Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Besorgniß hervor. Je unverstellter der jesuitische Ultramontanismus sein
eigentliches Antlitz zeigt, desto besser für Deutschland, desto besser für
die Welt.

Die "Germania" sieht in der Aufhebung der besonderen katholischen
Abtheilung die Abberufung der Gesandten des Staats von der Kirche.
Sie will damit offenbar insinuiren, der Staat habe der Kirche den Krieg er¬
klärt. Diese Insinuation ist unwahr. Denn der Staat will jeder Kirche
gewähren, was sie von ihm zu fordern hat. Jeden Schutz, nur nicht die
Unterstützung des Gewissenzwanges. Die "Germania" aber insinuirt nur
darum, es sei der Krieg an die Kirche erklärt worden, um ihrerseits den Krieg
gegen den Staat predigen zu können. Bereits sieht sie "das Alte stürzen und
neues Leben aus den Ruinen blühen." Das ist wohl Siegesgewißheit. Die
deutsche Nation aber wird zunächst die Klarheit preisen, welche an die Stel¬
lung des Ultramontanismus gekommen ist. Der weltherrschende Papst und
Frankreich sein Arm, oder vielleicht: das weltherrschende Frankreich und der
Papst sein Werkzeug: das ist das jesuitische Panier. Jede Kirche frei, an dem
Heil der Seele zu arbeiten, aber der deutsche Staat souverän und untheilbar:
v--r. das ist das nationale Panier.




Z)er Krieg und seine Hpfer.

Der jetzige Zustand der stehenden Armeen in Europa leidet mit der Be¬
schaffenheit und Größe der Kriegsheere der älteren Kriegszeiten gar keinen
Vergleich. Alexander der Große unternahm und vollendete mit 40,000
Mann die Eroberung des größten Theiles der damals bekannten Welt. Fünf
Legionen, die noch nicht so viel Köpfe zählten, als jene Macedonier, machten
die stärksten Heere der Römer aus, und nur an dem Schlachttage, wo Brutus
blutete und das Schicksal von Rom's Freiheit sich entschied, zählte man ihrer
dreißig. Gottfried von Bouillon erschien dagegen schon mit 700,000
Streitern in Palästina; in dem siebenjährigen Krieg waren 1.200,000 Mann
unter den Waffen. Eine Million Krieger zogen 1813 nach Frankreich. Im
Kriege von 1866 sowohl wie im letzten deutsch-französischen Kriege stehen fast
zwei Millionen Soldaten im Felde. Eben weil aber so große Heeresmassen
sich einander gegenüberstehen, läßt ein langandauernder Krieg sich nicht
denken.


Besorgniß hervor. Je unverstellter der jesuitische Ultramontanismus sein
eigentliches Antlitz zeigt, desto besser für Deutschland, desto besser für
die Welt.

Die „Germania" sieht in der Aufhebung der besonderen katholischen
Abtheilung die Abberufung der Gesandten des Staats von der Kirche.
Sie will damit offenbar insinuiren, der Staat habe der Kirche den Krieg er¬
klärt. Diese Insinuation ist unwahr. Denn der Staat will jeder Kirche
gewähren, was sie von ihm zu fordern hat. Jeden Schutz, nur nicht die
Unterstützung des Gewissenzwanges. Die „Germania" aber insinuirt nur
darum, es sei der Krieg an die Kirche erklärt worden, um ihrerseits den Krieg
gegen den Staat predigen zu können. Bereits sieht sie „das Alte stürzen und
neues Leben aus den Ruinen blühen." Das ist wohl Siegesgewißheit. Die
deutsche Nation aber wird zunächst die Klarheit preisen, welche an die Stel¬
lung des Ultramontanismus gekommen ist. Der weltherrschende Papst und
Frankreich sein Arm, oder vielleicht: das weltherrschende Frankreich und der
Papst sein Werkzeug: das ist das jesuitische Panier. Jede Kirche frei, an dem
Heil der Seele zu arbeiten, aber der deutsche Staat souverän und untheilbar:
v—r. das ist das nationale Panier.




Z)er Krieg und seine Hpfer.

