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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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hatte, vor empfänglichen Herzen und Seelen im befreundeten Kreise noch ein¬
mal laut zu durchdenken. Daß er damit auch feinen Hörern reiche Schätze
des Wahren, Guten und Schönen erschloß, -- diesen Ruhm mit irgend
welchem Nachdruck und Stolz zu fordern, lag ihm so fern, daß er sich viel¬
mehr von Herzen dankbar fühlte überall, wo ihm aufmerksame Theilnahme
entgegenkam. Daß in allen Gesprächen er vorherrschend das Wort führte,
war für uns alle eine naturnothwendige Erscheinung; fühlten und wußten
wir doch, daß er an neuen Gedanken, überraschenden Ansichten und Auf¬
fassungen uns weit mehr bot, als wir ihm; freilich förderte und nährte seine
Unterhaltung auch bei uns die schaffende Kraft des Geistes, aber was wir
auch Neues fanden, es erschien uns selbst doch als hervorgerufen durch die
Zauberkunst seiner Rede. Aber nicht bloß in Gollub schon Gefundenes
und Gesammeltes brachte er in den Kreis, der sich bei seinen Besuchen um
ihn schloß, er schuf fortwährend auch Neues. Ein zwischengeworfenes Wort,
eine kurze Bemerkung eines andern genügte oft, die Richtung der Unterhal¬
tung völlig zu ändern, und auch auf bis dahin von ihm nicht erwogenen
Bahnen floß der Strom seiner Ideen mit wunderbarem Reichthum.

(Schluß folgt.)




Die Schlacht sei JorKing.
Erinnerungen eines Freiwilligen.
IV.
(Schluß.)

Es muß Mitternacht gewesen sein, als wir Leatherhead erreichten. Hier
verließen wir das offne Terrain und betraten die Straße, und die Hemmung
wurde größer für das Vorwärtskommen. Mühselig drängten und schoben
wir uns weiter. Mehrere Züge passirten auf der Eisenbahn längs der Straße
langsam an uns vorbei. Sie enthielten, wie wir vermutheten, die Verwun¬
deten, wenigstens die, welche fo glücklich gewesen waren, aufgehoben zu wer¬
den. Es war Tag, als wir in Epsom eintrafen. Die Nacht war nach dem
Gewitter hell und klar gewesen, und ein kühler Wind, der durch meine durch¬
näßten Kleider hindurchwehte, ging mir bis auf die Knochen, so daß ich vor
Kälte zitterte. Mein verwundetes Bein war steif und schmerzte, und ich war
im Begriff, vor Erschöpfung und Hunger umzufallen. Meine Kameraden
waren nicht besser daran. Wir hatten seit dem gestrigen Frühstück nichts ge¬
gessen, und das Brot, welches wir uns eingesteckt hatten, war von dem Ge-


hatte, vor empfänglichen Herzen und Seelen im befreundeten Kreise noch ein¬
mal laut zu durchdenken. Daß er damit auch feinen Hörern reiche Schätze
des Wahren, Guten und Schönen erschloß, — diesen Ruhm mit irgend
welchem Nachdruck und Stolz zu fordern, lag ihm so fern, daß er sich viel¬
mehr von Herzen dankbar fühlte überall, wo ihm aufmerksame Theilnahme
entgegenkam. Daß in allen Gesprächen er vorherrschend das Wort führte,
war für uns alle eine naturnothwendige Erscheinung; fühlten und wußten
wir doch, daß er an neuen Gedanken, überraschenden Ansichten und Auf¬
fassungen uns weit mehr bot, als wir ihm; freilich förderte und nährte seine
Unterhaltung auch bei uns die schaffende Kraft des Geistes, aber was wir
auch Neues fanden, es erschien uns selbst doch als hervorgerufen durch die
Zauberkunst seiner Rede. Aber nicht bloß in Gollub schon Gefundenes
und Gesammeltes brachte er in den Kreis, der sich bei seinen Besuchen um
ihn schloß, er schuf fortwährend auch Neues. Ein zwischengeworfenes Wort,
eine kurze Bemerkung eines andern genügte oft, die Richtung der Unterhal¬
tung völlig zu ändern, und auch auf bis dahin von ihm nicht erwogenen
Bahnen floß der Strom seiner Ideen mit wunderbarem Reichthum.

