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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Zum Schlüsse der bayrischen Landtags sesston.

Der bayrische Landtag hat seine inhaltreiche Session am 29. April ge¬
schlossen und es erübrigt uns noch, den letzten Theil seiner Thätigkeit in Kürze
zusammenzufassen. Ein Rückblick auf das Gesammtresultat seiner mühevollen
Arbeit reiht sich hieran von selbst.

Als wir zuletzt Bericht erstatteten, befand sich das Cultusbudget noch
vor dem Ausschuß. Wenn wir damals die Liberalität und Toleranz hervor¬
hoben, die dort im engeren Kreise den Bildungszwecken entgegen kam, so
dürfen wir heute hinzusetzen, daß man im Plenum vollständig diesen Stand¬
punkt theilte. Die Anforderungen, die von der Negierung gestellt waren,
wurden nicht nur erreicht, sondern weit überholt, und man darf wohl ver¬
sichern, daß noch niemals eine liberale Kammer so freigebig in dieser Richtung
war, als es diesmal die "Patrioten" gewesen sind. Freilich sorgten sie für
ihre eigenen Interessen (d. h. für den katholischen Klerus und seine Institu¬
tionen) in derselben Weise, aber das darf ihnen Niemand verübeln, wenn sie
den gegnerischen Bedürfnissen die gleiche Sorgfalt zuwandten. Die Univer¬
sität München, deren Tendenz im klerikalen Lager doch bedeutend beanstandet
wird, erhielt die reichlichsten Mittel; der Eindruck, den die Rede des Herrn
von Lutz im Ausschuß hervorgerufen, schien in der Plenarversammlung lebendig
nachzuwirken. Nicht minder als die höchste Bildungsanstalt wurden die un¬
tersten bedacht, der Bedarf für Volksschulen ist beträchtlich erhöht worden,
und selbst die sogenannten "Fortbildungsschulen," die schon dem Namennach
das Odium der Klerikalen erregen mußten, und deren entschiedene Befehdung
Anfangs in Aussicht genommen war, gingen ungeschmälert von dannen.

Es war selbstverständlich, daß in Folge solcher Concessionen die Stim¬
mung des Cabinets gegen die Rechte versöhnlicher war, als sie es seit langer
Zeit gewesen. Diese Empfindung, die eine gegenseitige war, erleichterte we¬
sentlich die Last der letzten schweren Arbeitstage.

Ein wichtiger Theil des Budgets, der nach dem Cultusbudget Erwäh¬
nung verdient, war der Militäretat. Die Stellung Bayerns ist in dieser Hin¬
sicht eine doppelte, denn die Grundlinien sind durch die Verträge von Ver¬
sailles und durch die Reichsverfassung festgestellt, die Specialisirung des Etats
jedoch obliegt der Landesvertretung. Faßt man beide Gesichtspunkte zusam¬
men, so ergiebt sich, daß die Regierung verpflichtet ist, ein Procent der Be¬
völkerung mit 225 Thaler pro Kopf als Friedensstand zu stellen, was ihr
eine Last von mehr als 19 Mill. Gulden auferlegt. Dieser Posten wird im
Reichsbudget als durchlaufend behandelt; Bayerns Matricularbeiträge richten
sich darnach. Was aber die specielle Verwendung der Summe anlangt, so


Zum Schlüsse der bayrischen Landtags sesston.

Der bayrische Landtag hat seine inhaltreiche Session am 29. April ge¬
schlossen und es erübrigt uns noch, den letzten Theil seiner Thätigkeit in Kürze
zusammenzufassen. Ein Rückblick auf das Gesammtresultat seiner mühevollen
Arbeit reiht sich hieran von selbst.

Als wir zuletzt Bericht erstatteten, befand sich das Cultusbudget noch
vor dem Ausschuß. Wenn wir damals die Liberalität und Toleranz hervor¬
hoben, die dort im engeren Kreise den Bildungszwecken entgegen kam, so
dürfen wir heute hinzusetzen, daß man im Plenum vollständig diesen Stand¬
punkt theilte. Die Anforderungen, die von der Negierung gestellt waren,
wurden nicht nur erreicht, sondern weit überholt, und man darf wohl ver¬
sichern, daß noch niemals eine liberale Kammer so freigebig in dieser Richtung
war, als es diesmal die „Patrioten" gewesen sind. Freilich sorgten sie für
ihre eigenen Interessen (d. h. für den katholischen Klerus und seine Institu¬
tionen) in derselben Weise, aber das darf ihnen Niemand verübeln, wenn sie
den gegnerischen Bedürfnissen die gleiche Sorgfalt zuwandten. Die Univer¬
sität München, deren Tendenz im klerikalen Lager doch bedeutend beanstandet
wird, erhielt die reichlichsten Mittel; der Eindruck, den die Rede des Herrn
von Lutz im Ausschuß hervorgerufen, schien in der Plenarversammlung lebendig
nachzuwirken. Nicht minder als die höchste Bildungsanstalt wurden die un¬
tersten bedacht, der Bedarf für Volksschulen ist beträchtlich erhöht worden,
und selbst die sogenannten „Fortbildungsschulen," die schon dem Namennach
das Odium der Klerikalen erregen mußten, und deren entschiedene Befehdung
Anfangs in Aussicht genommen war, gingen ungeschmälert von dannen.

