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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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scher und deutscher Königstreue! -- Es kam weder zum Zweikampf noch zur
Schlacht; Otto kehrte nach Aachen zurück, und da Lothringen nun abermals
dem deutschen Reiche gesichert war, wendete er den Adler auf der Kaiserpfalz
wieder nach Osten, so daß dies eherne Sinnbild (wie Barthold feinsinnig be¬
merkt) damals ähnliche Bedeutung gewann, wie siebenhundert Jahre später
die Victoria vom Brandenburger Thor.

Hiermit schließt die erste Periode der Kämpfe zwischen Frankreich und
Deutschland ab. Sie umfaßt nur ein Jahrhundert, innerhalb dessen aber
neun Feldzüge der Deutschen in Frankreich, so daß auf etwa 11 Jahre je
ein solcher Feldzug kommt. Unverkennbar zeigt sich bei diesen Zügen das
allmählige Erstarken der deutschen Macht; denn die sechs ersten spielen sich
durchaus auf dem Boden Lothringens ab, der siebente aber dringt bis an die
Seine vor und die beiden letzten enden bereits vor Paris. Ebenso deutlich
wie dieser Fortschritt zeigt sich aber auch, daß jedesmal, wenn Deutschland
gesund und mächtig war, so beherrschte es Lothringen, und jedesmal wenn
es, von innerem Streite zerrissen, krankte, wird ihm auch die Grenzmark vor¬
übergehend entrissen. So ist dies erste Jahrhundert ein Spiegelbild der kom¬
menden Geschichte.




Die Handelsstraßen nach Ostindien und die Kritisch-
Windische Oost.

Die Geschichte der großen Handelsstraßen, auf welchen der Weltverkehr
sich bewegt, ist zugleich die Geschichte der Cultur-Entwickelungsstufen des
Menschengeschlechts. Ueberall, wo mächtige Staatenbildungen entstehen, erhöht
sich die Erpansivkraft des gewerblichen Lebens und schafft sich Verkehrsadern,
welche ganze Erdtheile miteinander verbinden. Mit dem Verfalle des mächtigen
Mittelpunkts, der jene Adern sättigt, versiegen auch diese -- und neue Bahnen
sucht das rastlos pulsirende Leben sich auf. Nach einander erscheinen fast alle
Culturvölker auf dem riesigen Welthandelstheater, die indogermanischen, die
aramäischen, arabischen, israelitischen Nationen. Wie auch die Staatseinheiten,
die politischen Formationen, und mit ihnen die Verkehrscanäle wechseln: die
Pioniere des Handels ruhen niemals; mit friedlichen Waffen erobern sie immer
wieder die verlorenen Gebiete der Arbeit. Im Alterthume und bis ins Mittel¬
alter hinein nehmen an dem Welthandel hauptsächlich Asien und Europa,
Afrika nur in geringerem Maße Antheil. Die Neuzeit erweiterte die Handels¬
gebiete durch das wichtige Amerika, dessen Entdecker Indien suchte. --


scher und deutscher Königstreue! — Es kam weder zum Zweikampf noch zur
Schlacht; Otto kehrte nach Aachen zurück, und da Lothringen nun abermals
dem deutschen Reiche gesichert war, wendete er den Adler auf der Kaiserpfalz
wieder nach Osten, so daß dies eherne Sinnbild (wie Barthold feinsinnig be¬
merkt) damals ähnliche Bedeutung gewann, wie siebenhundert Jahre später
die Victoria vom Brandenburger Thor.

Hiermit schließt die erste Periode der Kämpfe zwischen Frankreich und
Deutschland ab. Sie umfaßt nur ein Jahrhundert, innerhalb dessen aber
neun Feldzüge der Deutschen in Frankreich, so daß auf etwa 11 Jahre je
ein solcher Feldzug kommt. Unverkennbar zeigt sich bei diesen Zügen das
allmählige Erstarken der deutschen Macht; denn die sechs ersten spielen sich
durchaus auf dem Boden Lothringens ab, der siebente aber dringt bis an die
Seine vor und die beiden letzten enden bereits vor Paris. Ebenso deutlich
wie dieser Fortschritt zeigt sich aber auch, daß jedesmal, wenn Deutschland
gesund und mächtig war, so beherrschte es Lothringen, und jedesmal wenn
es, von innerem Streite zerrissen, krankte, wird ihm auch die Grenzmark vor¬
übergehend entrissen. So ist dies erste Jahrhundert ein Spiegelbild der kom¬
menden Geschichte.




