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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Die Urstätte und Wiege der Menschheit -- Indien -- mir dem uner¬
meßlichen Reichthum an Erzeugnissen, bildete von je das Hauptziel des Welt¬
handels. Schon Herodot und Strabo beschreiben uns die uralten Straßen¬
züge vom Indus über die westlichen Pässe des Hindukusch, welche in 7 Tagen
überschritten wurden, dann weiter am Orus entlang nach dem Kaspischen
Meere, in welches bekanntlich ehemals dieser Strom (jetzt Ann-Darja), mündete,
vom Kaspischen Meere auf dem Cyrus (jetzt Kur mit Tiflis) und dem Phasis
nach dem Schwarzen Meer durch das Land der alten Kolchier, -- welche nach
Agathias höchst unternehmende Kaufleute und gute Straßenbaumeister waren,
indem sie zur Erhaltung des Indischen Transithandels allein 120 Schluchten
überbrückt hatten. Vom Bosporus (Byzanz) liefen die Routen nach Griechen¬
land :c. Eine ebenfalls uralte Handelsstraße zweigte sich von Astrachan nach
dem Norden ab; eine andere ging vom Asowschen Meer nach China (Peking),
wohin von dort noch 290 Tagereisen gerechnet wurden. In sehr früher Zeit
finden wir die Phönizier, deren Heimath der Küstenstreif zwischen Kleinasien,
Syrien und Aegypten ist, auf allen Meeren, in Cypern, Aegypten, Sicilien,
Spanien, ja auf der Nordsee, die Perlen und das Gold des Ostens, Purpur
und Löwenfelle aus Afrika, Weihrauch aus Arabien und Zinn aus England
vertauschend; Sidonische und Tyrische, später Karthagische Kaufleute beherrschen
die Karavanenstraßen nach dem Osten. Den Hellenen und ihren handel¬
treibenden Colonien in Italien, namentlich den Tarentinern folgten die Römer,
auf welche, wie auf kein anderes Volk der Erde, das Wort ihres Dichters
anzuwenden ist: 'in rogöi'S imxerio populos, liomims, imzmento. Ilav tibi
erunt Antis, xaeisizue imponsre myiem. Das weltumfassende Netz
ihrer Straßen vereinigte Palimbothra am Ganges mit den Städten am
Pictenwall, in ununterbrochener Reihe blühende Emporien am Rhein nicht
minder wie am Euphrat aufweisend. Der wichtige Hafen von Puteoli war
durch regelmäßige Seefahrten mit Alexandrien, dem (331--33S v. Chr. von
Alexander d. Gr. gegründeten) Hauptstapelplatze des Indischen Handels ver¬
bunden, von wo die Waarenzüge nach den Handelsstationen am Rothen
Meere Arsinoe, Berenice und Myos-Hormos gingen -- Schöpfungen der
Ptolomäer (323--221 v. Chr.) Mit dem Zusammensturze des großen Römer¬
reichs löste sich gewissermaßen das gesammte Verkehrsleben der alten Welt
auf, und nach den Stürmen der Völkerwanderung (noch mehr nach einzelnen
Raubzügen barbarischer Horden, wie die Hunnen, Avaren, Parther) waren
nur noch Fragmente der alten Welthandelsstraßen übrig. Die Verlegung der
Residenz der Kaiser von Rom nach Byzanz (Konstantinopel) vermochte dem
Verkehr ebensowenig Stärkung zuzuführen wie dem Staatsleben überhaupt,
und Byzanz, welches niemals Athens oder Roms Bedeutung erreichte, ver¬
schwand später im Dunkel des Islams. Nach Byzanz gingen die Waarenzüge


