
gehender Sorgfalt und nach Systemen, welche die Wissenschaft aufgestellt hat,
erforscht; seine Gliederung, Ausdehnung und Wirksamkeit werden in jene
prägnante Zahlen-Architektonik gebracht, welche ebenso die Vorzüge
wie die Mängel einer Einrichtung dem unerbittlich klaren Lichte des Tages
und dem Urtheile der Oeffentlichkeit aussetzt.

Die Beobachtung der Resultate, welche die Wirksamkeit des Post-
wesens aufweist, ist um so reicher an interessanten Momenten, als sie uns
gestattet, auf die Hebung des Verkehrslebens, auf die wirthschaftlichen Zustände
und auf das Wachsthum der Völker begründete Schlüsse zu thun, mithin
einen Maßstab für die Culturentwickelung überhaupt liefert. Wenn
die Statistik uns sagt, daß z. B. in den Vereinigten Staaten von Amevika
im Jahre 1790 nur 75 Postanstalten bestanden, während deren Anzahl 1870
auf 28.492 gestiegen war und sich jährlich im Durchschnitt um 1000 vermehrt,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0311" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127707"/>
          <p xml:id="ID_1005" prev="#ID_1004"> gehörte Wolde unbestritten zu Mecklenburg und zwar zur Diöcese Züstrow<lb/>
und zur Superintendentur Malchin.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1006"> Wir sollten meinen, daß es Zeit wäre, endlich auch diesem Unfug ein<lb/>
Ende zu machen. Können die Herren und Leute von Wolde keine Mecklenburger<lb/>
und ebenso wenig Preußen werden, so sind ^ sie deutsche. Darf der Zwickel<lb/>
Land weder in Berlin noch in Schwerin seinen Souverän verehren, so tröste<lb/>
man ihn über dieses Unglück damit, daß man ihn zu Reichsland erklärt. Auf<lb/>
alle Fälle gehören die Woldischen ganz ebenso wie ihre Nachbarn in den<lb/>
blauen Rock und an die Steuercasse und nicht wie Mohammeds Sarg in die<lb/>
Luft zwischen zwei Magnete.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der deutsche Kelchs-^ostverKeljr im Jahre 1871.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1007"> Es ist ein erfreulicher Beweis gegenseitiger Durchdringung von Wissen¬<lb/>
schaft und Praxis, daß in unserem Staatsleben die Statistik mehr und mehr<lb/>
jene Geltung erlangt, welche sie in einer gesunden Staatswirthschaft mit<lb/>
Recht zu beanspruchen hat. Wer sonst die Archive und Regesten der Be¬<lb/>
hörden und der politischen Factoren durchsuchte, fand entweder gar kein Ma¬<lb/>
terial, aus dem in Ziffern die Wirksamkeit öffentlicher Verwaltungszweige<lb/>
hervorging, oder begegnete nur dürftigen Fragmenten, deren UnVollständigkeit<lb/>
für die Abstraction allgemeiner Grundsätze aus dem Gewirr der Details,<lb/>
oder für philosophische Einreihung der staatlichen Organisationen in die<lb/>
Cultur- und Staatengeschichte keinen Anhalt gewährte. Das ist heute zum<lb/>
Glück anders geworden. Jeder Zweig des Staatsbaus wird jetzt mit ein¬<lb/>
gehender Sorgfalt und nach Systemen, welche die Wissenschaft aufgestellt hat,<lb/>
erforscht; seine Gliederung, Ausdehnung und Wirksamkeit werden in jene<lb/>
prägnante Zahlen-Architektonik gebracht, welche ebenso die Vorzüge<lb/>
wie die Mängel einer Einrichtung dem unerbittlich klaren Lichte des Tages<lb/>
und dem Urtheile der Oeffentlichkeit aussetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1008" next="#ID_1009"> Die Beobachtung der Resultate, welche die Wirksamkeit des Post-<lb/>
wesens aufweist, ist um so reicher an interessanten Momenten, als sie uns<lb/>
gestattet, auf die Hebung des Verkehrslebens, auf die wirthschaftlichen Zustände<lb/>
und auf das Wachsthum der Völker begründete Schlüsse zu thun, mithin<lb/>
einen Maßstab für die Culturentwickelung überhaupt liefert. Wenn<lb/>
die Statistik uns sagt, daß z. B. in den Vereinigten Staaten von Amevika<lb/>
im Jahre 1790 nur 75 Postanstalten bestanden, während deren Anzahl 1870<lb/>
auf 28.492 gestiegen war und sich jährlich im Durchschnitt um 1000 vermehrt,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0311] gehörte Wolde unbestritten zu Mecklenburg und zwar zur Diöcese Züstrow und zur Superintendentur Malchin. Wir sollten meinen, daß es Zeit wäre, endlich auch diesem Unfug ein Ende zu machen. Können die Herren und Leute von Wolde keine Mecklenburger und ebenso wenig Preußen werden, so sind ^ sie deutsche. Darf der Zwickel Land weder in Berlin noch in Schwerin seinen Souverän verehren, so tröste man ihn über dieses Unglück damit, daß man ihn zu Reichsland erklärt. Auf alle Fälle gehören die Woldischen ganz ebenso wie ihre Nachbarn in den blauen Rock und an die Steuercasse und nicht wie Mohammeds Sarg in die Luft zwischen zwei Magnete. Der deutsche Kelchs-^ostverKeljr im Jahre 1871. Es ist ein erfreulicher Beweis gegenseitiger Durchdringung von Wissen¬ schaft und Praxis, daß in unserem Staatsleben die Statistik mehr und mehr jene Geltung erlangt, welche sie in einer gesunden Staatswirthschaft mit Recht zu beanspruchen hat. Wer sonst die Archive und Regesten der Be¬ hörden und der politischen Factoren durchsuchte, fand entweder gar kein Ma¬ terial, aus dem in Ziffern die Wirksamkeit öffentlicher Verwaltungszweige hervorging, oder begegnete nur dürftigen Fragmenten, deren UnVollständigkeit für die Abstraction allgemeiner Grundsätze aus dem Gewirr der Details, oder für philosophische Einreihung der staatlichen Organisationen in die Cultur- und Staatengeschichte keinen Anhalt gewährte. Das ist heute zum Glück anders geworden. Jeder Zweig des Staatsbaus wird jetzt mit ein¬ gehender Sorgfalt und nach Systemen, welche die Wissenschaft aufgestellt hat, erforscht; seine Gliederung, Ausdehnung und Wirksamkeit werden in jene prägnante Zahlen-Architektonik gebracht, welche ebenso die Vorzüge wie die Mängel einer Einrichtung dem unerbittlich klaren Lichte des Tages und dem Urtheile der Oeffentlichkeit aussetzt. Die Beobachtung der Resultate, welche die Wirksamkeit des Post- wesens aufweist, ist um so reicher an interessanten Momenten, als sie uns gestattet, auf die Hebung des Verkehrslebens, auf die wirthschaftlichen Zustände und auf das Wachsthum der Völker begründete Schlüsse zu thun, mithin einen Maßstab für die Culturentwickelung überhaupt liefert. Wenn die Statistik uns sagt, daß z. B. in den Vereinigten Staaten von Amevika im Jahre 1790 nur 75 Postanstalten bestanden, während deren Anzahl 1870 auf 28.492 gestiegen war und sich jährlich im Durchschnitt um 1000 vermehrt,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/311
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/311>, abgerufen am 22.07.2024.