Der jetzige Zustand der stehenden Armeen in Europa leidet mit der Be¬
schaffenheit und Größe der Kriegsheere der älteren Kriegszeiten gar keinen
Vergleich. Alexander der Große unternahm und vollendete mit 40,000
Mann die Eroberung des größten Theiles der damals bekannten Welt. Fünf
Legionen, die noch nicht so viel Köpfe zählten, als jene Macedonier, machten
die stärksten Heere der Römer aus, und nur an dem Schlachttage, wo Brutus
blutete und das Schicksal von Rom's Freiheit sich entschied, zählte man ihrer
dreißig. Gottfried von Bouillon erschien dagegen schon mit 700,000
Streitern in Palästina; in dem siebenjährigen Krieg waren 1.200,000 Mann
unter den Waffen. Eine Million Krieger zogen 1813 nach Frankreich. Im
Kriege von 1866 sowohl wie im letzten deutsch-französischen Kriege stehen fast
zwei Millionen Soldaten im Felde. Eben weil aber so große Heeresmassen
sich einander gegenüberstehen, läßt ein langandauernder Krieg sich nicht
denken.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126519"/>
          <p xml:id="ID_754" prev="#ID_753"> Besorgniß hervor. Je unverstellter der jesuitische Ultramontanismus sein<lb/>
eigentliches Antlitz zeigt, desto besser für Deutschland, desto besser für<lb/>
die Welt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_755"> Die &#x201E;Germania" sieht in der Aufhebung der besonderen katholischen<lb/>
Abtheilung die Abberufung der Gesandten des Staats von der Kirche.<lb/>
Sie will damit offenbar insinuiren, der Staat habe der Kirche den Krieg er¬<lb/>
klärt. Diese Insinuation ist unwahr. Denn der Staat will jeder Kirche<lb/>
gewähren, was sie von ihm zu fordern hat. Jeden Schutz, nur nicht die<lb/>
Unterstützung des Gewissenzwanges. Die &#x201E;Germania" aber insinuirt nur<lb/>
darum, es sei der Krieg an die Kirche erklärt worden, um ihrerseits den Krieg<lb/>
gegen den Staat predigen zu können. Bereits sieht sie &#x201E;das Alte stürzen und<lb/>
neues Leben aus den Ruinen blühen." Das ist wohl Siegesgewißheit. Die<lb/>
deutsche Nation aber wird zunächst die Klarheit preisen, welche an die Stel¬<lb/>
lung des Ultramontanismus gekommen ist. Der weltherrschende Papst und<lb/>
Frankreich sein Arm, oder vielleicht: das weltherrschende Frankreich und der<lb/>
Papst sein Werkzeug: das ist das jesuitische Panier. Jede Kirche frei, an dem<lb/>
Heil der Seele zu arbeiten, aber der deutsche Staat souverän und untheilbar:<lb/><note type="byline"> v&#x2014;r.</note> das ist das nationale Panier. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Z)er Krieg und seine Hpfer.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_756"> Der jetzige Zustand der stehenden Armeen in Europa leidet mit der Be¬<lb/>
schaffenheit und Größe der Kriegsheere der älteren Kriegszeiten gar keinen<lb/>
Vergleich. Alexander der Große unternahm und vollendete mit 40,000<lb/>
Mann die Eroberung des größten Theiles der damals bekannten Welt. Fünf<lb/>
Legionen, die noch nicht so viel Köpfe zählten, als jene Macedonier, machten<lb/>
die stärksten Heere der Römer aus, und nur an dem Schlachttage, wo Brutus<lb/>
blutete und das Schicksal von Rom's Freiheit sich entschied, zählte man ihrer<lb/>
dreißig. Gottfried von Bouillon erschien dagegen schon mit 700,000<lb/>
Streitern in Palästina; in dem siebenjährigen Krieg waren 1.200,000 Mann<lb/>
unter den Waffen. Eine Million Krieger zogen 1813 nach Frankreich. Im<lb/>
Kriege von 1866 sowohl wie im letzten deutsch-französischen Kriege stehen fast<lb/>
zwei Millionen Soldaten im Felde. Eben weil aber so große Heeresmassen<lb/>
sich einander gegenüberstehen, läßt ein langandauernder Krieg sich nicht<lb/>
denken.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0243] Besorgniß hervor. Je unverstellter der jesuitische Ultramontanismus sein eigentliches Antlitz zeigt, desto besser für Deutschland, desto besser für die Welt. Die „Germania" sieht in der Aufhebung der besonderen katholischen Abtheilung die Abberufung der Gesandten des Staats von der Kirche. Sie will damit offenbar insinuiren, der Staat habe der Kirche den Krieg er¬ klärt. Diese Insinuation ist unwahr. Denn der Staat will jeder Kirche gewähren, was sie von ihm zu fordern hat. Jeden Schutz, nur nicht die Unterstützung des Gewissenzwanges. Die „Germania" aber insinuirt nur darum, es sei der Krieg an die Kirche erklärt worden, um ihrerseits den Krieg gegen den Staat predigen zu können. Bereits sieht sie „das Alte stürzen und neues Leben aus den Ruinen blühen." Das ist wohl Siegesgewißheit. Die deutsche Nation aber wird zunächst die Klarheit preisen, welche an die Stel¬ lung des Ultramontanismus gekommen ist. Der weltherrschende Papst und Frankreich sein Arm, oder vielleicht: das weltherrschende Frankreich und der Papst sein Werkzeug: das ist das jesuitische Panier. Jede Kirche frei, an dem Heil der Seele zu arbeiten, aber der deutsche Staat souverän und untheilbar: v—r. das ist das nationale Panier. Z)er Krieg und seine Hpfer. Der jetzige Zustand der stehenden Armeen in Europa leidet mit der Be¬ schaffenheit und Größe der Kriegsheere der älteren Kriegszeiten gar keinen Vergleich. Alexander der Große unternahm und vollendete mit 40,000 Mann die Eroberung des größten Theiles der damals bekannten Welt. Fünf Legionen, die noch nicht so viel Köpfe zählten, als jene Macedonier, machten die stärksten Heere der Römer aus, und nur an dem Schlachttage, wo Brutus blutete und das Schicksal von Rom's Freiheit sich entschied, zählte man ihrer dreißig. Gottfried von Bouillon erschien dagegen schon mit 700,000 Streitern in Palästina; in dem siebenjährigen Krieg waren 1.200,000 Mann unter den Waffen. Eine Million Krieger zogen 1813 nach Frankreich. Im Kriege von 1866 sowohl wie im letzten deutsch-französischen Kriege stehen fast zwei Millionen Soldaten im Felde. Eben weil aber so große Heeresmassen sich einander gegenüberstehen, läßt ein langandauernder Krieg sich nicht denken.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/243
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/243>, abgerufen am 24.07.2024.