Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.Wie sich nun Dürer eine Belagerung praktisch dachte, auch darüber hat Dürers Vorschläge wurden von seinen Zeitgenossen nur sehr vereinzelt Max Allihn. Die liberale Partei des sächsischen Landtags. Sie sprachen vor einiger Zeit gegen mich den Wunsch aus, ich möchte Damals habe ich gezögert, diesem Wunsche zu entsprechen, eingedenk jener Wie sich nun Dürer eine Belagerung praktisch dachte, auch darüber hat Dürers Vorschläge wurden von seinen Zeitgenossen nur sehr vereinzelt Max Allihn. Die liberale Partei des sächsischen Landtags. Sie sprachen vor einiger Zeit gegen mich den Wunsch aus, ich möchte Damals habe ich gezögert, diesem Wunsche zu entsprechen, eingedenk jener <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0156" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127552"/> <p xml:id="ID_505"> Wie sich nun Dürer eine Belagerung praktisch dachte, auch darüber hat<lb/> er uns eine interessante Belehrung gegeben in einem aus zwei Blatt be¬<lb/> stehenden großen Holzschnitte. Links erblicken wir eine Stadt ganz nach dem<lb/> Plane seiner Festungsbaukunst befestigt, nur befinden sich auf dem Grunde<lb/> des Grabens Streichwehren in Form kleiner Thürmchen, die unterirdisch mit<lb/> der Stadt im Zusammenhang stehen. Der Feind hat sein Geschütz bis<lb/> zum Graben vorgeführt und steht mit den Belagerten im Geschützkampfe.<lb/> Seine Flanken deckt er durch Tirailleurlinien. Der Belagerte macht soeben<lb/> von rechts her einen Ausfall mit Fußvolk, Reitern und Feldgeschütz. Weiter<lb/> rückwärts hat sich der Feind eingeschnitten, noch weiter rückwärts ziehen große<lb/> Haufen Fußvolkes heran, flankirt von keilförmig geordneten Reiterschaaren.<lb/> In den Zwischenräumen marschiren einzelne Leute und werden Kanonen heran¬<lb/> gefahren. Den Schluß bildet ein starker Wagenpark. Dazu erblickt man<lb/> Bäume, brennende Dörfer; jammernde Frauen — ein culturhistorisch sehr<lb/> interessanter Schnitt, den sich der geneigte Leser in einer Kupferstichsammlung<lb/> gelegentlich vorlegen lassen möge. Er führt nach Bartsch die Nummer 137.</p><lb/> <p xml:id="ID_506"> Dürers Vorschläge wurden von seinen Zeitgenossen nur sehr vereinzelt<lb/> und in sehr modificirter Weise zur Anwendung gebracht. Die Festungsbau¬<lb/> kunst schlug durch die Einführung des Bastionssystems andere Wege ein, bis<lb/> man nach Verlauf von zwei Jahrhunderten, nachdem man die bedeutenden<lb/> Mängel dieses Symstems einsehen gelernt hatte, zu Dürers Ideen zurückkehrte,<lb/> das heißt zur Erbauung von Polygonen Festungsgürteln, die durch Anlegung<lb/> von Kasematten auch zu innerer Vertheidigung geeignet sind. Eines der neue¬<lb/> sten derartig eingerichteten Festungswerke war das Fort Sumpter, welches<lb/> in dem amerikanischen Kriege soviel von sich reden machte.</p><lb/> <note type="byline"> Max Allihn.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die liberale Partei des sächsischen Landtags.</head><lb/> <p xml:id="ID_507"> Sie sprachen vor einiger Zeit gegen mich den Wunsch aus, ich möchte<lb/> über den hier versammelten Landtag meine aus nächster persönlicher Anschau¬<lb/> ung geschöpften Beobachtungen Ihnen für Ihr Blatt mittheilen.</p><lb/> <p xml:id="ID_508" next="#ID_509"> Damals habe ich gezögert, diesem Wunsche zu entsprechen, eingedenk jener<lb/> treffenden Bemerkung in dem 39. der berühmten Junius-Briefe: „Um ge¬<lb/> recht über eine parlamentarische Versammlung zu urtheilen, muß man nicht<lb/> blos den Anfang, sondern auch den Fortgang und das Ende ihrer Be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0156]
Wie sich nun Dürer eine Belagerung praktisch dachte, auch darüber hat
er uns eine interessante Belehrung gegeben in einem aus zwei Blatt be¬
stehenden großen Holzschnitte. Links erblicken wir eine Stadt ganz nach dem
Plane seiner Festungsbaukunst befestigt, nur befinden sich auf dem Grunde
des Grabens Streichwehren in Form kleiner Thürmchen, die unterirdisch mit
der Stadt im Zusammenhang stehen. Der Feind hat sein Geschütz bis
zum Graben vorgeführt und steht mit den Belagerten im Geschützkampfe.
Seine Flanken deckt er durch Tirailleurlinien. Der Belagerte macht soeben
von rechts her einen Ausfall mit Fußvolk, Reitern und Feldgeschütz. Weiter
rückwärts hat sich der Feind eingeschnitten, noch weiter rückwärts ziehen große
Haufen Fußvolkes heran, flankirt von keilförmig geordneten Reiterschaaren.
In den Zwischenräumen marschiren einzelne Leute und werden Kanonen heran¬
gefahren. Den Schluß bildet ein starker Wagenpark. Dazu erblickt man
Bäume, brennende Dörfer; jammernde Frauen — ein culturhistorisch sehr
interessanter Schnitt, den sich der geneigte Leser in einer Kupferstichsammlung
gelegentlich vorlegen lassen möge. Er führt nach Bartsch die Nummer 137.
Dürers Vorschläge wurden von seinen Zeitgenossen nur sehr vereinzelt
und in sehr modificirter Weise zur Anwendung gebracht. Die Festungsbau¬
kunst schlug durch die Einführung des Bastionssystems andere Wege ein, bis
man nach Verlauf von zwei Jahrhunderten, nachdem man die bedeutenden
Mängel dieses Symstems einsehen gelernt hatte, zu Dürers Ideen zurückkehrte,
das heißt zur Erbauung von Polygonen Festungsgürteln, die durch Anlegung
von Kasematten auch zu innerer Vertheidigung geeignet sind. Eines der neue¬
sten derartig eingerichteten Festungswerke war das Fort Sumpter, welches
in dem amerikanischen Kriege soviel von sich reden machte.
Max Allihn.
Die liberale Partei des sächsischen Landtags.
Sie sprachen vor einiger Zeit gegen mich den Wunsch aus, ich möchte
über den hier versammelten Landtag meine aus nächster persönlicher Anschau¬
ung geschöpften Beobachtungen Ihnen für Ihr Blatt mittheilen.
Damals habe ich gezögert, diesem Wunsche zu entsprechen, eingedenk jener
treffenden Bemerkung in dem 39. der berühmten Junius-Briefe: „Um ge¬
recht über eine parlamentarische Versammlung zu urtheilen, muß man nicht
blos den Anfang, sondern auch den Fortgang und das Ende ihrer Be-
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