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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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allein zufallen werde, Das Ministerium bemühte sich deshalb, nachdem end¬
lich der Entschluß gefaßt war, durch die rastlose Energie, welche namentlich
der Minister des Innern bei der Mobilmachung an den Tag legte, sich in
der öffentlichen Meinung Deutschlands zu rehabilitiren; ja man bemühte sich
sichtlich, Bayern von nun an bei jeder Gelegenheit in Darlegung natio¬
naler Gesinnung zu überbieten, so durch die für Jedermann überraschende
officielle Anerkennung der schwarz-weiß-rothen Farben bei der Beflaggung
?r. der öffentlichen Gebäude.*)




Die Deutschen Jaröen.

Außer andern Angriffen, welche gegen das neue Banner des Deutschen
Reiches gerichtet werden, ist auf viele Gemüther derjenige nicht ohne Eindruck
geblieben, welcher dahin geht, daß die Zusammenstellung dreier Farben eines
"con servativen", nur auf sich selbst ruhenden Staatswesens nicht würdig
sei. DieTricolore sei "modernen" und zwar "französischen" Ursprungs/*)

Was das Moderne anbetrifft, so ist ja doch nun festgestellt, daß die dre
Farben blau-weiß-roth, ehe sie zur heraldischen Bezeichnung Frankreichs dien¬
ten, die Farben der Stadt Paris waren, und eben um des letzteren Umstandes
willen von den revolutionären Franzosen angenommen wurden, die hierdurch
unbewußt ihrem centralistischen Jnstinct Ausdruck gaben. Indessen auch ein
Blick in die Wappenbücher des sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderts
zeigt uns überall dreifarbige Banner. Daß auch Deutsche Korporationen
nachweislich schon im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts und vermuthlich
also auch schon früher Tricoloren führten, zeigt ein Blick auf die Banner,
mit welchen der Deutsche Orden 1410 in der Schlacht bei Tannenberg
gegen die Polen rückte. Ohne auf andere unter diesen befindliche Trico¬
loren aufmerksam zu machen, erwähnen wir nur, daß als neunundvierzigste
dieser preußischen Fahnen von dem polnischen Geschichtschreiber Dlugosz
Just. 'I. XI. p. 248 erwähnt wird, wörtlich:


"Das Banner der Stadt Altenstein enthalte drei Felder, das obere
schwarz, das mittlere weiß und das untere roth."



') Der Rest des Artikels, bis zur Ratification der Reichs-Verfassung und der Nersailler
Vertrüge durch die Württembergischen Kammern reichend, in nächster Nummer.
-
) So haben sogar Archivare und Historiker von Fach, die als competent gelten, in Zei¬
tungsartikeln in letzter Zeit verschiedentlich behauptet.

allein zufallen werde, Das Ministerium bemühte sich deshalb, nachdem end¬
lich der Entschluß gefaßt war, durch die rastlose Energie, welche namentlich
der Minister des Innern bei der Mobilmachung an den Tag legte, sich in
der öffentlichen Meinung Deutschlands zu rehabilitiren; ja man bemühte sich
sichtlich, Bayern von nun an bei jeder Gelegenheit in Darlegung natio¬
naler Gesinnung zu überbieten, so durch die für Jedermann überraschende
officielle Anerkennung der schwarz-weiß-rothen Farben bei der Beflaggung
?r. der öffentlichen Gebäude.*)




Die Deutschen Jaröen.

Außer andern Angriffen, welche gegen das neue Banner des Deutschen
Reiches gerichtet werden, ist auf viele Gemüther derjenige nicht ohne Eindruck
geblieben, welcher dahin geht, daß die Zusammenstellung dreier Farben eines
„con servativen", nur auf sich selbst ruhenden Staatswesens nicht würdig
sei. DieTricolore sei „modernen" und zwar „französischen" Ursprungs/*)

Was das Moderne anbetrifft, so ist ja doch nun festgestellt, daß die dre
Farben blau-weiß-roth, ehe sie zur heraldischen Bezeichnung Frankreichs dien¬
ten, die Farben der Stadt Paris waren, und eben um des letzteren Umstandes
willen von den revolutionären Franzosen angenommen wurden, die hierdurch
unbewußt ihrem centralistischen Jnstinct Ausdruck gaben. Indessen auch ein
Blick in die Wappenbücher des sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderts
zeigt uns überall dreifarbige Banner. Daß auch Deutsche Korporationen
nachweislich schon im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts und vermuthlich
also auch schon früher Tricoloren führten, zeigt ein Blick auf die Banner,
mit welchen der Deutsche Orden 1410 in der Schlacht bei Tannenberg
gegen die Polen rückte. Ohne auf andere unter diesen befindliche Trico¬
loren aufmerksam zu machen, erwähnen wir nur, daß als neunundvierzigste
dieser preußischen Fahnen von dem polnischen Geschichtschreiber Dlugosz
Just. 'I. XI. p. 248 erwähnt wird, wörtlich:


„Das Banner der Stadt Altenstein enthalte drei Felder, das obere
schwarz, das mittlere weiß und das untere roth."



') Der Rest des Artikels, bis zur Ratification der Reichs-Verfassung und der Nersailler
Vertrüge durch die Württembergischen Kammern reichend, in nächster Nummer.
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) So haben sogar Archivare und Historiker von Fach, die als competent gelten, in Zei¬
tungsartikeln in letzter Zeit verschiedentlich behauptet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/247>, abgerufen am 28.06.2024.