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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Vorbereitung sei, welches hochwichtige Enthüllungen bringen werde. Am
Dienstag meldete der Gaulois, daß die Notiz vom gestrigen Tage zwar
ihre Richtigkeit habe, daß es aber dem Herausgeber nicht möglich gewesen sei
in Frankreich einen Drucker zu finden, der Satz und Druck dieses wichtigen
Blattes übernehmen wolle. Nun wußte am Mittwoch der Figaro wieder
zu sagen, daß das Blatt doch erscheinen werde, weil der Autor dasselbe in
Brüssel, im freien Belgien, drucken zu lassen beabsichtige; worauf der Gau¬
lois am Donnerstag berichtete, man habe Frankreich verleumdet, es sei
doch ein muthvoller Typograph in Paris gesunden worden, der seine Pressen
in den Dienst der Wahrheit, des Rechts und der Freiheit stelle, und am Freitag
endlich meldeten beide Organe des Boulevard, daß morgen endlich das viel¬
besprochene Blatt, ig. (?g,2<ztts seerste, vorsichtshalber allerdings verklebt
und versiegelt, erscheinen werde.

Einer so wissenschaftlich und mysteriös combinirten Reclame widersteht
kein Pariser, und das geistreichste Volk der Erde übersah ganz, daß ein Ge¬
heimniß in rosa Glanzpapier, das Jeder um einen Franken erstehen konnte, es
eben keineswegs mehr war. Aber Noir hatte doch richtig gerechnet. Ueber
30,000 Exemplare dieser Zeitung waren im Handumdrehen verkauft worden,
und da sich der Autor bei der Redaction in keine großen Kosten, weder an
Geld noch an Zeit, gestürzt, so hatte er alle Ursache, mit der Aufnahme
zufrieden zu sein, welche sein schlechter Witz in Paris gefunden hatte. .

(Fortsetzung folgt)




Hoethe und das Asch,
i.

Vor hundert Jahren, am 2. April des Jahres 1770 fuhr auf der be¬
quemen Diligence Joh. Wolfgang Goethe, als stattlicher Jüngling im Alter
von zwanzig Jahren, nach Straßburg hinein, um seine in Leipzig durch Krank¬
heit unterbrochenen juristischen Studien zu beendigen.

Er hatte Straßburg vor andern Akademien den Vorzug gegeben, weil
er hoffte, hier die französische Sprache, die er von Jugend auf liebte, und die
ihm in einem bewegten Leben ohne Grammatik und Unterricht durch Um¬
gang und Uebung wie eine zweite Muttersprache zu eigen geworden war, noch
leichter und gewandter gebrauchen zu lernen. Denn Straßburg war seit bei¬
nahe einem Jahrhundert eine französische Stadt.

Er bezog eine Wohnung auf der Sommerseite des Fischmarktes Ur. 80


Vorbereitung sei, welches hochwichtige Enthüllungen bringen werde. Am
Dienstag meldete der Gaulois, daß die Notiz vom gestrigen Tage zwar
ihre Richtigkeit habe, daß es aber dem Herausgeber nicht möglich gewesen sei
in Frankreich einen Drucker zu finden, der Satz und Druck dieses wichtigen
Blattes übernehmen wolle. Nun wußte am Mittwoch der Figaro wieder
zu sagen, daß das Blatt doch erscheinen werde, weil der Autor dasselbe in
Brüssel, im freien Belgien, drucken zu lassen beabsichtige; worauf der Gau¬
lois am Donnerstag berichtete, man habe Frankreich verleumdet, es sei
doch ein muthvoller Typograph in Paris gesunden worden, der seine Pressen
in den Dienst der Wahrheit, des Rechts und der Freiheit stelle, und am Freitag
endlich meldeten beide Organe des Boulevard, daß morgen endlich das viel¬
besprochene Blatt, ig. (?g,2<ztts seerste, vorsichtshalber allerdings verklebt
und versiegelt, erscheinen werde.

Einer so wissenschaftlich und mysteriös combinirten Reclame widersteht
kein Pariser, und das geistreichste Volk der Erde übersah ganz, daß ein Ge¬
heimniß in rosa Glanzpapier, das Jeder um einen Franken erstehen konnte, es
eben keineswegs mehr war. Aber Noir hatte doch richtig gerechnet. Ueber
30,000 Exemplare dieser Zeitung waren im Handumdrehen verkauft worden,
und da sich der Autor bei der Redaction in keine großen Kosten, weder an
Geld noch an Zeit, gestürzt, so hatte er alle Ursache, mit der Aufnahme
zufrieden zu sein, welche sein schlechter Witz in Paris gefunden hatte. .

(Fortsetzung folgt)




Hoethe und das Asch,
i.

Vor hundert Jahren, am 2. April des Jahres 1770 fuhr auf der be¬
quemen Diligence Joh. Wolfgang Goethe, als stattlicher Jüngling im Alter
von zwanzig Jahren, nach Straßburg hinein, um seine in Leipzig durch Krank¬
heit unterbrochenen juristischen Studien zu beendigen.

Er hatte Straßburg vor andern Akademien den Vorzug gegeben, weil
er hoffte, hier die französische Sprache, die er von Jugend auf liebte, und die
ihm in einem bewegten Leben ohne Grammatik und Unterricht durch Um¬
gang und Uebung wie eine zweite Muttersprache zu eigen geworden war, noch
leichter und gewandter gebrauchen zu lernen. Denn Straßburg war seit bei¬
nahe einem Jahrhundert eine französische Stadt.

Er bezog eine Wohnung auf der Sommerseite des Fischmarktes Ur. 80


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/21>, abgerufen am 28.06.2024.