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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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die Befestigung größerer Städte nun wohl als hinfällig erscheinen und dabei
auch die erröthen müßten, deren Patriotismus unter der Sorge für ihr Eigen¬
thum mehr oder weniger leide, und daß bisher fast allein Deutschland der
Welt das Schauspiel einer egoistischen Agitation gegen eine Institution ge¬
boten habe, deren das Vaterland bedarf. Auch in Frankreich fänden sich die
großen Städte zum Theil durch ihre zu eng gewordenen Enceinten genirt,
aber bei dem energischen Patriotismus der Franzosen declamirten diese nicht
von ihrem Privatstandpunkte aus gegen das ihnen unbequeme, großentheils
viel schwerer auf ihnen lastende System, sondern richteten ihre Bitten im
Einzelnen auf sachgemäße Abhülfe, d. h, auf Erweiterung. Wer daher die
Schrecken einer Belagerung fürchte, der möge anderswo sein Heil versuchen,
der Staat aber müsse zu allen Zeiten auch solche Opfer fordern. Wer aber
bleiben zu müssen glaube, der vergeude seine Zeit nicht mit thörichten oder
ungeeigneten Deklamationen und Agitationen im Sinne irgend einer chimäri¬
schen Idee, sondern wirke von seinem Standpunkte aus mit, daß sein Wohn¬
ort zu einer in jeder Weise starken und gewaltigen, ja zu einer unangreif¬
baren Festung werde, was beinahe eine Bürgschaft dauernden Friedens dar¬
stelle. Das bleibe in dieser Frage für den Staat wie für den Einzelnen die
einzig richtige Aufgabe.

Wir bedauern, daß der brave und intelligente Officier, der dieses zeit¬
gemäße Buch geschrieben, den letzten Krieg nicht überlebte, der ihm eine
Menge weiteres Material zu seiner verdienstvollen Arbeit geboten hätte.


M. v. Eelking.


Im Heschichte der potttischen Literatur Deutschlands
1806--1808.
Von Franz Schmorr v. Carolsfeld.
II.
"Arndt, Geist der Zeit. Th. 1. u. 2. 1806--1808."

Ruhmreich eröffnete Ernst Moritz Arndt, der Mann, der von sich sagte,
er sei gleich hinter dem Corsen her geboren, seinen bis zum endlichen Siege
unermüdlich fortgesetzten Kampf gegen das Gewaltsystem des französischen
Kaiserreichs mit dem ersten Theil seiner Schrift: "Geist der Zeit," der im
Jahre 1806 noch vor Ausbruch des preußisch-französischen Krieges (Ostern
1806 war er bereits gedruckt) erschien. Er selbst sagt sechzehn Jahre nach
seinem Erscheinen (s. nothgedrungener Bericht a. seinem Leben. Th. 1. S. 202),


die Befestigung größerer Städte nun wohl als hinfällig erscheinen und dabei
auch die erröthen müßten, deren Patriotismus unter der Sorge für ihr Eigen¬
thum mehr oder weniger leide, und daß bisher fast allein Deutschland der
Welt das Schauspiel einer egoistischen Agitation gegen eine Institution ge¬
boten habe, deren das Vaterland bedarf. Auch in Frankreich fänden sich die
großen Städte zum Theil durch ihre zu eng gewordenen Enceinten genirt,
aber bei dem energischen Patriotismus der Franzosen declamirten diese nicht
von ihrem Privatstandpunkte aus gegen das ihnen unbequeme, großentheils
viel schwerer auf ihnen lastende System, sondern richteten ihre Bitten im
Einzelnen auf sachgemäße Abhülfe, d. h, auf Erweiterung. Wer daher die
Schrecken einer Belagerung fürchte, der möge anderswo sein Heil versuchen,
der Staat aber müsse zu allen Zeiten auch solche Opfer fordern. Wer aber
bleiben zu müssen glaube, der vergeude seine Zeit nicht mit thörichten oder
ungeeigneten Deklamationen und Agitationen im Sinne irgend einer chimäri¬
schen Idee, sondern wirke von seinem Standpunkte aus mit, daß sein Wohn¬
ort zu einer in jeder Weise starken und gewaltigen, ja zu einer unangreif¬
baren Festung werde, was beinahe eine Bürgschaft dauernden Friedens dar¬
stelle. Das bleibe in dieser Frage für den Staat wie für den Einzelnen die
einzig richtige Aufgabe.

