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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Der Prozeß endigte damit, daß sieben der Angeschuldigten, darunter Var-
lin, Malon, Pindy und Cvmbault, als Mitglieder einer geheimen Gesellschaft
zu einem Jahr Gefängniß und 100 Francs Geldbuße, 27 als Theilnehmer
an einem von der Behörde nicht erlaubten Verein zu zwei Monat Einsparung
und 25 Francs Geldbuße verurtheilt und die übrigen, unter denen sich Asfi
befand, wegen Mangel an zureichenden Beweis, daß sie zur Internationale
gehört, freigesprochen wurden. Das Urtheil konnte indeß nicht vollstreckt wer¬
den, da die Betreffenden appellirten und bald nachher der Krieg mit Deutsch¬
land ausbrach.




Kur Lnnnerung an König Ludwig den Lrsten von
Bayern.

Große Leute -- kleine Schwächen. Harmlose Geschichten von dem Verfasser
der "Silhouetten und Reliquien." Berlin, A. Duncker, 1872.

Der Verfasser dieses Buches -- das ist ein öffentliches Geheimniß und
man darf es daher auch wohl verrathen -- ist der Ungar Kertbeny, der sich
in der deutschen Literatur sowohl durch eigene Leistungen, als auch durch
gute Uebersetzungen aus dem Ungarischen (Petöfi) und aus dem Französischen
(Alfred de Musset) das Ehrenbürgerrecht erworben hat. Warum er sich aus
dem Titel dieses neuen Werkes nicht genannt, ist schwer zu errathen; denn
es ist ein recht liebenswürdiges Buch. In bunter Reihenfolge' führt es uns
Fürsten und Staatsmänner, Componisten und Dichter, Sänger und Schau¬
spieler, Maler und Schriftsteller, Damen und Herren vor, um uns von Jedem
eine anschauliche Charakterschilderung und einige drastische Anekdoten aus der
"vie intime" zu geben. Die Geschilderten gehören allen möglichen Nationen
an. Es sind Ungarn und Oestreicher, Deutsche und Italiener, Engländer
und Franzosen. Die meisten kennt der Verfasser persönlich; bei andern
schöpft er aus zuverlässigen Quellen. Er hat in seinen jungen Jahren, gleich
manchen Andern, mit Passion Jagd gemacht auf die Bekanntschaft mit
"Berühmtheiten"; und in seinen reiferen Jahren hat er diese Bekanntschaften
auch ohne Jagd gemacht. Er giebt uns hier eine Mappe aus seiner reichen
Sammlung und verspricht, unter Umständen weitere folgen zu lassen. Er hat
zugleich das Talent, gut zu erzählen, und ich glaube, Niemand wird diese
liebenswürdigen Plaudereien eines Vielerfahrenen und Vielgereisten ohne Be¬
friedigung aus der Hand legen.

Ich will dem Leser eine kleine Probe aus Kertbeny's Buch geben, indem


GrenMm it. 1872. 24

Der Prozeß endigte damit, daß sieben der Angeschuldigten, darunter Var-
lin, Malon, Pindy und Cvmbault, als Mitglieder einer geheimen Gesellschaft
zu einem Jahr Gefängniß und 100 Francs Geldbuße, 27 als Theilnehmer
an einem von der Behörde nicht erlaubten Verein zu zwei Monat Einsparung
und 25 Francs Geldbuße verurtheilt und die übrigen, unter denen sich Asfi
befand, wegen Mangel an zureichenden Beweis, daß sie zur Internationale
gehört, freigesprochen wurden. Das Urtheil konnte indeß nicht vollstreckt wer¬
den, da die Betreffenden appellirten und bald nachher der Krieg mit Deutsch¬
land ausbrach.




Kur Lnnnerung an König Ludwig den Lrsten von
Bayern.

Große Leute — kleine Schwächen. Harmlose Geschichten von dem Verfasser
der „Silhouetten und Reliquien." Berlin, A. Duncker, 1872.

