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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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van Zuylen-Heemskerk im Jahre 1867; sie ist jedoch nichtsdestoweniger ganz
falsch.

Auf dem wiener Congresse wurde Luxemburg dem Hause Oranien als
Ersatz für die Abtretung seiner Erbrechte im Herzogthum Nassau gegeben.
Ob man bei dem Länderhandel damals eine Vergrößerung der Niederlande
mit dieser Transaction bezweckte, ist sehr zweifelhaft, da das Großherzogthum
im deutschen Bund blieb. Jedenfalls aber wurde sie von den Holländern
nur als eine Personalunion aufgefaßt. Während der Bereinigung der süd¬
lichen und nördlichen Niederlande, und dem ziemlich autokratischen Regiment
Wilhelm I., trat dieses Verhältniß nicht in ein so scharfes Licht, wie nach
der belgischen Revolution, wo nicht allein die Verwaltung, sondern Ver¬
fassung und Regierung des Großherzogthums vom Königreich völlig getrennt
wurden. Nach der Verfassung des Jahres 1814 war Luxemburg von Holland
getrennt, nach derjenigen aber v. I. 1815 wurde es damit vereinigt. ES
wurde eine reine Personalunion der beiden Länder hergestellt; nur die Per¬
son des Fürsten haben beide gemein. Bis zur Auflösung des Bundestages
bestand die einzige Gemeinschaftlichkeit des Handelns in der Vertretung beim
Bundestag in Frankfurt, wo dieselbe Person die Niederlande für Limburg
und Luxemburg vertrat. Seit 1866 hat aber auch dieses Zusammengehen auf¬
gehört, so daß wir Holländer politisch dem Großherzogthum völlig fremd sind.

Diese Trennung hat zu einer völligen Abneigung der Holländer gegen
Luxemburg geführt. Man wäre diesseits froh, wenn auch das letzte Band,
das uns noch durch die Person des Fürsten an das entfernte Ländchen
knüpft -- die Union -- gelöst würde. Nichts käme uns erwünschter, als
wenn es durch den einen oder andern Vertrag einem andern Herrscher über¬
lassen würde, so daß wir selbst keine Erinnerung mehr an dasselbe haben.
Von uns muß man aber Nichts in dieser Richtung erwarten, da wir weder
Recht noch Lust haben, uns in die Angelegenheiten des Großherzogthums zu
mischen.

Die Bemühungen des Herrn van Zuylen bei dem projectirten Verkauf
Luxemburgs an Frankreich, die uns von ihm aufgebürdete Mitgarantie der
Neutralität jenes Fürstenthums, waren eine Hauptursache des Falls seines
Ministeriums. Zwar berief sich derselbe auf das gegebene Verhältniß unseres
Königs zum Großherzogthum; aber das half ihm nichts: die Furcht, einmal
in Händel verwickelt zu werden, die Möglichkeit, man könne sich zu Gunsten
der Interessen unseres Königs als Großherzog, zum Handeln hinreißen lassen,
oder unsere Regierung könne zu Gunsten derjenigen von Luxemburg ein¬
schreiten, -- diese Furcht schon drückte uns wie ein Alp und lastet noch heute
auf uns.

Für Deutsche wird diese Auffassung des Verhältnisses unseres König-


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van Zuylen-Heemskerk im Jahre 1867; sie ist jedoch nichtsdestoweniger ganz
falsch.

Auf dem wiener Congresse wurde Luxemburg dem Hause Oranien als
Ersatz für die Abtretung seiner Erbrechte im Herzogthum Nassau gegeben.
Ob man bei dem Länderhandel damals eine Vergrößerung der Niederlande
mit dieser Transaction bezweckte, ist sehr zweifelhaft, da das Großherzogthum
im deutschen Bund blieb. Jedenfalls aber wurde sie von den Holländern
nur als eine Personalunion aufgefaßt. Während der Bereinigung der süd¬
lichen und nördlichen Niederlande, und dem ziemlich autokratischen Regiment
Wilhelm I., trat dieses Verhältniß nicht in ein so scharfes Licht, wie nach
der belgischen Revolution, wo nicht allein die Verwaltung, sondern Ver¬
fassung und Regierung des Großherzogthums vom Königreich völlig getrennt
wurden. Nach der Verfassung des Jahres 1814 war Luxemburg von Holland
getrennt, nach derjenigen aber v. I. 1815 wurde es damit vereinigt. ES
wurde eine reine Personalunion der beiden Länder hergestellt; nur die Per¬
son des Fürsten haben beide gemein. Bis zur Auflösung des Bundestages
bestand die einzige Gemeinschaftlichkeit des Handelns in der Vertretung beim
Bundestag in Frankfurt, wo dieselbe Person die Niederlande für Limburg
und Luxemburg vertrat. Seit 1866 hat aber auch dieses Zusammengehen auf¬
gehört, so daß wir Holländer politisch dem Großherzogthum völlig fremd sind.