(Schluß folgt.)




Die Schlacht sei JorKing.
Erinnerungen eines Freiwilligen.
IV.
(Schluß.)

Es muß Mitternacht gewesen sein, als wir Leatherhead erreichten. Hier
verließen wir das offne Terrain und betraten die Straße, und die Hemmung
wurde größer für das Vorwärtskommen. Mühselig drängten und schoben
wir uns weiter. Mehrere Züge passirten auf der Eisenbahn längs der Straße
langsam an uns vorbei. Sie enthielten, wie wir vermutheten, die Verwun¬
deten, wenigstens die, welche fo glücklich gewesen waren, aufgehoben zu wer¬
den. Es war Tag, als wir in Epsom eintrafen. Die Nacht war nach dem
Gewitter hell und klar gewesen, und ein kühler Wind, der durch meine durch¬
näßten Kleider hindurchwehte, ging mir bis auf die Knochen, so daß ich vor
Kälte zitterte. Mein verwundetes Bein war steif und schmerzte, und ich war
im Begriff, vor Erschöpfung und Hunger umzufallen. Meine Kameraden
waren nicht besser daran. Wir hatten seit dem gestrigen Frühstück nichts ge¬
gessen, und das Brot, welches wir uns eingesteckt hatten, war von dem Ge-


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[0458] hatte, vor empfänglichen Herzen und Seelen im befreundeten Kreise noch ein¬ mal laut zu durchdenken. Daß er damit auch feinen Hörern reiche Schätze des Wahren, Guten und Schönen erschloß, — diesen Ruhm mit irgend welchem Nachdruck und Stolz zu fordern, lag ihm so fern, daß er sich viel¬ mehr von Herzen dankbar fühlte überall, wo ihm aufmerksame Theilnahme entgegenkam. Daß in allen Gesprächen er vorherrschend das Wort führte, war für uns alle eine naturnothwendige Erscheinung; fühlten und wußten wir doch, daß er an neuen Gedanken, überraschenden Ansichten und Auf¬ fassungen uns weit mehr bot, als wir ihm; freilich förderte und nährte seine Unterhaltung auch bei uns die schaffende Kraft des Geistes, aber was wir auch Neues fanden, es erschien uns selbst doch als hervorgerufen durch die Zauberkunst seiner Rede. Aber nicht bloß in Gollub schon Gefundenes und Gesammeltes brachte er in den Kreis, der sich bei seinen Besuchen um ihn schloß, er schuf fortwährend auch Neues. Ein zwischengeworfenes Wort, eine kurze Bemerkung eines andern genügte oft, die Richtung der Unterhal¬ tung völlig zu ändern, und auch auf bis dahin von ihm nicht erwogenen Bahnen floß der Strom seiner Ideen mit wunderbarem Reichthum. (Schluß folgt.) Die Schlacht sei JorKing. Erinnerungen eines Freiwilligen. IV. (Schluß.) Es muß Mitternacht gewesen sein, als wir Leatherhead erreichten. Hier verließen wir das offne Terrain und betraten die Straße, und die Hemmung wurde größer für das Vorwärtskommen. Mühselig drängten und schoben wir uns weiter. Mehrere Züge passirten auf der Eisenbahn längs der Straße langsam an uns vorbei. Sie enthielten, wie wir vermutheten, die Verwun¬ deten, wenigstens die, welche fo glücklich gewesen waren, aufgehoben zu wer¬ den. Es war Tag, als wir in Epsom eintrafen. Die Nacht war nach dem Gewitter hell und klar gewesen, und ein kühler Wind, der durch meine durch¬ näßten Kleider hindurchwehte, ging mir bis auf die Knochen, so daß ich vor Kälte zitterte. Mein verwundetes Bein war steif und schmerzte, und ich war im Begriff, vor Erschöpfung und Hunger umzufallen. Meine Kameraden waren nicht besser daran. Wir hatten seit dem gestrigen Frühstück nichts ge¬ gessen, und das Brot, welches wir uns eingesteckt hatten, war von dem Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/458>, abgerufen am 27.12.2024.