Der Verfasser dieses Buches — das ist ein öffentliches Geheimniß und
man darf es daher auch wohl verrathen — ist der Ungar Kertbeny, der sich
in der deutschen Literatur sowohl durch eigene Leistungen, als auch durch
gute Uebersetzungen aus dem Ungarischen (Petöfi) und aus dem Französischen
(Alfred de Musset) das Ehrenbürgerrecht erworben hat. Warum er sich aus
dem Titel dieses neuen Werkes nicht genannt, ist schwer zu errathen; denn
es ist ein recht liebenswürdiges Buch. In bunter Reihenfolge' führt es uns
Fürsten und Staatsmänner, Componisten und Dichter, Sänger und Schau¬
spieler, Maler und Schriftsteller, Damen und Herren vor, um uns von Jedem
eine anschauliche Charakterschilderung und einige drastische Anekdoten aus der
„vie intime" zu geben. Die Geschilderten gehören allen möglichen Nationen
an. Es sind Ungarn und Oestreicher, Deutsche und Italiener, Engländer
und Franzosen. Die meisten kennt der Verfasser persönlich; bei andern
schöpft er aus zuverlässigen Quellen. Er hat in seinen jungen Jahren, gleich
manchen Andern, mit Passion Jagd gemacht auf die Bekanntschaft mit
„Berühmtheiten"; und in seinen reiferen Jahren hat er diese Bekanntschaften
auch ohne Jagd gemacht. Er giebt uns hier eine Mappe aus seiner reichen
Sammlung und verspricht, unter Umständen weitere folgen zu lassen. Er hat
zugleich das Talent, gut zu erzählen, und ich glaube, Niemand wird diese
liebenswürdigen Plaudereien eines Vielerfahrenen und Vielgereisten ohne Be¬
friedigung aus der Hand legen.

Ich will dem Leser eine kleine Probe aus Kertbeny's Buch geben, indem


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[0193] Der Prozeß endigte damit, daß sieben der Angeschuldigten, darunter Var- lin, Malon, Pindy und Cvmbault, als Mitglieder einer geheimen Gesellschaft zu einem Jahr Gefängniß und 100 Francs Geldbuße, 27 als Theilnehmer an einem von der Behörde nicht erlaubten Verein zu zwei Monat Einsparung und 25 Francs Geldbuße verurtheilt und die übrigen, unter denen sich Asfi befand, wegen Mangel an zureichenden Beweis, daß sie zur Internationale gehört, freigesprochen wurden. Das Urtheil konnte indeß nicht vollstreckt wer¬ den, da die Betreffenden appellirten und bald nachher der Krieg mit Deutsch¬ land ausbrach. Kur Lnnnerung an König Ludwig den Lrsten von Bayern. Große Leute — kleine Schwächen. Harmlose Geschichten von dem Verfasser der „Silhouetten und Reliquien." Berlin, A. Duncker, 1872. Der Verfasser dieses Buches — das ist ein öffentliches Geheimniß und man darf es daher auch wohl verrathen — ist der Ungar Kertbeny, der sich in der deutschen Literatur sowohl durch eigene Leistungen, als auch durch gute Uebersetzungen aus dem Ungarischen (Petöfi) und aus dem Französischen (Alfred de Musset) das Ehrenbürgerrecht erworben hat. Warum er sich aus dem Titel dieses neuen Werkes nicht genannt, ist schwer zu errathen; denn es ist ein recht liebenswürdiges Buch. In bunter Reihenfolge' führt es uns Fürsten und Staatsmänner, Componisten und Dichter, Sänger und Schau¬ spieler, Maler und Schriftsteller, Damen und Herren vor, um uns von Jedem eine anschauliche Charakterschilderung und einige drastische Anekdoten aus der „vie intime" zu geben. Die Geschilderten gehören allen möglichen Nationen an. Es sind Ungarn und Oestreicher, Deutsche und Italiener, Engländer und Franzosen. Die meisten kennt der Verfasser persönlich; bei andern schöpft er aus zuverlässigen Quellen. Er hat in seinen jungen Jahren, gleich manchen Andern, mit Passion Jagd gemacht auf die Bekanntschaft mit „Berühmtheiten"; und in seinen reiferen Jahren hat er diese Bekanntschaften auch ohne Jagd gemacht. Er giebt uns hier eine Mappe aus seiner reichen Sammlung und verspricht, unter Umständen weitere folgen zu lassen. Er hat zugleich das Talent, gut zu erzählen, und ich glaube, Niemand wird diese liebenswürdigen Plaudereien eines Vielerfahrenen und Vielgereisten ohne Be¬ friedigung aus der Hand legen. Ich will dem Leser eine kleine Probe aus Kertbeny's Buch geben, indem GrenMm it. 1872. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/193>, abgerufen am 22.12.2024.