Diese Trennung hat zu einer völligen Abneigung der Holländer gegen
Luxemburg geführt. Man wäre diesseits froh, wenn auch das letzte Band,
das uns noch durch die Person des Fürsten an das entfernte Ländchen
knüpft — die Union — gelöst würde. Nichts käme uns erwünschter, als
wenn es durch den einen oder andern Vertrag einem andern Herrscher über¬
lassen würde, so daß wir selbst keine Erinnerung mehr an dasselbe haben.
Von uns muß man aber Nichts in dieser Richtung erwarten, da wir weder
Recht noch Lust haben, uns in die Angelegenheiten des Großherzogthums zu
mischen.

Die Bemühungen des Herrn van Zuylen bei dem projectirten Verkauf
Luxemburgs an Frankreich, die uns von ihm aufgebürdete Mitgarantie der
Neutralität jenes Fürstenthums, waren eine Hauptursache des Falls seines
Ministeriums. Zwar berief sich derselbe auf das gegebene Verhältniß unseres
Königs zum Großherzogthum; aber das half ihm nichts: die Furcht, einmal
in Händel verwickelt zu werden, die Möglichkeit, man könne sich zu Gunsten
der Interessen unseres Königs als Großherzog, zum Handeln hinreißen lassen,
oder unsere Regierung könne zu Gunsten derjenigen von Luxemburg ein¬
schreiten, — diese Furcht schon drückte uns wie ein Alp und lastet noch heute
auf uns.

Für Deutsche wird diese Auffassung des Verhältnisses unseres König-


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[0325] van Zuylen-Heemskerk im Jahre 1867; sie ist jedoch nichtsdestoweniger ganz falsch. Auf dem wiener Congresse wurde Luxemburg dem Hause Oranien als Ersatz für die Abtretung seiner Erbrechte im Herzogthum Nassau gegeben. Ob man bei dem Länderhandel damals eine Vergrößerung der Niederlande mit dieser Transaction bezweckte, ist sehr zweifelhaft, da das Großherzogthum im deutschen Bund blieb. Jedenfalls aber wurde sie von den Holländern nur als eine Personalunion aufgefaßt. Während der Bereinigung der süd¬ lichen und nördlichen Niederlande, und dem ziemlich autokratischen Regiment Wilhelm I., trat dieses Verhältniß nicht in ein so scharfes Licht, wie nach der belgischen Revolution, wo nicht allein die Verwaltung, sondern Ver¬ fassung und Regierung des Großherzogthums vom Königreich völlig getrennt wurden. Nach der Verfassung des Jahres 1814 war Luxemburg von Holland getrennt, nach derjenigen aber v. I. 1815 wurde es damit vereinigt. ES wurde eine reine Personalunion der beiden Länder hergestellt; nur die Per¬ son des Fürsten haben beide gemein. Bis zur Auflösung des Bundestages bestand die einzige Gemeinschaftlichkeit des Handelns in der Vertretung beim Bundestag in Frankfurt, wo dieselbe Person die Niederlande für Limburg und Luxemburg vertrat. Seit 1866 hat aber auch dieses Zusammengehen auf¬ gehört, so daß wir Holländer politisch dem Großherzogthum völlig fremd sind. Diese Trennung hat zu einer völligen Abneigung der Holländer gegen Luxemburg geführt. Man wäre diesseits froh, wenn auch das letzte Band, das uns noch durch die Person des Fürsten an das entfernte Ländchen knüpft — die Union — gelöst würde. Nichts käme uns erwünschter, als wenn es durch den einen oder andern Vertrag einem andern Herrscher über¬ lassen würde, so daß wir selbst keine Erinnerung mehr an dasselbe haben. Von uns muß man aber Nichts in dieser Richtung erwarten, da wir weder Recht noch Lust haben, uns in die Angelegenheiten des Großherzogthums zu mischen. Die Bemühungen des Herrn van Zuylen bei dem projectirten Verkauf Luxemburgs an Frankreich, die uns von ihm aufgebürdete Mitgarantie der Neutralität jenes Fürstenthums, waren eine Hauptursache des Falls seines Ministeriums. Zwar berief sich derselbe auf das gegebene Verhältniß unseres Königs zum Großherzogthum; aber das half ihm nichts: die Furcht, einmal in Händel verwickelt zu werden, die Möglichkeit, man könne sich zu Gunsten der Interessen unseres Königs als Großherzog, zum Handeln hinreißen lassen, oder unsere Regierung könne zu Gunsten derjenigen von Luxemburg ein¬ schreiten, — diese Furcht schon drückte uns wie ein Alp und lastet noch heute auf uns. Für Deutsche wird diese Auffassung des Verhältnisses unseres König- Grenzboten l. !871. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/325>, abgerufen am 22.07.2024.