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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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der Ton zwischen beiden Seiten des Hauses so correct, wie er seit lange nicht
mehr gewesen war, man wetteiferte gegenseitig sich höflich zu erweisen. Auch
die geschäftliche Gewandtheit war merklich gestiegen, und die quantitative Ar¬
beit des Hauses nahm einen Umfang an, der in München sehr selten ist.

Möge der Segen, der wirkliche und ernste Arbeit begleitet, an den Früch¬
N> ten derselben zur Geltung kommen. ,




Die IworniKer Ilrage.

Regelmäßig des Jahres ein oder zweimal werden wir, wenn uns zu wohl
werden will, durch eine am östlichen, Gesichtskreis aufsteigende kleine oder
große Wolke daran gemahnt, daß die unterirdische Gefahr für den Weltfrie¬
den, welche man die orientalische Frage genannt hat, noch fortbrennt. Auch
dieses Jahr haben wir das erfahren. Nur ist die dunkle Stelle am Horizont
diesmal ungewöhnlich klein. Schon ihr Name scheint ihre geringe Bedeutung
auszusprechen, und wenn gewisse Zeitungsberichte nicht trügen, so könnte der
Zorn, welchen die Sache den Einen erregte, sich ebenso wie das Bedenken,
welches sie den Andern erweckte, bereits in Wohlgefallen auflösen und schlafen
gehen.*)

Indeß ist die Frage wegen der Zukunft der Türkei denn doch ein zu
realer Mißstand, als daß sich selbst über kleine Zeichen ihres Fortlebens mit
Scherzen hinwegkommen ließe. Sie flammt und donnert jetzt nicht, wie vor
ein paar Jahren, wo sie die kretische Frage hieß, Sie verdunkelt den Himmel
nicht wie 1870, wo sie als die Frage der Wiedereinsetzung Rußlands in seine
Rechte am Schwarzen Meer auftrat. Nicht einmal mit der Wolke, die sie
im letzten Jahre in Rumänien als Lebenszeichen aufsteigen ließ, ist das heu¬
tige Symptom, daß sie noch der Lösung harrt, zu vergleichen. Der Rauch
von ein paar türkischen Tschibbuks in Klein-Zwornik erinnert nicht sehr
zwingend an die Gefährlichkeit von Vulkanen. Wer aber näher tritt, sieht
doch, daß das Sprichwort: "wo es raucht, da brennt es auch", hier n,och eine
andere Anwendung leidet, als die auf den gelben Knaster einiger Pfeifenköpfe
von rothem Thon, welche Serbiens Selbstgefühl und vielleicht noch Jemand
anders lieber in einer andern schönen Gegend rauchen sähe. Treten wir der
Sache also einmal näher.

Zu den Nebenflüssen der save gehört die Drina, die sich in vielen Krüm¬
mungen aus dem türkisch gebliebenen und dem Vilayet Bosnien einverleibten



') Diese Beuchte haben bis jetzt (3. Mai) noch keine Bestätigung gefunden.

der Ton zwischen beiden Seiten des Hauses so correct, wie er seit lange nicht
mehr gewesen war, man wetteiferte gegenseitig sich höflich zu erweisen. Auch
die geschäftliche Gewandtheit war merklich gestiegen, und die quantitative Ar¬
beit des Hauses nahm einen Umfang an, der in München sehr selten ist.

Möge der Segen, der wirkliche und ernste Arbeit begleitet, an den Früch¬
N> ten derselben zur Geltung kommen. ,




Die IworniKer Ilrage.

Regelmäßig des Jahres ein oder zweimal werden wir, wenn uns zu wohl
werden will, durch eine am östlichen, Gesichtskreis aufsteigende kleine oder
große Wolke daran gemahnt, daß die unterirdische Gefahr für den Weltfrie¬
den, welche man die orientalische Frage genannt hat, noch fortbrennt. Auch
dieses Jahr haben wir das erfahren. Nur ist die dunkle Stelle am Horizont
diesmal ungewöhnlich klein. Schon ihr Name scheint ihre geringe Bedeutung
auszusprechen, und wenn gewisse Zeitungsberichte nicht trügen, so könnte der
Zorn, welchen die Sache den Einen erregte, sich ebenso wie das Bedenken,
welches sie den Andern erweckte, bereits in Wohlgefallen auflösen und schlafen
gehen.*)