Wir bedauern, daß der brave und intelligente Officier, der dieses zeit¬
gemäße Buch geschrieben, den letzten Krieg nicht überlebte, der ihm eine
Menge weiteres Material zu seiner verdienstvollen Arbeit geboten hätte.


M. v. Eelking.


Im Heschichte der potttischen Literatur Deutschlands
1806—1808.
Von Franz Schmorr v. Carolsfeld.
II.
„Arndt, Geist der Zeit. Th. 1. u. 2. 1806—1808."

Ruhmreich eröffnete Ernst Moritz Arndt, der Mann, der von sich sagte,
er sei gleich hinter dem Corsen her geboren, seinen bis zum endlichen Siege
unermüdlich fortgesetzten Kampf gegen das Gewaltsystem des französischen
Kaiserreichs mit dem ersten Theil seiner Schrift: „Geist der Zeit," der im
Jahre 1806 noch vor Ausbruch des preußisch-französischen Krieges (Ostern
1806 war er bereits gedruckt) erschien. Er selbst sagt sechzehn Jahre nach
seinem Erscheinen (s. nothgedrungener Bericht a. seinem Leben. Th. 1. S. 202),


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[0394] die Befestigung größerer Städte nun wohl als hinfällig erscheinen und dabei auch die erröthen müßten, deren Patriotismus unter der Sorge für ihr Eigen¬ thum mehr oder weniger leide, und daß bisher fast allein Deutschland der Welt das Schauspiel einer egoistischen Agitation gegen eine Institution ge¬ boten habe, deren das Vaterland bedarf. Auch in Frankreich fänden sich die großen Städte zum Theil durch ihre zu eng gewordenen Enceinten genirt, aber bei dem energischen Patriotismus der Franzosen declamirten diese nicht von ihrem Privatstandpunkte aus gegen das ihnen unbequeme, großentheils viel schwerer auf ihnen lastende System, sondern richteten ihre Bitten im Einzelnen auf sachgemäße Abhülfe, d. h, auf Erweiterung. Wer daher die Schrecken einer Belagerung fürchte, der möge anderswo sein Heil versuchen, der Staat aber müsse zu allen Zeiten auch solche Opfer fordern. Wer aber bleiben zu müssen glaube, der vergeude seine Zeit nicht mit thörichten oder ungeeigneten Deklamationen und Agitationen im Sinne irgend einer chimäri¬ schen Idee, sondern wirke von seinem Standpunkte aus mit, daß sein Wohn¬ ort zu einer in jeder Weise starken und gewaltigen, ja zu einer unangreif¬ baren Festung werde, was beinahe eine Bürgschaft dauernden Friedens dar¬ stelle. Das bleibe in dieser Frage für den Staat wie für den Einzelnen die einzig richtige Aufgabe. Wir bedauern, daß der brave und intelligente Officier, der dieses zeit¬ gemäße Buch geschrieben, den letzten Krieg nicht überlebte, der ihm eine Menge weiteres Material zu seiner verdienstvollen Arbeit geboten hätte. M. v. Eelking. Im Heschichte der potttischen Literatur Deutschlands 1806—1808. Von Franz Schmorr v. Carolsfeld. II. „Arndt, Geist der Zeit. Th. 1. u. 2. 1806—1808." Ruhmreich eröffnete Ernst Moritz Arndt, der Mann, der von sich sagte, er sei gleich hinter dem Corsen her geboren, seinen bis zum endlichen Siege unermüdlich fortgesetzten Kampf gegen das Gewaltsystem des französischen Kaiserreichs mit dem ersten Theil seiner Schrift: „Geist der Zeit," der im Jahre 1806 noch vor Ausbruch des preußisch-französischen Krieges (Ostern 1806 war er bereits gedruckt) erschien. Er selbst sagt sechzehn Jahre nach seinem Erscheinen (s. nothgedrungener Bericht a. seinem Leben. Th. 1. S. 202),

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/394>, abgerufen am 24.07.2024.