Es war selbstverständlich, daß in Folge solcher Concessionen die Stim¬
mung des Cabinets gegen die Rechte versöhnlicher war, als sie es seit langer
Zeit gewesen. Diese Empfindung, die eine gegenseitige war, erleichterte we¬
sentlich die Last der letzten schweren Arbeitstage.

Ein wichtiger Theil des Budgets, der nach dem Cultusbudget Erwäh¬
nung verdient, war der Militäretat. Die Stellung Bayerns ist in dieser Hin¬
sicht eine doppelte, denn die Grundlinien sind durch die Verträge von Ver¬
sailles und durch die Reichsverfassung festgestellt, die Specialisirung des Etats
jedoch obliegt der Landesvertretung. Faßt man beide Gesichtspunkte zusam¬
men, so ergiebt sich, daß die Regierung verpflichtet ist, ein Procent der Be¬
völkerung mit 225 Thaler pro Kopf als Friedensstand zu stellen, was ihr
eine Last von mehr als 19 Mill. Gulden auferlegt. Dieser Posten wird im
Reichsbudget als durchlaufend behandelt; Bayerns Matricularbeiträge richten
sich darnach. Was aber die specielle Verwendung der Summe anlangt, so


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[0272] Zum Schlüsse der bayrischen Landtags sesston. Der bayrische Landtag hat seine inhaltreiche Session am 29. April ge¬ schlossen und es erübrigt uns noch, den letzten Theil seiner Thätigkeit in Kürze zusammenzufassen. Ein Rückblick auf das Gesammtresultat seiner mühevollen Arbeit reiht sich hieran von selbst. Als wir zuletzt Bericht erstatteten, befand sich das Cultusbudget noch vor dem Ausschuß. Wenn wir damals die Liberalität und Toleranz hervor¬ hoben, die dort im engeren Kreise den Bildungszwecken entgegen kam, so dürfen wir heute hinzusetzen, daß man im Plenum vollständig diesen Stand¬ punkt theilte. Die Anforderungen, die von der Negierung gestellt waren, wurden nicht nur erreicht, sondern weit überholt, und man darf wohl ver¬ sichern, daß noch niemals eine liberale Kammer so freigebig in dieser Richtung war, als es diesmal die „Patrioten" gewesen sind. Freilich sorgten sie für ihre eigenen Interessen (d. h. für den katholischen Klerus und seine Institu¬ tionen) in derselben Weise, aber das darf ihnen Niemand verübeln, wenn sie den gegnerischen Bedürfnissen die gleiche Sorgfalt zuwandten. Die Univer¬ sität München, deren Tendenz im klerikalen Lager doch bedeutend beanstandet wird, erhielt die reichlichsten Mittel; der Eindruck, den die Rede des Herrn von Lutz im Ausschuß hervorgerufen, schien in der Plenarversammlung lebendig nachzuwirken. Nicht minder als die höchste Bildungsanstalt wurden die un¬ tersten bedacht, der Bedarf für Volksschulen ist beträchtlich erhöht worden, und selbst die sogenannten „Fortbildungsschulen," die schon dem Namennach das Odium der Klerikalen erregen mußten, und deren entschiedene Befehdung Anfangs in Aussicht genommen war, gingen ungeschmälert von dannen. Es war selbstverständlich, daß in Folge solcher Concessionen die Stim¬ mung des Cabinets gegen die Rechte versöhnlicher war, als sie es seit langer Zeit gewesen. Diese Empfindung, die eine gegenseitige war, erleichterte we¬ sentlich die Last der letzten schweren Arbeitstage. Ein wichtiger Theil des Budgets, der nach dem Cultusbudget Erwäh¬ nung verdient, war der Militäretat. Die Stellung Bayerns ist in dieser Hin¬ sicht eine doppelte, denn die Grundlinien sind durch die Verträge von Ver¬ sailles und durch die Reichsverfassung festgestellt, die Specialisirung des Etats jedoch obliegt der Landesvertretung. Faßt man beide Gesichtspunkte zusam¬ men, so ergiebt sich, daß die Regierung verpflichtet ist, ein Procent der Be¬ völkerung mit 225 Thaler pro Kopf als Friedensstand zu stellen, was ihr eine Last von mehr als 19 Mill. Gulden auferlegt. Dieser Posten wird im Reichsbudget als durchlaufend behandelt; Bayerns Matricularbeiträge richten sich darnach. Was aber die specielle Verwendung der Summe anlangt, so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/272>, abgerufen am 22.07.2024.