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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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steht es der Landesregierung zu, darüber selbstständig (nach eigenen ver¬
fassungsmäßigen Normen) zu entscheiden; nur darf sie weder einen Theil
jener vorbemerkten Summe ersparen, noch die Ersparnisse für ein anderes
Ressort, z. B. für das Ministerium des Innern, des Aeußern :c. >in Anspruch
nehmen. Innerhalb des Militäretats selbst jedoch sind sog. Virements oder
Uebertragungen gestattet.

Von dieser staatsrechtlich fixirten Basis ging denn auch die Kammer bei
Feststellung der Militärbedürfnisse aus, sie bewilligte neben dem regulären
Etat zudem noch einen außerordentlichen Credit von mäßigem Umfang. Bei
der Berathung wurde von Seite der Regierung die Frage angeregt, ob man
nicht nach Analogie des Reichstags ein dreijähriges Pauschquantum poliren
solle, und der Kriegsminister richtete auch in der That sein Postulat direct
hieraus; allein die Kammer blieb in den Grenzen der zweijährigen Finanz¬
periode stehen, und bewilligte ihre Mittel nur für diese Zeit.

Materiell betrachtet ist dies natürlich fast gleichgültig, denn den oben be¬
zifferten Betrag (225 Thaler für 1 Proc. -der Bevölkerung) ist Bayern aus¬
zuwerfen verpflichtet, er ist nicht in das Belieben der Landeskammer, sondern
unter die Garantie der Reichsverfassung gestellt, und muß nach zwei Jahren
ebenso geleistet werden, wie er jetzt geleistet ward.

Soviel über die speciellen Verhandlungen zum Budget. Die Ziffern,
die dasselbe festgestellt, finden im Finanzgesetz ihre legislative Bedeutung.
Dieses Gesetz, mit welchem jeder "Budgetlandtag" seine Thätigkett abschließt,
bildet die Grundlage für die Finanzgebahrung des Staates während der fol¬
genden zwei Jahre. So bildete es denn auch den wichtigsten Gegenstand der
Verhandlung zwischen den beiden bayrischen Kammern in den letzten Tagen
ihres Beisammenseins und daß es fast ohne Debatte von beiden angenommen
ward, kann als ein erfreuliches Zeichen der Eintracht zwischen den Parteien,
wie zwischen dem bürgerlichen und aristokratischen Elemente gelten.

Wer sich die Verhältnisse des bayrischen Budgets näher betrachtet, dem
müssen zwei Thatsachen besonders wichtig erscheinen, die zwar unter sich in
einem äußerlichen Widerspruche stehen, die jedoch in ihrer Verbindung die
glücklichen Zustände Bayerns am deutlichsten illustriren. Es ist einerseits die
ungeheure Steigerung der Ausgabensnmme und anderseits die Thatsache, daß
trotz alledem eine Steuererhöhung nicht nöthig wurde. Das bayrische Budget,
das in den goldenen Tagen des alten Particularismus wenig mehr als 40
Millionen betrug, umfaßt jetzt in seiner Gesammtheit mehr als 110 Mill,,
wobei der Schuldenstand noch immer ein äußerst mäßiger ist. Abgesehen vom
Militäraufroand, der durch den Eintritt in's Reich gegen früher erhöht ward,
der aber ohne diesen Eintritt wohl noch unendlich mehr erhöht werden müßte, be-


Grmzbvten II. 1872. 34

steht es der Landesregierung zu, darüber selbstständig (nach eigenen ver¬
fassungsmäßigen Normen) zu entscheiden; nur darf sie weder einen Theil
jener vorbemerkten Summe ersparen, noch die Ersparnisse für ein anderes
Ressort, z. B. für das Ministerium des Innern, des Aeußern :c. >in Anspruch
nehmen. Innerhalb des Militäretats selbst jedoch sind sog. Virements oder
Uebertragungen gestattet.

Von dieser staatsrechtlich fixirten Basis ging denn auch die Kammer bei
Feststellung der Militärbedürfnisse aus, sie bewilligte neben dem regulären
Etat zudem noch einen außerordentlichen Credit von mäßigem Umfang. Bei
der Berathung wurde von Seite der Regierung die Frage angeregt, ob man
nicht nach Analogie des Reichstags ein dreijähriges Pauschquantum poliren
solle, und der Kriegsminister richtete auch in der That sein Postulat direct
hieraus; allein die Kammer blieb in den Grenzen der zweijährigen Finanz¬
periode stehen, und bewilligte ihre Mittel nur für diese Zeit.

Materiell betrachtet ist dies natürlich fast gleichgültig, denn den oben be¬
zifferten Betrag (225 Thaler für 1 Proc. -der Bevölkerung) ist Bayern aus¬
zuwerfen verpflichtet, er ist nicht in das Belieben der Landeskammer, sondern
unter die Garantie der Reichsverfassung gestellt, und muß nach zwei Jahren
ebenso geleistet werden, wie er jetzt geleistet ward.

Soviel über die speciellen Verhandlungen zum Budget. Die Ziffern,
die dasselbe festgestellt, finden im Finanzgesetz ihre legislative Bedeutung.
Dieses Gesetz, mit welchem jeder „Budgetlandtag" seine Thätigkett abschließt,
bildet die Grundlage für die Finanzgebahrung des Staates während der fol¬
genden zwei Jahre. So bildete es denn auch den wichtigsten Gegenstand der
Verhandlung zwischen den beiden bayrischen Kammern in den letzten Tagen
ihres Beisammenseins und daß es fast ohne Debatte von beiden angenommen
ward, kann als ein erfreuliches Zeichen der Eintracht zwischen den Parteien,
wie zwischen dem bürgerlichen und aristokratischen Elemente gelten.

Wer sich die Verhältnisse des bayrischen Budgets näher betrachtet, dem
müssen zwei Thatsachen besonders wichtig erscheinen, die zwar unter sich in
einem äußerlichen Widerspruche stehen, die jedoch in ihrer Verbindung die
glücklichen Zustände Bayerns am deutlichsten illustriren. Es ist einerseits die
ungeheure Steigerung der Ausgabensnmme und anderseits die Thatsache, daß
trotz alledem eine Steuererhöhung nicht nöthig wurde. Das bayrische Budget,
das in den goldenen Tagen des alten Particularismus wenig mehr als 40
Millionen betrug, umfaßt jetzt in seiner Gesammtheit mehr als 110 Mill,,
wobei der Schuldenstand noch immer ein äußerst mäßiger ist. Abgesehen vom
Militäraufroand, der durch den Eintritt in's Reich gegen früher erhöht ward,
der aber ohne diesen Eintritt wohl noch unendlich mehr erhöht werden müßte, be-


Grmzbvten II. 1872. 34
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/273>, abgerufen am 02.10.2024.