Die Handelsstraßen nach Ostindien und die Kritisch-
Windische Oost.

Die Geschichte der großen Handelsstraßen, auf welchen der Weltverkehr
sich bewegt, ist zugleich die Geschichte der Cultur-Entwickelungsstufen des
Menschengeschlechts. Ueberall, wo mächtige Staatenbildungen entstehen, erhöht
sich die Erpansivkraft des gewerblichen Lebens und schafft sich Verkehrsadern,
welche ganze Erdtheile miteinander verbinden. Mit dem Verfalle des mächtigen
Mittelpunkts, der jene Adern sättigt, versiegen auch diese — und neue Bahnen
sucht das rastlos pulsirende Leben sich auf. Nach einander erscheinen fast alle
Culturvölker auf dem riesigen Welthandelstheater, die indogermanischen, die
aramäischen, arabischen, israelitischen Nationen. Wie auch die Staatseinheiten,
die politischen Formationen, und mit ihnen die Verkehrscanäle wechseln: die
Pioniere des Handels ruhen niemals; mit friedlichen Waffen erobern sie immer
wieder die verlorenen Gebiete der Arbeit. Im Alterthume und bis ins Mittel¬
alter hinein nehmen an dem Welthandel hauptsächlich Asien und Europa,
Afrika nur in geringerem Maße Antheil. Die Neuzeit erweiterte die Handels¬
gebiete durch das wichtige Amerika, dessen Entdecker Indien suchte. —


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[0420] scher und deutscher Königstreue! — Es kam weder zum Zweikampf noch zur Schlacht; Otto kehrte nach Aachen zurück, und da Lothringen nun abermals dem deutschen Reiche gesichert war, wendete er den Adler auf der Kaiserpfalz wieder nach Osten, so daß dies eherne Sinnbild (wie Barthold feinsinnig be¬ merkt) damals ähnliche Bedeutung gewann, wie siebenhundert Jahre später die Victoria vom Brandenburger Thor. Hiermit schließt die erste Periode der Kämpfe zwischen Frankreich und Deutschland ab. Sie umfaßt nur ein Jahrhundert, innerhalb dessen aber neun Feldzüge der Deutschen in Frankreich, so daß auf etwa 11 Jahre je ein solcher Feldzug kommt. Unverkennbar zeigt sich bei diesen Zügen das allmählige Erstarken der deutschen Macht; denn die sechs ersten spielen sich durchaus auf dem Boden Lothringens ab, der siebente aber dringt bis an die Seine vor und die beiden letzten enden bereits vor Paris. Ebenso deutlich wie dieser Fortschritt zeigt sich aber auch, daß jedesmal, wenn Deutschland gesund und mächtig war, so beherrschte es Lothringen, und jedesmal wenn es, von innerem Streite zerrissen, krankte, wird ihm auch die Grenzmark vor¬ übergehend entrissen. So ist dies erste Jahrhundert ein Spiegelbild der kom¬ menden Geschichte. Die Handelsstraßen nach Ostindien und die Kritisch- Windische Oost. Die Geschichte der großen Handelsstraßen, auf welchen der Weltverkehr sich bewegt, ist zugleich die Geschichte der Cultur-Entwickelungsstufen des Menschengeschlechts. Ueberall, wo mächtige Staatenbildungen entstehen, erhöht sich die Erpansivkraft des gewerblichen Lebens und schafft sich Verkehrsadern, welche ganze Erdtheile miteinander verbinden. Mit dem Verfalle des mächtigen Mittelpunkts, der jene Adern sättigt, versiegen auch diese — und neue Bahnen sucht das rastlos pulsirende Leben sich auf. Nach einander erscheinen fast alle Culturvölker auf dem riesigen Welthandelstheater, die indogermanischen, die aramäischen, arabischen, israelitischen Nationen. Wie auch die Staatseinheiten, die politischen Formationen, und mit ihnen die Verkehrscanäle wechseln: die Pioniere des Handels ruhen niemals; mit friedlichen Waffen erobern sie immer wieder die verlorenen Gebiete der Arbeit. Im Alterthume und bis ins Mittel¬ alter hinein nehmen an dem Welthandel hauptsächlich Asien und Europa, Afrika nur in geringerem Maße Antheil. Die Neuzeit erweiterte die Handels¬ gebiete durch das wichtige Amerika, dessen Entdecker Indien suchte. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/420>, abgerufen am 22.07.2024.