Grenjboten I. 1871. 53

Die Urstätte und Wiege der Menschheit — Indien — mir dem uner¬
meßlichen Reichthum an Erzeugnissen, bildete von je das Hauptziel des Welt¬
handels. Schon Herodot und Strabo beschreiben uns die uralten Straßen¬
züge vom Indus über die westlichen Pässe des Hindukusch, welche in 7 Tagen
überschritten wurden, dann weiter am Orus entlang nach dem Kaspischen
Meere, in welches bekanntlich ehemals dieser Strom (jetzt Ann-Darja), mündete,
vom Kaspischen Meere auf dem Cyrus (jetzt Kur mit Tiflis) und dem Phasis
nach dem Schwarzen Meer durch das Land der alten Kolchier, — welche nach
Agathias höchst unternehmende Kaufleute und gute Straßenbaumeister waren,
indem sie zur Erhaltung des Indischen Transithandels allein 120 Schluchten
überbrückt hatten. Vom Bosporus (Byzanz) liefen die Routen nach Griechen¬
land :c. Eine ebenfalls uralte Handelsstraße zweigte sich von Astrachan nach
dem Norden ab; eine andere ging vom Asowschen Meer nach China (Peking),
wohin von dort noch 290 Tagereisen gerechnet wurden. In sehr früher Zeit
finden wir die Phönizier, deren Heimath der Küstenstreif zwischen Kleinasien,
Syrien und Aegypten ist, auf allen Meeren, in Cypern, Aegypten, Sicilien,
Spanien, ja auf der Nordsee, die Perlen und das Gold des Ostens, Purpur
und Löwenfelle aus Afrika, Weihrauch aus Arabien und Zinn aus England
vertauschend; Sidonische und Tyrische, später Karthagische Kaufleute beherrschen
die Karavanenstraßen nach dem Osten. Den Hellenen und ihren handel¬
treibenden Colonien in Italien, namentlich den Tarentinern folgten die Römer,
auf welche, wie auf kein anderes Volk der Erde, das Wort ihres Dichters
anzuwenden ist: 'in rogöi'S imxerio populos, liomims, imzmento. Ilav tibi
erunt Antis, xaeisizue imponsre myiem. Das weltumfassende Netz
ihrer Straßen vereinigte Palimbothra am Ganges mit den Städten am
Pictenwall, in ununterbrochener Reihe blühende Emporien am Rhein nicht
minder wie am Euphrat aufweisend. Der wichtige Hafen von Puteoli war
durch regelmäßige Seefahrten mit Alexandrien, dem (331—33S v. Chr. von
Alexander d. Gr. gegründeten) Hauptstapelplatze des Indischen Handels ver¬
bunden, von wo die Waarenzüge nach den Handelsstationen am Rothen
Meere Arsinoe, Berenice und Myos-Hormos gingen — Schöpfungen der
Ptolomäer (323—221 v. Chr.) Mit dem Zusammensturze des großen Römer¬
reichs löste sich gewissermaßen das gesammte Verkehrsleben der alten Welt
auf, und nach den Stürmen der Völkerwanderung (noch mehr nach einzelnen
Raubzügen barbarischer Horden, wie die Hunnen, Avaren, Parther) waren
nur noch Fragmente der alten Welthandelsstraßen übrig. Die Verlegung der
Residenz der Kaiser von Rom nach Byzanz (Konstantinopel) vermochte dem
Verkehr ebensowenig Stärkung zuzuführen wie dem Staatsleben überhaupt,
und Byzanz, welches niemals Athens oder Roms Bedeutung erreichte, ver¬
schwand später im Dunkel des Islams. Nach Byzanz gingen die Waarenzüge


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[0421] Die Urstätte und Wiege der Menschheit — Indien — mir dem uner¬ meßlichen Reichthum an Erzeugnissen, bildete von je das Hauptziel des Welt¬ handels. Schon Herodot und Strabo beschreiben uns die uralten Straßen¬ züge vom Indus über die westlichen Pässe des Hindukusch, welche in 7 Tagen überschritten wurden, dann weiter am Orus entlang nach dem Kaspischen Meere, in welches bekanntlich ehemals dieser Strom (jetzt Ann-Darja), mündete, vom Kaspischen Meere auf dem Cyrus (jetzt Kur mit Tiflis) und dem Phasis nach dem Schwarzen Meer durch das Land der alten Kolchier, — welche nach Agathias höchst unternehmende Kaufleute und gute Straßenbaumeister waren, indem sie zur Erhaltung des Indischen Transithandels allein 120 Schluchten überbrückt hatten. Vom Bosporus (Byzanz) liefen die Routen nach Griechen¬ land :c. Eine ebenfalls uralte Handelsstraße zweigte sich von Astrachan nach dem Norden ab; eine andere ging vom Asowschen Meer nach China (Peking), wohin von dort noch 290 Tagereisen gerechnet wurden. In sehr früher Zeit finden wir die Phönizier, deren Heimath der Küstenstreif zwischen Kleinasien, Syrien und Aegypten ist, auf allen Meeren, in Cypern, Aegypten, Sicilien, Spanien, ja auf der Nordsee, die Perlen und das Gold des Ostens, Purpur und Löwenfelle aus Afrika, Weihrauch aus Arabien und Zinn aus England vertauschend; Sidonische und Tyrische, später Karthagische Kaufleute beherrschen die Karavanenstraßen nach dem Osten. Den Hellenen und ihren handel¬ treibenden Colonien in Italien, namentlich den Tarentinern folgten die Römer, auf welche, wie auf kein anderes Volk der Erde, das Wort ihres Dichters anzuwenden ist: 'in rogöi'S imxerio populos, liomims, imzmento. Ilav tibi erunt Antis, xaeisizue imponsre myiem. Das weltumfassende Netz ihrer Straßen vereinigte Palimbothra am Ganges mit den Städten am Pictenwall, in ununterbrochener Reihe blühende Emporien am Rhein nicht minder wie am Euphrat aufweisend. Der wichtige Hafen von Puteoli war durch regelmäßige Seefahrten mit Alexandrien, dem (331—33S v. Chr. von Alexander d. Gr. gegründeten) Hauptstapelplatze des Indischen Handels ver¬ bunden, von wo die Waarenzüge nach den Handelsstationen am Rothen Meere Arsinoe, Berenice und Myos-Hormos gingen — Schöpfungen der Ptolomäer (323—221 v. Chr.) Mit dem Zusammensturze des großen Römer¬ reichs löste sich gewissermaßen das gesammte Verkehrsleben der alten Welt auf, und nach den Stürmen der Völkerwanderung (noch mehr nach einzelnen Raubzügen barbarischer Horden, wie die Hunnen, Avaren, Parther) waren nur noch Fragmente der alten Welthandelsstraßen übrig. Die Verlegung der Residenz der Kaiser von Rom nach Byzanz (Konstantinopel) vermochte dem Verkehr ebensowenig Stärkung zuzuführen wie dem Staatsleben überhaupt, und Byzanz, welches niemals Athens oder Roms Bedeutung erreichte, ver¬ schwand später im Dunkel des Islams. Nach Byzanz gingen die Waarenzüge Grenjboten I. 1871. 53

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/421>, abgerufen am 22.07.2024.