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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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lungen, was Menschen erstreben und erreichen können. Nicht er und nicht
wir haben uns gedacht, daß so das Staatsgebäude der Deutschen werde ge¬
krönt werden, durch eine Botschaft des elektrischen Funkens aus der Königs¬
stadt der Franzosen! Gott hat es so gefügt, und wir mögen erkennen, daß
es so am besten geschehen ist. Denn nicht mit dem Ehrgeiz einer neuen höheren
Würde tritt unser künftiges Kaisergeschlecht aus den Thron des Deutschen
Volkes; sondern diese Krone ist ein Zeichen dafür, daß die Könige von Preußen
uns schon Alles erreicht und gewonnen haben, was jemals Deutsche Kaiser
vor ihnen: so daß fürderhin nicht nöthig sein wird, das Schwert zu tragen,
wenn wir pflügen oder Häuser bauen, so daß unser Kaiserreich wirklich den
Frieden bedeutet, den uns das scharfe Schwert der Preußischen Könige dauernd
begründet.

So möge die Deutsche Kaiserwürde blühen für und für! Die Träger
derselben sind sterbliche Menschen, so hoch sie stehen. Auch ihre Namen
werden verrauschen im Meer der Zeiten. Aber wenn längst wieder auf den
Bergen des Wasgau und an der Mosel, von ihrer Quelle bis zur Mündung,
ein rein deutsches Geschlecht wohnt, wird das Volk sich noch erzählen von
Dem, der die Lande an Deutschland zurückbrachte: vom Kaiser Wilhelm.


H. B.


Wodan als Zahresgott.
Von Max Jähns.

Wir lesen im zweiten Capitel des zweiten Buchs Mose: "Und Gott der
Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß und er blies ihm ein den
lebendigen Odem in seine Nase und also ward der Mensch eine lebendige
Seele." -- Mit ein und demselben Worte: "atan^ bezeichnen die heiligen
Veda-Hymnen der Inder zugleich Seele und Wind. Semiten und Arier
also, die beiden großen, alle Cultur tragenden Hauptstämme der Menschheit,
stimmen überein in der uralten und so natürlichen Vorstellung, daß Lust
und Leben, Odem und Seele ein und dasselbe seien. Mit dem
letzten Athemzuge scheinen wir ja beides zu verHauchen. Die nimmer ver¬
siegende Quelle aber, aus welcher wir eben bis zum Tode den Hauch gött¬
lichen Lebens trinken, das ist der allumfließende, unergründlich tiefe, welt¬
umspannende Aether.


lungen, was Menschen erstreben und erreichen können. Nicht er und nicht
wir haben uns gedacht, daß so das Staatsgebäude der Deutschen werde ge¬
krönt werden, durch eine Botschaft des elektrischen Funkens aus der Königs¬
stadt der Franzosen! Gott hat es so gefügt, und wir mögen erkennen, daß
es so am besten geschehen ist. Denn nicht mit dem Ehrgeiz einer neuen höheren
Würde tritt unser künftiges Kaisergeschlecht aus den Thron des Deutschen
Volkes; sondern diese Krone ist ein Zeichen dafür, daß die Könige von Preußen
uns schon Alles erreicht und gewonnen haben, was jemals Deutsche Kaiser
vor ihnen: so daß fürderhin nicht nöthig sein wird, das Schwert zu tragen,
wenn wir pflügen oder Häuser bauen, so daß unser Kaiserreich wirklich den
Frieden bedeutet, den uns das scharfe Schwert der Preußischen Könige dauernd
begründet.

So möge die Deutsche Kaiserwürde blühen für und für! Die Träger
derselben sind sterbliche Menschen, so hoch sie stehen. Auch ihre Namen
werden verrauschen im Meer der Zeiten. Aber wenn längst wieder auf den
Bergen des Wasgau und an der Mosel, von ihrer Quelle bis zur Mündung,
ein rein deutsches Geschlecht wohnt, wird das Volk sich noch erzählen von
Dem, der die Lande an Deutschland zurückbrachte: vom Kaiser Wilhelm.


H. B.


Wodan als Zahresgott.
Von Max Jähns.

Wir lesen im zweiten Capitel des zweiten Buchs Mose: „Und Gott der
Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß und er blies ihm ein den
lebendigen Odem in seine Nase und also ward der Mensch eine lebendige
Seele." — Mit ein und demselben Worte: „atan^ bezeichnen die heiligen
Veda-Hymnen der Inder zugleich Seele und Wind. Semiten und Arier
also, die beiden großen, alle Cultur tragenden Hauptstämme der Menschheit,
stimmen überein in der uralten und so natürlichen Vorstellung, daß Lust
und Leben, Odem und Seele ein und dasselbe seien. Mit dem
letzten Athemzuge scheinen wir ja beides zu verHauchen. Die nimmer ver¬
siegende Quelle aber, aus welcher wir eben bis zum Tode den Hauch gött¬
lichen Lebens trinken, das ist der allumfließende, unergründlich tiefe, welt¬
umspannende Aether.


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[0172] lungen, was Menschen erstreben und erreichen können. Nicht er und nicht wir haben uns gedacht, daß so das Staatsgebäude der Deutschen werde ge¬ krönt werden, durch eine Botschaft des elektrischen Funkens aus der Königs¬ stadt der Franzosen! Gott hat es so gefügt, und wir mögen erkennen, daß es so am besten geschehen ist. Denn nicht mit dem Ehrgeiz einer neuen höheren Würde tritt unser künftiges Kaisergeschlecht aus den Thron des Deutschen Volkes; sondern diese Krone ist ein Zeichen dafür, daß die Könige von Preußen uns schon Alles erreicht und gewonnen haben, was jemals Deutsche Kaiser vor ihnen: so daß fürderhin nicht nöthig sein wird, das Schwert zu tragen, wenn wir pflügen oder Häuser bauen, so daß unser Kaiserreich wirklich den Frieden bedeutet, den uns das scharfe Schwert der Preußischen Könige dauernd begründet. So möge die Deutsche Kaiserwürde blühen für und für! Die Träger derselben sind sterbliche Menschen, so hoch sie stehen. Auch ihre Namen werden verrauschen im Meer der Zeiten. Aber wenn längst wieder auf den Bergen des Wasgau und an der Mosel, von ihrer Quelle bis zur Mündung, ein rein deutsches Geschlecht wohnt, wird das Volk sich noch erzählen von Dem, der die Lande an Deutschland zurückbrachte: vom Kaiser Wilhelm. H. B. Wodan als Zahresgott. Von Max Jähns. Wir lesen im zweiten Capitel des zweiten Buchs Mose: „Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase und also ward der Mensch eine lebendige Seele." — Mit ein und demselben Worte: „atan^ bezeichnen die heiligen Veda-Hymnen der Inder zugleich Seele und Wind. Semiten und Arier also, die beiden großen, alle Cultur tragenden Hauptstämme der Menschheit, stimmen überein in der uralten und so natürlichen Vorstellung, daß Lust und Leben, Odem und Seele ein und dasselbe seien. Mit dem letzten Athemzuge scheinen wir ja beides zu verHauchen. Die nimmer ver¬ siegende Quelle aber, aus welcher wir eben bis zum Tode den Hauch gött¬ lichen Lebens trinken, das ist der allumfließende, unergründlich tiefe, welt¬ umspannende Aether.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/172>, abgerufen am 28.06.2024.