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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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lich nicht zur Unehre gereichen, daß sie zwei starken Mauleseln gleichen, die
vom Gebirge her auf steilem Pfad einen Mast thalwärts tragen. Nicht ohne
Lächeln freilich lesen wir von der zähen Widerstandskraft des Ajas, der auf
dem Rückzüge dem überlegenen Feinde jeden Fuß breit streitig macht, wie ein
fauler Esel, der ungestört den Rand des Saatfeldes abgrast, soviel Stöcke
auch die Burschen auf seinem Rücken zerschlagen. Auch das endlich scheint
dem Dichter nicht ehrenrührig, daß zu beharrlichem Schutze der Patrokloslciche
gegen die überlegene Kraft Hektors und so vieler Troer Athene dem Menelaos
die Kühnheit der Fliege in die Brust gibt: wie oft auch verscheucht von
der Haut, besteht sie doch darauf zu beißen, weil ihr das Blut des Menschen
so lecker ist. (Schluß folgt.)




Die Kaiserfaljrt der Aeichstagsdeputation nach Versailles.
(Fortsetzung.)

Bei der Abreise von Straßburg am nächsten Morgen gab es eine nicht
grade angenehme Confusion in Betreff unseres Gepäckes. Mehr als ein Ab¬
geordneter suchte das seinige im Schweiße seines Angesichts und erhielt von
den wachthabenden Eisenbahn- und Polizeibeamten die trostreiche Mittheilung,
daß dort -- wenigstens außerhalb des Bahnhofgebäudes -- täglich Dieb¬
stähle vorkämen. Es fehlte an Beamten; unsere Parlamentsdiener hatten
nicht aufgepaßt, und Alles war Unordnung. Schließlich wurde indessen dort
nichts verloren, und die Abgeordneten v. P. und v. Gr., denen ihre Koffer
mit den Uniformen fehlten, erhielten sie später in Frankfurt zurück, wo sie
ruhig stehen geblieben waren. Schlag 7^2 Uhr Morgens reisten wir ab,
bis Saarburg von dem Negierungsrathe Düllberg geleitet, und da es nach
und nach Heller wurde, sahen wir noch in den Borstädten einen Theil der in
Trümmern liegenden Häuser und auch einzelne Spuren der Belagerungs¬
arbeiten ; für die Dauer einer guten Stunde zieht sich die Bahn in der Ebene
zwischen bebauten Feldern hin; dann zeigen sich die ersten Ausläufer der Vo-
gesen, und gegen 9 Uhr lief der Zug ins Gebirge ein, worauf für etwa eine
weitere Stunde die schönsten Gebirgs- und Waldlandschaften mit einander
abwechselten. Nicht nur an den Stationen stehen starke deutsche Truppenabthei¬
lungen, sondern auch überall unterwegs sieht man Feldwachen in neugezim¬
merten hölzernen Baracken, dann auch in der Nähe derselben einzelne Posten,
namentlich beim Ein- und Ausgange der Tunnels, von denen man in den


lich nicht zur Unehre gereichen, daß sie zwei starken Mauleseln gleichen, die
vom Gebirge her auf steilem Pfad einen Mast thalwärts tragen. Nicht ohne
Lächeln freilich lesen wir von der zähen Widerstandskraft des Ajas, der auf
dem Rückzüge dem überlegenen Feinde jeden Fuß breit streitig macht, wie ein
fauler Esel, der ungestört den Rand des Saatfeldes abgrast, soviel Stöcke
auch die Burschen auf seinem Rücken zerschlagen. Auch das endlich scheint
dem Dichter nicht ehrenrührig, daß zu beharrlichem Schutze der Patrokloslciche
gegen die überlegene Kraft Hektors und so vieler Troer Athene dem Menelaos
die Kühnheit der Fliege in die Brust gibt: wie oft auch verscheucht von
der Haut, besteht sie doch darauf zu beißen, weil ihr das Blut des Menschen
so lecker ist. (Schluß folgt.)




Die Kaiserfaljrt der Aeichstagsdeputation nach Versailles.
(Fortsetzung.)

Bei der Abreise von Straßburg am nächsten Morgen gab es eine nicht
grade angenehme Confusion in Betreff unseres Gepäckes. Mehr als ein Ab¬
geordneter suchte das seinige im Schweiße seines Angesichts und erhielt von
den wachthabenden Eisenbahn- und Polizeibeamten die trostreiche Mittheilung,
daß dort — wenigstens außerhalb des Bahnhofgebäudes — täglich Dieb¬
stähle vorkämen. Es fehlte an Beamten; unsere Parlamentsdiener hatten
nicht aufgepaßt, und Alles war Unordnung. Schließlich wurde indessen dort
nichts verloren, und die Abgeordneten v. P. und v. Gr., denen ihre Koffer
mit den Uniformen fehlten, erhielten sie später in Frankfurt zurück, wo sie
ruhig stehen geblieben waren. Schlag 7^2 Uhr Morgens reisten wir ab,
bis Saarburg von dem Negierungsrathe Düllberg geleitet, und da es nach
und nach Heller wurde, sahen wir noch in den Borstädten einen Theil der in
Trümmern liegenden Häuser und auch einzelne Spuren der Belagerungs¬
arbeiten ; für die Dauer einer guten Stunde zieht sich die Bahn in der Ebene
zwischen bebauten Feldern hin; dann zeigen sich die ersten Ausläufer der Vo-
gesen, und gegen 9 Uhr lief der Zug ins Gebirge ein, worauf für etwa eine
weitere Stunde die schönsten Gebirgs- und Waldlandschaften mit einander
abwechselten. Nicht nur an den Stationen stehen starke deutsche Truppenabthei¬
lungen, sondern auch überall unterwegs sieht man Feldwachen in neugezim¬
merten hölzernen Baracken, dann auch in der Nähe derselben einzelne Posten,
namentlich beim Ein- und Ausgange der Tunnels, von denen man in den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/346>, abgerufen am 22.07.2024.