Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band."Siehe da, ruft siegesgewiß Herr Benedetti, der Kaiser spricht von an¬ Am Schluß seines Capitels schwingt sich die Phantasie des Herrn Bene¬ Diese Versicherung würde kaum des Lachens lohnen, wenn sie bloß nach Dom deutschen Aeichstag. Die Sitzungen dieser Woche begannen am 22. October mit der Berathung „Siehe da, ruft siegesgewiß Herr Benedetti, der Kaiser spricht von an¬ Am Schluß seines Capitels schwingt sich die Phantasie des Herrn Bene¬ Diese Versicherung würde kaum des Lachens lohnen, wenn sie bloß nach Dom deutschen Aeichstag. Die Sitzungen dieser Woche begannen am 22. October mit der Berathung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0204" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192505"/> <p xml:id="ID_759"> „Siehe da, ruft siegesgewiß Herr Benedetti, der Kaiser spricht von an¬<lb/> nehmen! Muß da nicht ein Vorschlag vorangegangen sein, von dessen An¬<lb/> nahme die Rede ist?" Als ob das Wort „annehmen" sich bloß auf formu-<lb/> lirte Vorschläge, nicht auch auf Eventualitäten beziehen könnte! In der<lb/> Instruction vom 16. August 1866 für Herrn Benedetti, welche ihm nach der<lb/> Mittheilung des Reichs-Anzeigers durch einen Herrn Chauvy aus Paris über¬<lb/> bracht wurde, ist das Wort „g.ceoiMi'" genau in dem letzteren Sinne ge¬<lb/> braucht, nämlich für den Fall, daß die Vereinigung Belgiens mit Frankreich<lb/> auf zu große Hindernisse stoßen sollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_760"> Am Schluß seines Capitels schwingt sich die Phantasie des Herrn Bene¬<lb/> detti zu solchem Flug auf: der Kaiser habe den preußischen Vertragsentwurf<lb/> durch seine Randbemerkungen dahin modificirt, daß Frankreich seine Erwer¬<lb/> bungen auf Luxemburg und die Grenze von 1814 beschränken wolle: das sei<lb/> so viel gewesen, als die preußische Anerbietung ablehnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_761"> Diese Versicherung würde kaum des Lachens lohnen, wenn sie bloß nach<lb/> der inneren Wahrscheinlichkeit zu prüfen wäre. Nun aber liegt der wahre<lb/> Sachverhalt in zweifellosen Documenten vor. Da wirkt des Lügens aufge¬<lb/> wandte Mühe durch den Contrast, in den sie sich sogar mit dem sinnlichen<lb/> Augenschein versetzt, allerdings blitzartig komisch. Es paßt nur Ein Citat<lb/> für Herrn Benedetti, die Frage des Prinzen Heinrich an Sir John Falstaff:<lb/> „Welchen Kniff, welchen Vorwand, welchen Schlupfwinkel kannst Du nun aus¬<lb/> sinnen, um Dich vor dieser offenbaren Schande zu verbergen?" Mau schreibt,<lb/> daß Herr Benedetti mit einer Antwort beschäftigt ist. Wir empfehlen ihm<lb/> die Ausrede Falstaff's: „ich war ein Lügner aus Jnstinct!"</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Dom deutschen Aeichstag.</head><lb/> <p xml:id="ID_762" next="#ID_763"> Die Sitzungen dieser Woche begannen am 22. October mit der Berathung<lb/> über das Gesetz, betreffend die Bildung eines Reichskriegsschatzes. Der erste<lb/> Redner war Dr. Löwe als Wortführer der Fortschrittspartei. Es gab eine<lb/> Zeit, wo dieser Redner auch von seinen politischen Gegnern nicht ungern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0204]
„Siehe da, ruft siegesgewiß Herr Benedetti, der Kaiser spricht von an¬
nehmen! Muß da nicht ein Vorschlag vorangegangen sein, von dessen An¬
nahme die Rede ist?" Als ob das Wort „annehmen" sich bloß auf formu-
lirte Vorschläge, nicht auch auf Eventualitäten beziehen könnte! In der
Instruction vom 16. August 1866 für Herrn Benedetti, welche ihm nach der
Mittheilung des Reichs-Anzeigers durch einen Herrn Chauvy aus Paris über¬
bracht wurde, ist das Wort „g.ceoiMi'" genau in dem letzteren Sinne ge¬
braucht, nämlich für den Fall, daß die Vereinigung Belgiens mit Frankreich
auf zu große Hindernisse stoßen sollte.
Am Schluß seines Capitels schwingt sich die Phantasie des Herrn Bene¬
detti zu solchem Flug auf: der Kaiser habe den preußischen Vertragsentwurf
durch seine Randbemerkungen dahin modificirt, daß Frankreich seine Erwer¬
bungen auf Luxemburg und die Grenze von 1814 beschränken wolle: das sei
so viel gewesen, als die preußische Anerbietung ablehnen.
Diese Versicherung würde kaum des Lachens lohnen, wenn sie bloß nach
der inneren Wahrscheinlichkeit zu prüfen wäre. Nun aber liegt der wahre
Sachverhalt in zweifellosen Documenten vor. Da wirkt des Lügens aufge¬
wandte Mühe durch den Contrast, in den sie sich sogar mit dem sinnlichen
Augenschein versetzt, allerdings blitzartig komisch. Es paßt nur Ein Citat
für Herrn Benedetti, die Frage des Prinzen Heinrich an Sir John Falstaff:
„Welchen Kniff, welchen Vorwand, welchen Schlupfwinkel kannst Du nun aus¬
sinnen, um Dich vor dieser offenbaren Schande zu verbergen?" Mau schreibt,
daß Herr Benedetti mit einer Antwort beschäftigt ist. Wir empfehlen ihm
die Ausrede Falstaff's: „ich war ein Lügner aus Jnstinct!"
Dom deutschen Aeichstag.
Die Sitzungen dieser Woche begannen am 22. October mit der Berathung
über das Gesetz, betreffend die Bildung eines Reichskriegsschatzes. Der erste
Redner war Dr. Löwe als Wortführer der Fortschrittspartei. Es gab eine
Zeit, wo dieser Redner auch von seinen politischen Gegnern nicht ungern
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