Indeß ist die Frage wegen der Zukunft der Türkei denn doch ein zu
realer Mißstand, als daß sich selbst über kleine Zeichen ihres Fortlebens mit
Scherzen hinwegkommen ließe. Sie flammt und donnert jetzt nicht, wie vor
ein paar Jahren, wo sie die kretische Frage hieß, Sie verdunkelt den Himmel
nicht wie 1870, wo sie als die Frage der Wiedereinsetzung Rußlands in seine
Rechte am Schwarzen Meer auftrat. Nicht einmal mit der Wolke, die sie
im letzten Jahre in Rumänien als Lebenszeichen aufsteigen ließ, ist das heu¬
tige Symptom, daß sie noch der Lösung harrt, zu vergleichen. Der Rauch
von ein paar türkischen Tschibbuks in Klein-Zwornik erinnert nicht sehr
zwingend an die Gefährlichkeit von Vulkanen. Wer aber näher tritt, sieht
doch, daß das Sprichwort: „wo es raucht, da brennt es auch", hier n,och eine
andere Anwendung leidet, als die auf den gelben Knaster einiger Pfeifenköpfe
von rothem Thon, welche Serbiens Selbstgefühl und vielleicht noch Jemand
anders lieber in einer andern schönen Gegend rauchen sähe. Treten wir der
Sache also einmal näher.

Zu den Nebenflüssen der save gehört die Drina, die sich in vielen Krüm¬
mungen aus dem türkisch gebliebenen und dem Vilayet Bosnien einverleibten



') Diese Beuchte haben bis jetzt (3. Mai) noch keine Bestätigung gefunden.
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[0278] der Ton zwischen beiden Seiten des Hauses so correct, wie er seit lange nicht mehr gewesen war, man wetteiferte gegenseitig sich höflich zu erweisen. Auch die geschäftliche Gewandtheit war merklich gestiegen, und die quantitative Ar¬ beit des Hauses nahm einen Umfang an, der in München sehr selten ist. Möge der Segen, der wirkliche und ernste Arbeit begleitet, an den Früch¬ N> ten derselben zur Geltung kommen. , Die IworniKer Ilrage. Regelmäßig des Jahres ein oder zweimal werden wir, wenn uns zu wohl werden will, durch eine am östlichen, Gesichtskreis aufsteigende kleine oder große Wolke daran gemahnt, daß die unterirdische Gefahr für den Weltfrie¬ den, welche man die orientalische Frage genannt hat, noch fortbrennt. Auch dieses Jahr haben wir das erfahren. Nur ist die dunkle Stelle am Horizont diesmal ungewöhnlich klein. Schon ihr Name scheint ihre geringe Bedeutung auszusprechen, und wenn gewisse Zeitungsberichte nicht trügen, so könnte der Zorn, welchen die Sache den Einen erregte, sich ebenso wie das Bedenken, welches sie den Andern erweckte, bereits in Wohlgefallen auflösen und schlafen gehen.*) Indeß ist die Frage wegen der Zukunft der Türkei denn doch ein zu realer Mißstand, als daß sich selbst über kleine Zeichen ihres Fortlebens mit Scherzen hinwegkommen ließe. Sie flammt und donnert jetzt nicht, wie vor ein paar Jahren, wo sie die kretische Frage hieß, Sie verdunkelt den Himmel nicht wie 1870, wo sie als die Frage der Wiedereinsetzung Rußlands in seine Rechte am Schwarzen Meer auftrat. Nicht einmal mit der Wolke, die sie im letzten Jahre in Rumänien als Lebenszeichen aufsteigen ließ, ist das heu¬ tige Symptom, daß sie noch der Lösung harrt, zu vergleichen. Der Rauch von ein paar türkischen Tschibbuks in Klein-Zwornik erinnert nicht sehr zwingend an die Gefährlichkeit von Vulkanen. Wer aber näher tritt, sieht doch, daß das Sprichwort: „wo es raucht, da brennt es auch", hier n,och eine andere Anwendung leidet, als die auf den gelben Knaster einiger Pfeifenköpfe von rothem Thon, welche Serbiens Selbstgefühl und vielleicht noch Jemand anders lieber in einer andern schönen Gegend rauchen sähe. Treten wir der Sache also einmal näher. Zu den Nebenflüssen der save gehört die Drina, die sich in vielen Krüm¬ mungen aus dem türkisch gebliebenen und dem Vilayet Bosnien einverleibten ') Diese Beuchte haben bis jetzt (3. Mai) noch keine Bestätigung gefunden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/278>, abgerufen am 22.07.2024.