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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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tags ist der schleppende Gang der Stuttgarter Geschäftsordnung für das Pu¬
blikum wie für die Regierung gleich unerträglich geworden, auch kann dieselbe
bei der jetzt so nahe liegenden Begleichung zwischen dem in Berlin und in
Stuttgart arbeitenden geistigen Capital fernerhin nur zur Discreditirung
unserer Ständerammer dienen. Widerstand wird der Antrag nur bei den ge¬
wohnheitsmäßigen Diätenjägern finden, welche die langen Commissionsbe¬
rathungen bisher so trefflich auszunutzen verstanden.

Auch ein Fastnachtsspiel wird der Ständekammer kaum erspart bleiben,
indem das ultramontane und großdeutsche Häuflein beabsichtigt, die Thätig¬
keit des Reichstags vor das Forum derselben zu ziehen.

Die Jnterpellation ist bereits übergeben, durch welche unser schwäbischer
Archimedes auf der Basis des Stuttgarter Ständehauses das Reich aus den
Angeln zu heben gedenkt.

Von den Regierungsvorlagen heben wir den Entwurf eines Einführungs¬
gesetzes zum Strafgesetzbuch und zur Gewerbeordnung und den seit vielen Jah¬
ren betriebenen Entwurf eines Baugesetzes hervor. Auch ist die Erhöhung
der Beamtengehalte in Aussicht gestellt, über welche die Regierung noch nicht
schlüssig ist; man will offenbar die Entwicklung dieser Frage im preußischen
Abgeordnetenhause abwarten, um unseren Landboten die Entscheidung über
die wenig populäre Vorlage zu erleichtern. Die Frage ist hier doppelt bren¬
nend, da die Besoldungen der Civildiener im Allgemeinen erheblich niedriger
sind als im Norden, und die neueste Zeit außer der allgemeinen Aenderung des
Geldwerthes gleichsam mit einem Schlag eine Ausgleichung der Preisverhält¬
nisse der Länder des Gulden- und Thalerfußes herbeigeführt hat. In der
Justiz insbesondere hat dieser Zustand in Verbindung mit der neulich erfolg¬
ten enormen Erhöhung der Advocatengebühren bereits die Wirkung gehabt,
daß die besseren Kräfte sich der Advocatur zuzuwenden beginnen, und in Folge
dieser und anderer Umstände das allgemeine Bildungsniveau des Richterstan¬
". des täglich ungünstiger sich gestaltet.




Dom deutschen Keichstag.

Dadurch, daß die beiden letzten Reichtagsbriefe sich ausschließlich mit dem
Münzgesetz beschäftigten, sind wir genöthigt, heute in der Chronologie der
Reichtagssitzungen etwas weit zurückzugreifen.


tags ist der schleppende Gang der Stuttgarter Geschäftsordnung für das Pu¬
blikum wie für die Regierung gleich unerträglich geworden, auch kann dieselbe
bei der jetzt so nahe liegenden Begleichung zwischen dem in Berlin und in
Stuttgart arbeitenden geistigen Capital fernerhin nur zur Discreditirung
unserer Ständerammer dienen. Widerstand wird der Antrag nur bei den ge¬
wohnheitsmäßigen Diätenjägern finden, welche die langen Commissionsbe¬
rathungen bisher so trefflich auszunutzen verstanden.

Auch ein Fastnachtsspiel wird der Ständekammer kaum erspart bleiben,
indem das ultramontane und großdeutsche Häuflein beabsichtigt, die Thätig¬
keit des Reichstags vor das Forum derselben zu ziehen.

Die Jnterpellation ist bereits übergeben, durch welche unser schwäbischer
Archimedes auf der Basis des Stuttgarter Ständehauses das Reich aus den
Angeln zu heben gedenkt.

Von den Regierungsvorlagen heben wir den Entwurf eines Einführungs¬
gesetzes zum Strafgesetzbuch und zur Gewerbeordnung und den seit vielen Jah¬
ren betriebenen Entwurf eines Baugesetzes hervor. Auch ist die Erhöhung
der Beamtengehalte in Aussicht gestellt, über welche die Regierung noch nicht
schlüssig ist; man will offenbar die Entwicklung dieser Frage im preußischen
Abgeordnetenhause abwarten, um unseren Landboten die Entscheidung über
die wenig populäre Vorlage zu erleichtern. Die Frage ist hier doppelt bren¬
nend, da die Besoldungen der Civildiener im Allgemeinen erheblich niedriger
sind als im Norden, und die neueste Zeit außer der allgemeinen Aenderung des
Geldwerthes gleichsam mit einem Schlag eine Ausgleichung der Preisverhält¬
nisse der Länder des Gulden- und Thalerfußes herbeigeführt hat. In der
Justiz insbesondere hat dieser Zustand in Verbindung mit der neulich erfolg¬
ten enormen Erhöhung der Advocatengebühren bereits die Wirkung gehabt,
daß die besseren Kräfte sich der Advocatur zuzuwenden beginnen, und in Folge
dieser und anderer Umstände das allgemeine Bildungsniveau des Richterstan¬
«. des täglich ungünstiger sich gestaltet.




Dom deutschen Keichstag.

Dadurch, daß die beiden letzten Reichtagsbriefe sich ausschließlich mit dem
Münzgesetz beschäftigten, sind wir genöthigt, heute in der Chronologie der
Reichtagssitzungen etwas weit zurückzugreifen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/396>, abgerufen am 05.02.2025.